Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker Anzeiger. 
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1879. 
A⸗ 81. Samstag den 24. Mai 
Deutsches Reich. 
München. Se. Maj. der Konig hat den Reichsstath Dr. 
o. Doͤllinger zum Vorstand der kduiglichen Atodemie der Wissen⸗ 
schaften und zum Generalconservator der wissenschaftlichen Samm⸗ 
iungen des Stoats auf weitere Jahre ernannt. 
Mänchen. Der Eiat für die Verwaltung der bayerischen 
Armee im Jahre 1879480 zeigt die Summe von M. 41,27 1,344. 
Was die in Berlin projektirte Vermehrung der Artillerie der deutschen 
Armee betrifft, so vernimmt man hier, daß noch bestimmt ist, bis 
zu welchem Zeitpunlt der desfalls erforderliche Antrag zur Bewil⸗ 
ügung der nöͤthigen Mittel an den Reichstag gelangen wird; man 
qgiaubt aber annehmen zu dürfen, daß Dieß nicht vor der nächst⸗ 
Jjährigen Session des Reichstags der Fall sein werde. 
München. Nach hierher gelangter Mittheilung hat zufolge 
Bestirmung des Generalkommando's des XV. Armeckorps die baye⸗ 
rische Besazungs-Brigade in Meiz (4. und 8. Reg.) bei genannter 
Fefiung ihre Brigade⸗Uebungen, in dem Gelände an der Saar, 
dann zwischen dieser und.den Vogcsen ihre Detachements-Uebungen 
oorzunehmen. Für die Div sions Uebungen vom 11. bis 18. Sep⸗ 
sember werden die Brigade, das 2. Jägerbataillon und die beiden 
Batterien des 2. Feld⸗Art.-Reg. der 30. preußischen Division atta⸗ 
hirt, welcher das Unter-Elsaß, die Gegend nördlich der Zorn als 
debungs Terrain angewiesen ist; das 5. Chev. Reg. wird der 31. 
Division (Straßburg) zugeth ilt: das fünftägige Kaisermandver wird 
vom 19. bis 23. September nordwestlich von Straßburg an der 
Zorn in der Gegend von Hahfelden und Mommenheim abgehaälten. 
Berlhin, 21. Mai. Der Reichstag nahen beute die Präsi⸗ 
dentenwahl vor. Es wurden 324 Stimmzettel abgegeben (897 
Mitglieder zählt der Reichstag); davon waren 119 (unationalliberale 
und fortschritiliche) uabeschrieben; 195 Stimmen (Centrum und 
Tonservatibe) fielen auf den Abg. d. Seidewitz (conservativ). Der⸗ 
jelbe nahm die Wahl an. 
(Reichstag.) In der Sitzung vom Dienstag begann die 
Beralbung der Getreidezölle mit einer einleitenden Rede des Bundes⸗ 
tommissars Geh. Rath Tiedemann, der demnächst eine äußerst klare 
Austinandersetzung des Abgeordneten v. Saucken⸗Tarputschen vom 
Standpunkte des Landwirths aus foigte. Dieser Redner wies 
Uberzeugend die üteraus schädlichen Folgen nach, welche die Ein⸗ 
jührung der Kornzölle für die Landwirihschaft herbeiführen müsse, 
und die Eatgegnung des Abg. Günther (Sachsen) vermochte den 
Eindruck der ruhigen und fachgemäßen Auseinandersetzungen seines 
Vorrednets nicht zu schmülern. Die Rede des Abgeordneten v. 
Treitischke zeichnete sich durch das an ihm bekannte Pathos aus, 
nach seinen Aukführungen wurde die Sitzung mit Rücsicht auf die 
Praͤsidentenwahl vertagt. Fürst Bismarck erschien auf kurze Zeit 
im Saale und begrüßte den Vizepräsidenten Dr. Lucius Kberaus 
freundlich. 
Aus Berhin meldet man der „Frif. Zig.“: „Die Tarif⸗ 
Commission des Reichssags hat nach Auhörung der Regierungs⸗ 
rommissare das Sperrgesetz vorerst von der Tagesordnung abge⸗ 
zi, was einer Adlehnung desselben gleichkommen dürfte.“ () 
Der Reichstag wird sich zu Pfingsten für eine Woche 
hen die Tarifscommisjsion dagegen nur 4 Tage Ferien 
alten. 
Ueber den Rücktritt Forckenbeckks vom Präsidium des deut« 
schen Reichstags läßt sich der „Pf. K.“ solgendermaßen aus: 
Derselbe ist auch Lin Zeichen der Zeu; die immer weiter um sich 
greifende Reaction hat Forckenbeck aus seinem Ehrenamte verdrängt. 
Er räumte den Platz, da er sich bewußt war, nicht mehr den Ver⸗ 
rauensmann der gegenwärtigen, aus einer Interessen⸗Coalition ge⸗ 
dildeten Majorität des Reichstages zu sein, einer Coal tion, welche, 
venn nur ihre einseitigen Interessen gehegt und gepflegt wirden, 
z5 mit der Wahrung der die politische Freiheit verbürgenden Rechte 
und der Selbstständigkeit der Vollsvertretung nicht eben genau zu 
gehmen gewilli scheint. Fürst Biamarck gebrauchl diese Coalition, 
wie er seiner Zeit die Liberalen gebraucht hat. Das Reich zu 
tlnden, die dem Reichsgedanken widerstrebenden particularistischen 
Strebungen niederzuhalten, dazu waren ihm die Liberalen recht; 
um ihre Hilfe dazu zu erhalten, machte er ihnen manche Zuge⸗ 
tändnisse, welche ihm im Grund genommen wider den Strich 
zingen. Nun ist das Werk so weit vollendet, daß er ihre Beihilfe 
»ntbehren zu lönnen glaubt, und so werden sie von ihm zum al⸗ 
en Eisen geworfen. 
