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M 86.
Sonntag den 1. Juni 1379.
Deutsches Reich.
Müunchen, 29. Mai. Die erste Sitzung des Gesetz
zebungkausschusses der Abgeordnetenkammer wurde vom Vorstand
urz auf kommenden Mittwoch anberaumt. — Zur Theilnahme
in dem nächste Woche hier statsfindenden Delegirtentag deutscher
Bewerhe·, beiw. Handels- und Gewerbekammern haben sich don
auswärts angemeldet die Gewerbekammern von Dresden mit 8,
hamburg mit 4, Leipzig mit 2 und Ldübeck mit 2 Abgg.; de
Hdandels · und Gewerbelammern von Mittelfranken, Unterfranken,
Ulim und Zittau mit je 2 und Carw mit 1 Aba.; dann die Ge—
werbebereine don Stutigart und Rosenheim und der pfalzische Ge⸗
verbevereins · Verband mit 1 bis 2 Abgg.
Wie verlautet, wird Se. Moaj. der König Ludwig anlaßlich
der goldenen Hochzeit des Kaisers im Juni die wegen Beleidigung
desselden Verurtheilten begnadigen.
Bexrlhim, 28. Mai. In parlamentarischen Kreisen waren
heute Gerüchte von dem demnächsftigen Ruͤcktritle der Minister Hobrecht
und Fall verbreitet. Letzterer soll rach der goldenen Hochzeit des
daiserpaares demissioniren. — Die „National-Zeitung“ schreibt:
Die immer fühner werdende Art, wie die Goldwährung angegriffen wird,
erwedt nach und nach selbst Bedenken der solchen, die bisher nur
eine dreiste Börsenspekulation vor sich zu haben glaubten. Die Be—
unruhigung hat bereits so weit Fortschritte gemacht, daß eine Inter⸗
zellation im Reichs!age wahrscheinlich von verschiedenen Seiten heute
zestellt worden wäͤre, stünden wir nicht unmittelbar vor den Ferien.
. ,‚Berhin, 29. Mai. Die Ernennung des Corveiten
Fapitains Zembsch zum Generalconsul auf den Samoa⸗Inseln ist
etzt erfolgt; derselbe wird in vier bis sechs Wochen nach seinem
Bestimmungsorte abreisen und bis zu diefer Zeit im Auswartigen
Amte behufs Insormation für seinen neuen Posten arbeiten. Ca—
Atain Zemdsch wird vorläufig nur beutlaubt; er verbleibt als
Torvetten⸗-Copitain im Admiralstabe.
Uus der intimen Umgebung des Kaisers verlautet, daß den
Monarchen der Rückritt der Herren Forckenbeck und Stauffenberg
von ihren Prasidial Aemtern sehr peinlich berührt hat. Der Kaiser
ah damit die lange Reihe von Absagen fich vergrüßern, wel he in
den letzten Jahren die Politik des Kanzlers hervorgerufen hat.
Fordenbed's GEutschluß namentlich hat bei ihm schmerzliche
xkmpfindungen wachgerufen, denen er im Gespräch mehrfach Aus⸗
yxud verliehen haben soll.
Zur Frage der Differentialtarise, die neuerdings wieder bei
)er Holzzoll⸗Debatte im Reichstage zur Sprache kam, schreibt der
Pfaiz. Kut.“: „Mit dem Schlagwort „Differentialtarife“ wird
in heilloser Unfug getrieben. Es mag mit D fferentioltarifen
Manches gesündigt worden sein da, wo eine deutsche Bahn der
anderen Conkurrenz machte, um den Gulerderleht über ihre Linien
uu leiten; aber so arg, als man es jeyt oft macht, ist es damu
nicht. Man kann keä behaupten, daß die Meisten von Denen,
velche blindlings über die Differentioltarise locziehen, har herziqh
venig davon verstehen. Ganz entbehren wird mon die Differentialtarife
noch nie lönnen, ganz einsach aus dem Grund, weu sich in dem diel⸗
zestaltigen Leben nun einmai nicht Alles über Einen Kamm schee⸗
N, laßt. Die Schweiz z. B. bezieht viel Gelreide aus üngars,
Zalizien, Rumanien. Miltels des für dessen Transport gewährten
differentialtarifs bewirken die bayerischen Staatabahnen, daß es
sber ihre Linien geht, und sie ziehen daraus eine schöne Einnahme.
heben wir diesen Differentialiarif auf, so ristiren wir, daß diese
Vetteidemassen einen anderen Weg einschlagen, die dayherischen
Ztaatsbadnen also so viel weniger einnebmen und schließlich die
Zteuerzahler den Ausfall aus ihrer Tasche deden massen Ist
das ein Profit ? Der Vorwurs, welchen der Reichetanier den
adetischen Staatsbahnen in seinem Bricf an Frrn Thungen
aacht, erscheint übrigens in einer gar eigenthümlichen Bel⸗uchtung,
enn man bedenkt, doß erst vor wenigen Monaten das preußeische
dandeleministerium D fferentialtarife für die Routen noch Danzig
dd.dnigeberg eing suhrt datnee Nus diese Linien hateb
— in seiner —XVX Minister⸗
dent gewißß Einfluß unn ba sind Differentialtarife ein⸗
zeführt worden, weil man glaubte, das Interesse des eige⸗
anen Landes dadurch zu wahren. Sind etwa die Differential⸗
sar fe dort nur deßhalb unschädlich, weil sie durch ein preußisches,
nicht durch ein bayerisches Ministerium angeordnet wurden ? Roch
in anderes, uns sehr nahe liegendes Beispiel. Um den elsäfsischen
dandel zu heben, waren — was sicher auch nicht ohne Zuthun des
teichsslanzlers geschah — sehr ausgiebige Differentialtarife für die
nus dem Norden nach Elsaß gehend⸗n Guͤter in Kraft gesetzt worden,
o ausgiebig, daß pfälzische Kaufleute noch ihren Voriheil dabei
'anden, ihre Bezüge aus dem Norden nach einer elsaͤssijchen Station
astradiren und von da bis zu ihrem Wohnort zurücklaufen zu lassen.
