Slt. Ingberter Anzeiger.
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöͤchentlich? mi⸗ dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementsvreis beträgt vierieljahrlich
tAM 40 Z einschließlich Traͤgerlohn; durch die Post bezogen 1 A 60 H, einschließlich 40 4 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 —, von Auswarts
mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattschrist oder eren Raum, Neclanen mit 30 pro Zeile berechnet.
Mei.
Dienstag, den 6. Mai
1878
Deutsches Reich.
Berhin. Der Aufenthalt des Kronprinzen Friedeich Wilhelm
in Kisfingen, wird, wie die „Trib.“ hört, bis gegen Ende dieses
Monais dauern und ist von den Nerzten in Folge eines Magenleidens
empfohlen worden, welches sich schon früher gezeigt hatte, durch die
Aufregung aber, die das letzte Familienunglüch dem Thronfolger be⸗
reliete, erneut hevorgetreten war. Die Cur ist eine Vorbeugungs⸗
maßregel gegen weiteres Umsichgreifen des Uebels.
eDas Redeturnier über die Zoll- und Steuervorlage hat
m Reichsstage am Freitag begonnen. Fürst Bismarck eröffnete die
Debatte. Es fehlt uns natürlich der Raum, um die Ausführungen
der einzelnen Redner auch nur im Auszuge hier wiedergeben zu
toͤnnen. Der Freitag war übrigens für die Anhänger der Reform⸗
projekte günstiger als der Samstag. Bemerkenswerth ist das Be⸗
kenntniß des preußischen Finanzministers Hobrecht in der Samstaes⸗
sizung, daß er leineswegs zu denen gehöre, die von den Segnungen
des Schutzzolls so unbedingt überzeugt seien, und daß er daran
wweifle, ob es sich als möglich herausstellen werde, aus den vom
Fursten Bismarck in Aussicht gestellten Ueberschüssen in den Reichs⸗
einnahmen die angekündigten Steuerermäßigungen ins Werk zu setzen.
Wie die „Berl. Ztg.“ berichtet, ist den Berliner Gardetruppen
durch Korpbbefehl das Lesen und Halten aller in Berlin er⸗
scheinenden liberalen Zeitungen verboten worden. In den Kasernen
sollen dem genannten Blatte zufolge von Zeit zu Zeit d'e Stuben
und Schränke der Mannschaften durch die Offiiere revidirt und
alle Soldaten, welche verbotene Zeitungen und Zeitschriften besitzen,
mit Arrest bestraft werden.
Berlin, 3. Mai. Das Schredensregiment, welches Ge⸗
neral Gurko als General⸗Gouverneur des Petersburger Gouverne⸗
ments eingeführt, hat schon seine ersten Früchte gezjeitigt. Am
Freitag Morgen wurde nämlich der frühere Setondelieutenant Du⸗
browin, welcher zur revolutionaͤren Partei gehoͤrte und bel seiner
Verhaftung zwei Gendarmerie-Unteroffiziere durch Revolverschüsse
derwundete, auf dem Glacis der Peter⸗Paub⸗Festung mittels des
Stranges h'ngerichtet. Viele Andere werden ihm bald nachfolgen.
Es bleibt allerdings fraglich, ob diese also thatsächlich durchgeführte
Ubschreckungstheorie ihren Zwed erreichen werde.
—XX
Paris, 4. Mai. Die Unterhandlungen über die griechische
Frage dauern fort, da sich England der Abtretung Janinas an
Griechenland nicht geneigt zeigt. Die Frage über den Zusammen⸗
tritt eiuer Konferenz ist noch nicht entschieden, bis jetzt sind nur
zwei Mächte, Deutschland und Oesterreich für einen sochen.
In Frankreich machen die Schutzzollner jetzt gerade so
einen Lärm, wie in Deutschland; auch dort geht angeblich die
inländische Industeie zu Grunde, weil sie die Corcurrenz der aus⸗
laändischen nicht ertragen kann (oder besser gesagt: die großen In⸗
daste ellen wollen auch dort durch hoͤhere Zolle sich in die ange⸗
nehme Lage bringen, sich aus den Geldbeuteln ihrer Mitbürger zu
bereichern), und wie in Deutschland, sucht man auch dort der Land⸗
bevöllerung einzureden, die Einsuhr von ausländischen Hammeln,
Ohsen und Kälbern müsse durch Zoll so regulirt werden, wie es
die franzöͤsischen Vlehzüchter für ihren Vortheil angemessen finden.
Der Handelsminister Tirard zeigt sich aber nicht geneigt, den An⸗
forderungen der Schutzzoͤllner zu entsprechen, und hat erklärt, er
würde zurlcktreten, wenn es denselben gelänge, den Senat und
d'ie Abgeordnetenkammer für ihre Zwecke zu gewinnen.
Iwan Turgenjew, der berühmteste der zeitgenössischen r u⸗
disschen Dichter, dessen Romane eine so genaue Kenntniß des Volks⸗
lebens und der Volisgedanken in dem gtoßen Cjarenreiche be⸗
kunden, ist aue Rußland ausgewiesen worden. Auch gegen ihn
hat man den R hilisten⸗Ukat in Anwendung gebracht, trotzdem der
geniale Schriftsteller jenen Umsturzbestrebungen ganz fern steht;
allein er hat es gewagt, der russischen Gesellschaft einen Spiegei
vorzuhalten und muß diese Kühnheit mit der Verbannung büßen.
