Sl. Ingberler Anzeiger.
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SEonntag den 25. Mai
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Deutsches Reich.
(Reichstag.) Nachdem derselbe in seiner Mittwochs⸗Sitz⸗
ung die Wahl des ersten Präsidenten vollzogen hatte, setzte er die
Berathuug des Zolltarifs Pos. 9 (Getreiderölle) fsort. Es war ganz
natürlich, daß das Resultat der Wahl lebhaft besprochen wurde und
daß somit der konjervative Redner Abgeordneier Dr. Frege sich
einer großen Aufmerksamkeit erfreute. Diese kehrte erst wieder, als
dex Abgeordnete Dr. Delbrück das Worl ergriff, um die vorgestrigen
einleitenden Bemerkungen des Bundeskommissars Tiedemann gründ⸗
ich zu widerlegen. Dr. Delbrüch wies mit der ihm beiwohnenden
Xuhe und Klarheit nach, daß einmal der Rückgung der Landwirth⸗
chaft nicht so außerordentlich sei, als er von den Vertheidigern der
Zolle geschildert werde, daß aber auch andererseits die Landwirthschaft
don ihrem Standpunkte aus nicht den allermindesten Grund habe,
ich für die Getreidezölle zu interessiren. Während dieser Rede er⸗
chien Fürst Bsmarck mm Saole, begrüßte zunächst den neuen Pra⸗
sidenten überaus freundlich, fo'gte alsdann aber den Ausführungen
des Dr. Delbrück sehr aufmerksant, sich ab und zu Notizen mit
jeinem historischen Bleistift machend. Nachdem der Redner geendet,
erhob sich Fürst Bismarck, nachdem er vorher, was auf eine lange
Rede deutete, einem Diener des Hauses den Auftrag gegeben, ihm
in Glas Wasser mit Cognae vermischt zu bringen. Und in der
That, der Kanzler hielt eine Rede, die über anderthalb Suunden
dauerte und in welcher er zur Unterstütung der Kornzoͤlle alle mög⸗
lichen direlt und nicht direlt dazu gehörigen Argumente vorbrachte.
Die Füllung dis Glases mußte mehrere Male erneuert werden und
»as Haus folgte mit gespanatester Aufmerksamleit dieser Rede, die
yom Kanzler sorgfältig vorbereitet war, da er in derselben eine
zroße Menge Zahlen und statist sche Notizen vorbrachte. Wie sehr
die Behauptungen, welche Fürst Bismarck in seiner Rede aufstellte,
Sensation machen mußten, dürfte wohl der Umstand beweisen, daß
derselbe unter Anderem bestritt, daß die Kornpreise mit den Brod⸗
preisen in irgend einem nachweisbaren Zusammenhange ständen.
Der Redner konnte es dabei nicht unterlasfen, wieberum die Lage
der Landwirthschaft als eine äußerst traurige zu schildern und da⸗
dei zugleich abermals der Grundsteuer zu Leibe zu gehen, die er
als das Hinderniß der Produktion von billigem Gelreide bezeichnete.
Bleich nachdem er geendet und während Abgeordneter Reichensperger
Olpe) unter völliger Unaufmerksamkeit des durch die Rebe des
dauzlers erregten Hauses sprach, verließ dieset das Haus. Fürst
Bismard betheiligt sich also eigentlich an den Berathungen, er
ommt nur, spricht und — geht. Das Haus verlagte darauf die
Fortsetzung der Beralhung auf Freiltag.
Die Kommission zur Berathung des Wuchergesetzes hat auf
Antrag des freikonservaübven Abg. Dr. v. Schwarze die Merlmale
des slrafbaren Wunaue ü ιια,- —Wer unter Ausbeutung
i.Rur'in Jerusalem wurde im Jahte 188 nhen eines Anderen
)rich Wilhelm IV. und der Königin Victoria gepr Aner Geldforder
aung des Bischofs wechselt zwischen den — bersprechen oder
ewuͤhren laßt, wlz von der Kongin Betoric Hich“ uberschreuen
und nach den Umstaͤnden des Fuuce“f ernaunte 39 Mißverhalt⸗
nisse zu der Leistung stehen, wird wegen Wug eue raft.“
Die Einbringung eines neuen Reichbeisenbahngesetzes
aach Ablehnung des alten st jeßl erfolgt. Der dem Bundesrathe
vorgelegte betreffende preuß sche Antrag geht zunächst auf Einsetzung
einet Kommission zur Auearbeituug eines Reichsgesetzes Über das
Eisenbahnwesen. Es handell sich um drei Gesetz ntwürfe, einen
olchen über die Eisenbahnen im Allgemeinen, dann einen Entwurf
über die Ertichtung eines Reichseisenbahnrathes, über die Errichtung
eines Verwaltungeschiedsgerichtshoses für streitige Eisenbahnfachen.
Ausland.
Paris. Faur die an der ostafrikanischen Küste gelegene
iranzösische Insel Reunion, welche durch einen Orcan verwüflet
vorden ist, bewilligte die Abgeordnelenkammer 500,000 Frea. —
Der Unterrichtsminister J. Ferry hat einen Gesetzentwurf Uber den
Nachweis der Befähigung zum Unterricht in den Volksschulen ein⸗
gebracht; vie Obedienzbriefe, durch welche die geistlichen Oberen
aisher den Mitgliedern geistlicher Orden das Recht zum Unterricht⸗
zeben ertheilten, verlieren dadurch ihre Werlsamkeit.