Jetzt sind die Conservativen an der Re'he, die ihm helfen 
'ollen, ein der Form nach parlamentarisches, der Sache nach abso⸗ 
utistisches Regiment einzurichten. Das absolutistische Regiment ist 
a das, was seinem Narurell am besten zusagt. Die Reihen der 
Fonservativen aber, d ren Zahl fur sich allein nicht ausreichen 
vürde, werden verstärkt durch die immer mehr anwachsende Zahl 
»erjenigen, d'e in Form von Schutzzöllen und dergl. eine Begün⸗ 
tigung ihrer speciellen Interessen von Seite der Reichsregierung 
»rwarlen und um dieser Begünstigung willen im Uebrigen als be⸗ 
eitwillige Jasager im Kielwasser der Conservativen einherfahren, 
venn sie auch noch nicht formell dieser Partei sich anschließen. So 
ommt die Raction — gestehen wir's nur offen — nicht blos 
on Oben, sie kommt auch von Unten, sie kommt namentlich auch 
on der gtoßen Masse Solcher, die seither unter liberaler Flagge 
egelten und nun um des Linsengerichts ihres Privatvortheils willen 
ie durch Jahrzehnte langen, schweren Kampf errungene politische 
Freiheit leichten Herzens preiszugeben geneigt sind. 
Ses darum! Wir werden uns dies? von Oben und von 
UInten gewollte Reaction schon eine Zeit lang gefallen lassen müssen; 
s hilft nichts, wie sehr man sich auch dagegen stemme; sie fluthet 
seran, wie ein Hochwasser, das Alles, was im Wege steht, mit 
orisch vemmt. Ader es wird schon die Zeit kommen, wo den 
seute Verblendeten die Augen aufgehen, wo sie die Bescheerung in 
brer wahren Gestalt erkennen, wo sie einsehen werden, daß alle 
»ree jezt ausbedungenen oder erwarteten kleinlichen Privatvortheeile 
pie der Schnee vor der Sonne schmelzen vor dem absolutistischen 
Regiment, dessen eigenwillige Neigungen und Launen nicht gezügelt 
ind durch politische Institutionen, welche Volksfreiheit und Volks⸗ 
echt wahren. 
Berlin. Das über den Untergang des Kriegsscheffes, Großer 
durfürst“ erganzene kriegsgerichtliche Etlenntniß ist gutem Bernehmen 
iach von Sr. Maj. dem Kaiser aufgehoben und ein neues Kriegs⸗ 
jericht bestellt worden, zu dessen Präses, wie verlautet, der General⸗ 
Injpecteur der Artillerie General von Podbielsky ernannt ist. 
Der „Nordd. Allg. Zig.“ zufolge bestimmte Se. Maj. der 
daiser, daß sämmtliche Oberpräsidenten und Generale an der 
Feierlichkeit der Goldenen Hochzeit thelnehmen. 
Aussand. 
In der Schweiz ist laut Volksbeschluß die Todesstrafe 
vieder eingeführt. Am Sonntag fand darüber eine allgemeine 
VBoltsabstimmung statt. Nach den bisherigen Nachrichten über diese 
Volksabstimmung stimmten 186,041 Schweijer Bürger für 175,164 
zegen die Wiedergestatiung der Todesstrafe. Rächständig sind aller⸗ 
dings noch d'e Abstimmungsergebnisse aus dem ganzen Kanton 
Wallis und aus einem Ircßen Theil Tessins und Graubündens. 
Das Votum von Tessin ist zweifelhaft, während die rücständigen 
Stimmen von Wallis und Graubünden voraussichtlich die jetzige 
Mehrheit noch vergrößern dürften. Gegen die Wiedergestattung der 
Todesstrase stimmien Zürich, Bern, Baselstadt, Baselland, Thucgau, 
Neuenburg und Genf. 
Der Friede zwischen Afghanistan und England ist 
Jeschlossen. Die Haupfpunkie des mit Jalub Khan adgeschlossenen 
Bertrags sind die Annexion der Paässe und eines für Herstellung 
tiner angemessnen Grenze hinreichenden Geb'etez, die Anstellung 
eines englischen Residenten in Kadul, die Kontrole der auswärtigen 
Beziehungen Afghanistans und die Anabhängigleit der Afridisstämme, 
jedoch ohne Präjudiz für die Herischaft über die Pässe. 
Bermischtes. 
„. St. In gabert. Bei sehr zahlreicher Betheiligung sei⸗ 
ftenz der Mitglieder hielt der Baäirkslehrerverein Blieskastel⸗ 
St. Ingbert wie in den Vorjahren, so auch heuer seine Frühjahrs⸗ 
versammlung zu Blieskastel ab. Auch aus dem Nachbarvereine