Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
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Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich; m⸗ dem Hauptolatte verbundene Unierhaltunczblatt. (Sonntags mit illustrirter Vei⸗ 
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Samstaqg den 31. Mai 
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Deutsches Reich. 
Berlkin, 27. Mai. Die Tarifkommission des Re'chstages 
hat für Sohlleder 18 Mt. angenommen statt, wie die Regierungs 
borlage will, 24 Mt. Dagegen ist für alle amerikan schen und 
australijchen, nicht mit Eichenrinde gegerbten Sohlleder, ferner für 
schwarzes Lohgares Leder 40 Mk. angenommen worden. Alle an⸗ 
deren Positionen Leder und Lederwaaren wurden nach der Vorlage 
angerommen. (Fr. 3.) 
Berlin, 28. Mai. Der Reichstag nahm in dritter Lesung 
das Sperrgesetz unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung an. 
In Reichstagskreisen tritt das best mmie Gerücht auf, Bmarck be⸗ 
absichtige, eine Vorlage einzubringen, welche die Einführung der 
weijahrigen Vudgetperiode bezweckt. 
Dann wurde die Berathung über den Holzzoll fortgesetzl. 
Während derselben erschien auch Fürst Vismarck im Saal. Bei 
der Abstimmung wurde lit. a, welche die zollfreien Holzlorten 
Brennholz, Reisig, Holzkohlen ꝛc. aufzählt, mit einem Amendement 
osn Lerchenfeld genehmigt; dann lit. & 1(Bau⸗ und Nutzholz, roh 
ader mit der Axt vorgearbeitet) mit 172 gegen 88 Stimmen an⸗ 
genommen, also 10 Pf. von 100 Kilo oder 60 Pf. vom Fest⸗ 
meter; ferner lit. e 2 (Bau⸗ und Nutzholz gesägt x., Zoll 25 Pf. 
vpon 100 stilo oder 50 Pf. vom Festmeter) mit einem Amendement 
von Fürth angenommen. 
Berlin, 28. Mai. Die Brausteuer-Commission lehnte die 
Vorlage der Regierung, als Steuer auf den Hekioliter Malz 4 
Mark festzusetzen, ab und nahm 2 Mark nach jetzigem Satz an. 
Die Tatif-Comm'ission nahm den Zoll auf Wachstuch nach der 
VBorlage an und fetzte Kautschuckdruckiücher und Kratzenleder von 6 
auf 8 Mark herab. Die sonstigen Sätzen auf Kautschuk wurden 
unbde räudert angenommen. 
Die ‚Previnzial-Kotrespondenz“ tritt in einem laͤngeren Ar⸗ 
likel den Behauptungen der liberalen Presse entgegen, daß der Wech⸗ 
'el im Präsidium des Reichsstages einen Wendepunkt der gesammten 
Politik des deutschen Reiches beginnen, und die freiheins⸗ 
ieindliche Halung der Regierunz sogar eine schwere Gefährdunz 
der Stellung Deuischlands noch Außen erlennen lasse. Die Kor— 
responden; weist nach, daß der Wechsel im Präsidium sowohl wie 
die Art der Wiederbesetzuag desselben ledighch durch freies Verhalten 
and politisch berechnetes Vorgehen gerade der liberalen Parteien 
derbeigeführt wurde. 
Der Kreuzzeitung“ zufolge tritt das Kriegsgericht betreffs 
nes „Großen Kurfürsten?“', welchem außer den bereils 
delannten Mitgliedern die Generäle v. Grolmann und Leszynaki 
jowie die Corvetten: Capitäne Ditmar und Treuenfeld nebst mehre⸗ 
ten Marine:;Offizieren unterer Charge angehören. am 4. Juni zu⸗ 
ammen. 
Des kaiserliche General-Postamt hat mit Be⸗ 
zinß dieses Monals einen Vertrag mit der Hamburgisch -Amerika⸗ 
auschen Packe!fahrt-Aktien-Gesellschaft geschloffen, um eine direkte 
dostalische Verbindung zwischen Deutschland und Mexiko via St. 
Thomas herzustellen. Der hetreffende Dampfer, welcher die erste 
Reise im Postdienste nach Mexito antreten wird, ist die „Lotha⸗ 
ingia“?, welche am 4. d. aus Hamdura ausgelaufen und in der 
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St. Thomas gemacht hat. Von dort wird der genannte Dampfer 
a 28. d. die erste direkte deutsche Vostsenduog nach Wiexito über⸗ 
ühren. 
Ausland. 
Petersburg, 28. Mai. Vor dem Kriegsgerichte zu 
diew fand am 17. Mai der Prozeß gegen die dem adeligen 
Stande angehörigen Waltian Ojffinsky, Fräulein Sophie Herzseld 
und dem ehemaligen Studenten Woloschinko wegen Betheligung 
an einer gegen die Staatsordnung gerichteten Gesellschaft, Verbrei⸗ 
jung von Schriften verbrecherischen Inhalts und Mordversuchs gegen 
Polizeibeamte statt. Ojffinsly und Herzfeld wurden zum Tode 
durch Erschießen, Woloschenlo zu zehnjähriger Zwangtarbeit ver⸗ 
urtheilt. 
