Slt. Ingberler AAnzeiger.
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A s8.
Donnerstag den 3. Juni
—
Deutsches Reich.
Mauchen, 30. Mai. Die im Finanzministerium aus.
gearbeiteten Stevergesetzentwürfe, die eine Reform der sämmtlichen
directen Steuern herbeizuführen bestimmt sind, gelangten dieser Tage
zur Vollendung und wurden an die Finanzkammern der Kreisre⸗
gierungen herabgegebven, welche Gutachten abgeben sollen. Die Ent⸗
Dürfe werden demnach ohne Zweisel bereits dem nächsten Budget⸗
landtage vorgelegt. Jedenfalls wäre es aber sehr wünschenswerth,
daß sie vorher zur allgemeinen Kenntniß gebracht würden, damit
die oͤffenlliche Meinung eine heilsame Kritnik in so einschneidenden
AInd wichtigen Fragen zu üben im Stande ist. EFtkf. Z.)
Der Autrag Bafern s, daß der Statthaller von Elsa ßz·
Lothringen nicht einer der regierenden deutschen Fürsten jein
derese, richtet sich offenbar gegen das eine Zeillang ventilirte Projekt,
den Großberzog von Baden zum Statthalter von Elsaß Lothringen
zu ernennen. In München fürchtet man wodyl, dieje Ecenennung
aurde nur die Einleitung zur Annerion des Elsoß an Baden und
Loihringens an Preußen sein.
Die „Germania“ schreibt: Trotß des Entgegenlommens der
Nonservativen in formellen Fragen, trotz der Freundlichkeit des
Reichbkanzlers gegen den neugewählten Vizepräsidenten des Reichs⸗
lages und gegen den Abg. Windthorst, trotßz aller Gerüchte über
den Rüdtrin Falk's bleihen drei bedenkliche Hindernisse für ein
dauerndes Zusammenwirken der genannten Factoren bestehen. Das
ttste und bedeutendste ist der Kuliurkampf, dessen Ende sich unge—
achtet aller Verheißungen noch nicht adsehen läßt. Das zweite
Hinderniß ist die Vorliebe der Konserbativen für den Polizeistaat
und Absolutismus in der staatlichen, für ungebührliche Stärkung
der preuß:schen Präponderanz in der Reichsentwickelung. Hier
zeigt die dielbesprochene Frage der konstitutisnellen und foͤderativen
Garantten den Zwiespan. Wir glauden, daß in diefer Beziehung
eine Eintracht mit der Rechten nur herzustellen ist durch den prak⸗
nischen Sinn und die Geschicklichkeit des Fürsten Biemarck. Das
drute, vielleicht bedeutendere Hinderniß bietet die Höhe der bean⸗
spruchten neuen Einnahmen, an deren Fersen die schwierige Frage
des Militäraufwandes sich heftet.“
Das „VBerliner Tageblatt“ schreibt: In welchem Umfange
die Gegenmaͤßregeln des Auslandes gegen die Bi sim a rick' sche
Wirtopschaftspolitik bereits jetzt wirlsam geworden sind,
ist in Bezug auf die rapide Verkehtssteigerung des Libauer Hasens
auf Kosten derjenigen von Königsberg, Danzig, Stettin schon im
Reichstage nachgewiesen worden und bezüglich dessen, was zur Schä⸗
digung unserer Nordseehäfen an unseren südlichen Grenzen vorgeht,
haden wir mehrfach auf die Tariferleichterungen der österreichischen
Süudbahn und der österreichischen Eisenbahnbau⸗Projelte zur directen
Verbindung mit der Schweiz au'merlsam gemacht. Daß man in
Oeslerreich Ungarn alle Hebel ansetzt, um beim Absatz der Produlte
auf dem Welimarkt die Vermittelung des deutschen Handels und
der deutschen Verkehrs · Anstalten zu umgehen, geht unter Anderm
aus den eifrigen Bestrebungen herdvor, welche die Hafenstadt Fiume
im Verein mit den ungarischen Export Industriellen sich angelegen
fein läßt, um das Wort Bismarcks zu Schanden zu machen, daß
Rußland und Oesterreich unter allen Umfländen auf den Export
nach und über Deutschland angewiesen seien, und uns als stunden
und Vermitiler gar nicht entbehren könnien. Ebenso wie bei der
neulichen Begehung des Semmering-Jubilaums die aus diesem An⸗
laß gehaltenen Fesireden in Bezug auf das Arlbahn-Project den
Herrn Reichkkanzler einigermaßen stutzig machen lonnten, so kann