Die Praxis ist nicht neu im heiligen Rußland: Puschkin und
Lermontoff, die bedeutendsten Dichter, schicte man nach dem Kau⸗
sosus, wo sie den Ton fanden, und den berühmten Chirurgen
Birogoff enthob man seiner Stellung, da er zu liberaler Ideen
jerdächtig war. Das konnte gefährlich werden am Secirtisch und
n der Klinik.
Jakub Khan sprach die Absicht aus, sich nach dem britischen
dager zu begeben, um mit den Engländern in Unterhandlung zu
resen. Es scheint demnach, daß der Krieg in Afganistahn feinem
FEnde entgegen geht.
Bermischtes.
*St. Ingberit. In einer Versammlung am Sonntag
Ubend im Hotel zur Post hat sich der Verschönerungsvercin, dessen
hründung schon feit einiger Zeit in Aussicht genommen war, de⸗
initiv gebildet. Per Akklamation wurden folgende Herren in den
gusschuß, dem auch die Festsetzung der Statuten obliegt, gewählt:
Iberförsser Tochtermann, Ingenieur Seitz, Kaufmann Schanck,
ẽhrhard· Jochum, Direktor Fiuch, Stadtschreiber Boher und Schreiner
gogelsang. Die Einnahmen belaufen sich bhereins auf 254 Ml.
30 Pf. Die Ausgaben bis jetzt betragen 88 Mt. 40 Pf., so
zß ein Ueberschuß von 171 Vet. 10 Pf. bleibt, der Verein also
nit einer ziemlich gut bestellten Kasse sein Dasein beginnt. — Der
Berein beadbsichtigt zunächst, einen Platz im Walde so herzurichten,
zaß er sich im Sommer für Gesellschaften und Vereine bequem
um Abhalten von Waldparthien eignet und auch für Spoziet⸗
anger ein angenehmer Aufenthalt und Ausruhepunkt bietet. Die
Arbeiten sind unter der Leimng des Hrn. Oberförsters Tochter⸗
nann bereits so weit vorgeschritten, daß saon in den nächsten Ta⸗
jen Tische und Bänke auäfgestellt werden können und der Platg
jald zu seinem Zwecke fertiggestellt ist.
St. Ingbert, 6. Ma. (Eingesandt) Bei der am
Zonntag Nachmitlag abgehaltenen Generalversammlung des Kir⸗
denbau Vereines St. Ingbert, der seit 4 Monaten gegründet ist,
rgaben sich sehr erfreuliche Resultate, die der ganzen Bevölkerung
zer Stadt St. Ingbert mit Schnapybach, sowie den Gemeinden
dassel, Rentrisch. Sengscheid und Reichenbrunnen zum Lobe und
sur Ehre gereichen. Die Einnahme betrug 1687 Mt. 68 Pf.,
ie Ausgabe 79 Mk. z es ergab sich somit eine Baaisumme von
578 Mt. 68 Pf. von welcher der Betrag von 1347 M. 13 Pf.
m hiesigen Vorschuß Vereine verzinslich angelegt ist, und 31 Mt.
15 Pf. in Cassa verblieben. Die Jahl der Miglieder ohm Un—
erscied der Confession beträgt 1318, und wächst mit jedem Tage.
den Bezirks⸗Cassierern wurde vom Vorstande eine Belobung aus⸗
esprochen, für die pünktliche Besorgung ihrer schwierigen Obliegen⸗
eiten. Die Versammlung war sehr zahlreich besucht, gewürzt mit
jerrlichen Gesängen, welche die Sanger des ‚Casino“ vortrugen,
ind schloß mit einem dreimaligen „Hoch“ auf die Mitglieder des
Bereines und die Stadt St. Ingbett. Möore dieser schoͤne Verein
lühen, wachsen und gedeihen.
*St. Angbert, 58. Mai. Gestern Abend hat sich der
24jährige, ledige Arbeiser Peter Adam von hier im Walde nahe
zer Stadt erhängt, wie man sagt, in Folge eines Streites mit
einem Bruder. Er galt als fleißiger und stiller Mensch, hatte bei
zer Artillerie gedient und war vor noch nicht langer Zeit vom
Militär zurückgelehrt.
f Der Abschied für den Landralh der Pfalz ist erschienen.
Bir entnehmen demselben folgende Stelle: „Auf den Antrag des
dandroths wegen Ertichtung einer obersten, sechtten Closse an den
solirten Lateinschulen derjenigen pfälzischen Städte, welde die er⸗
vachsenden Kosten ganz auf ihre Rechnung übernehmen wollen,
ann nicht eingegangen werden, da, abgesehen von einer solchen
rinrichtung entgegenftehenden principiellen Bedenken, bei dem fur
Zeit noch jumer nicht beseitigten empfindlichen Mangel an gepruf⸗
en Lehramtscandidaten für die beantragte Erweiterung der isolirten
zateinschulen der Pfalz das nöthige Lehrpersonal nicht vorhanden
st, und nach den dvon der Reiqsschulcommission bisher besolgten
Brundsaätzen einer solchen sechsclassigen Lateinschule die Berechtigung
ur Uusstellung des Zeugnisseßs der wissenschaftlichen Befähigung