Der Unterrichtsminister erließ ein Rundschreiben an die Vor⸗ 
steher verschiedener Lehrerlreise. wodurch diese angewiesen wurden, 
zesonders vorsichtig in der Auswahl der Lehrer und Erjzieher zu 
ein, um dem ruchlosen Einwirken der Propagandisten auf die 
Schuljugend entgegenzutreten; namentlich handle es sich darum, 
)en Schülern der höheren Gymnasial- und Realklassen die Sinn—⸗ 
ofiakeit der sozialistischen Lehren klar zu machen. 
Bermisqtes. 
St. Ingbert, 29. Mai. Von herrlichem Wetter be⸗ 
zünstigt, feierte die lönial. Präbarandenschule Blieskasftel am 
28. d. M. daselbst ihr Maifest. 
Der Besuch seitens der Angehörigen der Zözlinge, sowie der 
dehrer, der Schul- und Musikfreunde war ein außerordentlich 
tarker. Der Gariensaal des Herrn C. König konnte dee Festbe⸗ 
ucher bei weitem nicht alle fassen. 
Zugegen war auch der an der Schule stets innigen Antheil 
nehmende Herr Regierungsrath und königl. Bezirlkgamtnann Damm 
aus Zweibruͤcken. 
Das Concert war ein sehr gelungenes. Saämmtliche Piecen 
vurden mit einer solchen Sicherhei? und Bravour gegeben, doß man 
ãch fragen mußte, od die Concertirenden wirtlich nur Zoͤglinge 
iner Präparandenschule und nicht Schüler einer Fachschule seien. 
Die beiden, ich möchte fast sagen für die Schüler zu schwierigen 
Doppelchͤre — Wagenrennen und Ringkampf aus: „Der Raut 
der Sabinerinnen“ v. G. Vierling — wurden meisterhaft durch⸗ 
jeführt. Sie gaben Zeugniß von einer ausgezeichneten Schule. 
Die beiden Vollsliedchen: „Zu Straßburg ꝛ⁊c.“ und „Dort un⸗ 
en in der Mühle u. s. w.“ dürften durch den inunigen Vottrag die 
VBerle des gesanglichen Theiles gewesen sein. 
Mit einem von Herrn Niedhammer arrangirten Waldchore 
jand das Concert seinen Abschluß. 
Möge die Anstalt auch fürderhin blühe⸗n und gedeihen! 
fFalsche Fünfzig-⸗Markfcheine sind zur Zeit 
vieder v'elfach in Umlauf. Ein Kolner Geschäftshaus datie dieser 
Tage einen solchen eingenommen und bei der Reichsbank einge⸗ 
ahlt, wo er aber als falsch angehalten wurde. Das Faisificat ist 
io täuschend und gut nachgemacht, daß nur ein geübtes Auge es 
wuu erkennen vernag. In Bonn und Umgegend sind ebenfalls 
alsche Fünfzigmarlscheine in Cuculation, ouch hat man daselbst 
nerschiedene der Falschmünzerei verdächtige Personen verhaftet. Vor⸗ 
icht ihut also noth! 
fAus der Pfalz. Ein 10jähriger Junge kam voller 
Freude zu s inem Vater, einem Bauern der Pfalz, aus der Schule 
jelaufen, um demselben seine geistigen Errungenschaften zu schildern. 
— Vatter, Du glaabscht nit, wie g'scheid mer in der Schul' 
perren! Dent' nor, ich weeß, wo der Bliß heikummt, ich kann 
VYr sage, warum die Fenschter vun inne und nit vun auße g'iriere, 
ich weeß sogar de Thermemelter zu erkläre, warum er steigt un 
allt, ich kan ball Professer werre!“ — Det Vater, ein Bauer 
som alien Schlag, hört den Knaben rühig an, holt eine Schiefer⸗ 
afel, legt sie ihm vor und spricht: „Heut' haw ich mein Duwak 
)erkaaft, rech'n mir emol aue, wann der Zentner Duwak 28 Me. 
47 Pf. kostet, was kosten dann 1723 Zentner?“ — Nach langem 
stechnen brachte der Junge eine Summe von etwas über 2000 Mek. 
jeraus: der Alte aber rief, die Tafel auf dem Rücken des Jungen 
erschlagend: 's Dunnerwetter un die Krenl sollen Dich verschlage, 
ummscht mer noch emol mit Blitze un Thermemetter, lern Duwak 
uusrechne.“ 
Auch die stirche in Otterherg, einets der schönfsten und 
Gegen deutsche KEisenbahnen erxllnsive Baierns sind bei 
em Reichseisenbahnamt vom 1. Januar bis 31. März ds. Jse. 
z9 Beschwerden aus dem Publikum eingelaufen, von welchen fich 
9 auf den Personen-⸗, 835 anf den Güterverlebt, 15 auf andere 
Begenstände beziehen. Das Reichstisenbahnamt hat als begründet 
ünf erachtet, ais unbegründet zurückgewiesen 15, wegen mangelnder 
zuständigkeit der Reichzgewalt nicht zur Kognit'on gezogen 10, an 
en Reichstag verwiesen 13, die übrig gebliebenen 20 Beschwerden 
durden in den neisten Fällen sofort an die zuständige Eisenbahn⸗ 
jerwaltung abgegeben. Die Zabl der bettoffenen Verwaltungen 
eträgt 28