Dir wifsen im Augenblick nicht, ob Das jetzt noch so ist, aber vor
)urzem noch war es so. Was folgt aber daraus ? Wenn man
elbst in einem Glashaus, soll man nicht mit Steinen werfen.
Oder gilt zweierlei Maß, je nachdem eiwas von München oder
non Berlin aus anseordnet wird ?“
Vermischtes.
fAusder Pfalz, 26. Mai. Die durch verschiedene
Blätter verbreitete Nachricht, daß Minister v. Pfeuffer beabsichtige,
ie Gemeindeschreiberei von den Schuldiensten ju trennen und für
tsteres Ant eigene Pesönlichleiten aufzustellen, was schon mit dem
fintritt der neuen Gerichtsorganisation jur Ausführung kommen
oll, hat degreiflicherweise eine sehr verschiedene Aufnahme gefunden.
Dder Unbefangene muß dieselbe duͤt heißen, wenn er bedenkt, daß
as Schulamt bei den heute au dasselbe gestellten Forderungen den
janzen Mann in Anspruch nimmt und daß, wenn vereinigt, eine
ꝛer beiden Beschäftigungen noihleiden muß. Obne Zwiifel haben
msere Kreisschul'nsp⸗cioren in dieser Richtung schon viele nicht er⸗
teuliche Erfahrungen gemaht. Wenn aber das Schulamt den
anzen Mann in Anspruch nimmt, so muß es auch den ganzen
Nann nähren, und der Herr Minister müßle Sorge tragen, daß
nies in der Folge allenthalben geschehe: sons dürfte man jene be⸗
bsichtigte Aenderung nicht so uͤnbedingt loben. Andererseits aber
tnicht zu verkennen, daß auch die Absicht besteht, den Gemeinde⸗
chreibern eine selbstständigere Stellung zu berschaffen, wie dies eiwa
nn Baden der Fall ist. Denn auch dei ihnen gilt der Satz: Ver⸗
nehrte Pflichten setzen groͤßere Rechte voraus. (Pf. Kur.)
fPirmasens, 28. Mai. Vom 1. Juni ab werden lt.
Berfügung der Direltion der Pfälz. Bahnen zum Besuche der Bade⸗
instalt in Biebermühle auf den Stationen Pirmasens und Thal⸗
ischweiler Badereisebillele mil 80 0 Ermäßlgung ausgegeben, und
ind zu deren ausschließlicher Benutzung während der Sommersaison
is 15. Sept. c. oie nachbenannten Zuͤge bestimmt: von Pirmasens
jach Biebermühle und zurück: Hinfahrt Zug 278 Abg. h'er 4 Uhyr
2 M. Abds. Nüchfahrt Zug 262 Abg. in Biebermühle 9 Uhr
5 M. Abds. — von Thaleischweiler nach Biebermühle: Hinfahrt
zug 259 Abg. Thaleischweiler 6 Ußr 7M. Rückfahrt Zug 262
ibdg. Biebermühle 9 Uhr 42 M. Bei der Siation Pirmasens
derden auch noch besondere Badereisebillete III. Al., mit einem dreiten
lauen Streifen versehen, ausgegeben, die nur zur Fahrt an Sonn-
ind Feiertagen mit foigenden Zügen berechtigen: Hinfahrt Zug
265 Abg. hier 8 Uhyr Morgens. Ruckfabri Zug 268 Aba. Bieber-
mühle 10 Uhr Vorm.
fVon der Blies, 26. Mai. Gestern Morgen wurde in
der Naͤhe von Saargemünd ein Mann vom Zuge überfahren und
bis zur Unkenntlichket zermalmt. Os dier ein bioßes Unglüd vor⸗
iegt oder ob der Mann den Tod gesucht hat, laͤßt sich schwer ent⸗
cheiden. Derselbe im Dienste der Eisenbahn siehend, ging näm⸗
lich vor dem Zuge her die Bahnstrecke entlang, hörte aber unbe⸗
zreiflicher Weise die Signale nicht, die die Locomotive mehrteremal
jab oder — wollte sie nicht hören! Seine Frau, welche in der
Nähe stand, war Zeugin des ganzen Vorganges. Der Unglücdliche
var aus Bilschenrohrbach und genoß sonst den Nuf eines braben
annes. — Ein anderes, aber ähnliches Bild! Gleichfalls gestern
Norgen wurde in der Nähe von Bierbach die Leiche einer
mwa 30 85 Jahre alten Frau aus der Blies gezogen. Die
deiche ist schon stark in Verwesung Übergegangen. muß also schon