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London. England hat den mit einander Krieg führenden
Republiken Chile und Peru seine Vermilkelung angeboten.
Petersburg. Das „Journal de St. Petersburg“ er⸗
lärt die Behaupiung deutscher Blätter, Rußland habe Angesichts
des neuen deutschen Zolltariss mitRepressalien dei der Einfuhr von
Schienen, Eisen und Locomstiven gedroht, für falsch. Diese Frage
ei, sagt es, gar nicht erwogen worden ; Rußland habe niemals
eine Tarife durch Verträge gebunden und erkenne pei anderen
Slaaten dieselbe Freiheit an.
Athien. Ein griechisches Lager von 10,000 Manm ist bei
dapeno an der Grenze von Eperus gebildet worden, ein anderes
zager im Osten des Landes. Zwei Ciassen der Reserve werden
inberufen, wenn es noͤthig wird. (Wird aber wohl nicht nöthig
verden; denn es hat allen Anschein, daß die langwierige Zänlerei
wischen Griechenland und der Türkei uüber die Bestimmung der
brenze durch Vermittelung der Großmächte endlich zum Schluß
ommt.)
Bermischtes.
St. Ingbert. Nach der „Saarbr. Ziq.“ wurde am
Freitag in St. Johann in Folge polizeilichet Requisition ein junges
frauenzimmer von dier verhaftet. Dasselbe hatte zu Herresohr
inem Kinde die Ohrringe ausgehackt und war dann mit seiner
Beute nach St. Johann flüchtig geworden.
Zum FJeste der goid nen Hochzeit des deutschen Kaiserpaares
im 11. Juni d. Is. wird von den Gesangvereinen Berlins
ine große musikalische Feier vexanstaltet, bei der durch deutschen
Zßesang, durch deutsche Musik der herzlichen Freude über diesen
Tag Ausdruck gegeben werden soll. Das Festcomitoͤ erläͤßt an die
eutschen Sangesbrüder und an alle Vereine, in denen das vater—
andische Lied gepflegt wird, eiren Aufruf, in welchem dem Wunsche
lusdruck gegeben ist, daß sich im gamzen deutschen Reiche, in Stadt
ind Dorf, die Sänger an diesem Tage zu einer natisnalen
Zanges⸗Feier entschließen mögen und zwei Nummern des
Jrogramms durch ganz Deusschland gemeinsam sein zu lassen, und
war: „LKrum Lobe Gottes“ und Ein Gebet für den
daiser.“ (Ein Gebet für den Kaiser“ von Wilh. Pfeiffer
ür Männerchor, Schulchor und gemischten Chor. Verlag von Carl
Zimon, Berlin W.)
* Die bayerische Landwirthschaft verlor in
»em im Alter von 64 Jahten zu München verstorbenen Adam
RNüller, dem langiähricgen Gineralsekrekär des landwirthschafilichen
Zereins in Bayern, einen ihrer besten und ausgezeichnetsien Ver⸗
relet. Der Verlebte war von 1849 bis 1868 auch Maitglied
inserer Abgeordneteykammer. Auch auf dem literarischen Felde
ulwickelie er eine bemerker zwerthe Thaͤtigkeit, so daß schon August
Becker in seinem 1858 erschienenen Buche: „Die Pfalz und die
Pfälzet“ van Gerhardsbrunn auf der Sickthger Höhe, dem Ge⸗
hurtsorte Mullers, besonders hervorhob, „daß Herr Adam Müller,
»er berühmte literarisch thätige Landwirth, dort wohnt.“ Die
deiche des Verstorbenen wuürde bon München nach Gerhardsbrunn
ur Beerdigung üÜbergeführt.
—In Rinnthal fiel am Dienstag Abend das * jährige
Zöhnchen des Müllers Schaaf in die Queich und ertrank. — An
demselben Tage, Nachmittags, verunglückte ein in den 20er Jahren
tehender und bis jetzt unbekannter junge Mann bei Speyer auf
)em Rheine, indem sein Nachen umsqhlug und ihn in den Fluthen
begrub. — Am Miitwoch erhängte sich in der Nähe von Pir⸗
masens der 84jährige Gemüfehändier Schmenger von da, aus
Mißmuth über einen verlornen Proceß, wie der „P. Anz.“ berich⸗
et. — Tags vorher war im Walde bei Neustadit der schon
seit etwa 14 Tagen vermißte Schuhmacher Reich aus Wirzingen
erhängt gefunden worden.
tDie altlatholishhe Gemeinde Zweibrücken wählte wieder
heirn Ir. Kayser aus Mittelberbach als Delegirien zur dies⸗
‚ähtigen Synode nach Bonn.
In drei Siallungen der Stadt Pirmasens ist der
Utilzbrand ausgebrochen.
In Dürkheim hat sich ein Obstbauverein gebildet,
dem sefort 41 Personen beitraten.
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