ihm in noch erhöhtem Maße eine Festlichkeit zu denken geben,
welche dieser Tage in Fiume stattgesunden hat und welche von der
ungarischen Presse mit Fug und Recht als der Ausgangspunkt
einer neuen Aera des diretten Verlehrs zwischen Oesterreich Ungarn
und England unter Umgehung der deuischen Vermittelung gepriesen
wird. Die Zoll⸗ und Tarif⸗-Politik des Fürsten Bismarck hat
näͤmlich die irkung gehadt, daß seit Beginn dieses Jahres die
angarischen Exportartileĩ in solchen Mengen stalt über die Nord-
jeehäfen über Fiume nach Grtoßbritannien verschufft wurden, daß
rine englische Rhederfirma auf eigene Faust ohne Subvent'on einen
regelmäßigen monatlichen Kurs zwischen Fiume und Schottland
einrichtete. Die dieser Tage veranstaltete Festlichkeit in Fiume,
an welcher sich die ungarischen Behörden, ein großer Theil der
TZonsuln fremder Staaten und die Finmanischen Handelsnotabilitäten
zeiheiligten, galt dem plötzlichen Verkehrsaufschwunge der ungarischen
dafenstadt aus Anlaß des Einlaufens des ersten neugebauten Damp⸗
ers der neuen anglo ungarischen Dampfschiff Verbindung der zu
Ehren der neue Daämpfer „Hungarian“ getauft hatf. Unter den
ahlreichen Festreden, welche Anspielungen auf die deutsche Wirth⸗
chaftspolitik enthielten, ist besonders die des Podesta von Fiume
Jervorzuheben, welchet die Mahnung aussprach, „die günstige Ge—
egenheit, welche die nordische Retorsionspolitik darbietet, dazu zu
benutzen, um den Handel der Adria wieder zu beleben.“ Zu be—
merken ist noch, daß unsere deutschen Verkehrs-Anstollen nicht nur
zezüglich des Transits aus Ungarn, sondern auch im Durchgangẽ⸗
»erlehr nach Ungarn durch die direkte anglo⸗ungarische Verbindung
zeschädigt werden, insofern sich an der Hand der neuen Dampfer⸗
aͤnie ein Importverkehr von englischem Roheisen, Leder, Baumwolle,
Nähmaschinen, Chemikalien und Kolonialwaaren entwickelt hat, der
zum Theil bisher via Deutschland befördert wurde.
Eine vorläufige Berechnung hat ergeben, daß am 1. Oltober
etwa 500 Richter und Siaatsanwälte in Preußen zur Verfügung
des Justizministers verbleiben.
Die Protektorstellung, welche das deuische Reich, wie die mit
dem Fürsten der Tonga- und Samoa-Jnseln abgeschlossenen Ver—
räge beweisen, auf den Südsee-Inseln anstrebt, hat eine stärkere
Bertretung der deutschen Kriegeflagge in jenen Gewässern als noth—
wendig erscheinen lassen. Nachdem das Kanonenboot „Albatroß“
in Auckland Station genommen hat, war die deuische Kriegsmarine
in der Südsee nur durch die Korbette „Ariadne? vertreien, welche
ach den letzten Nachrichten in dem Hafen von Nuvualofa (Tonga⸗
Infelu) stanonirie. Neuerdings hat auch die Korvette „Bismarck“,
velche sich Anfangs März an der brasilianischen Küste befand, Be⸗
ehl erhalten, sich nach der Südsee zu begeben und den Hafen von
Apia, die künitige deutsche Marinestation auf den Samoa-Jaseln,
anzulaufen.
Der Kaiser von Rußland wird nach den bisherigen
Dispositionen om 14. Juni nach Ems abreisen, wohin ihm Kasser
Wilhelm am 15. nachzufolgen beabsichtigt. Zuvor wird voraus⸗
sichtlich an 15. Juni die Taufe der Tochter des Meiningen'schen
Erbprinzenpaares Stat! finden.
Bermischtes.
F Bei den Weltausstellungen in Australien betheiligen
sich aus der Pfalz 9 Aussteller und zwar: 1) Heinrich Weltz in
Speyer, 2) Joh. Cion in Neustadt a. H., 3) 8. Neuhäuser in
Ludwigshafen, 4) Emil Holtzmann in Speyer, 5) Wollfilzfabrik
dambrecht, 7) Gedtüder Webel in Großkarlbach, 7) G. M. Pfaff
in Kaiserslautern, 8) Eichhorn und Comp. in Speyer, 9) Karl
Labroche in Neustadt a. H.
FZweibrücken, 3. Juni. Die Leiche des seit Oster⸗
montag vermißten Chevauxlegers Bergmann ist gestern Nachmittag
im Bach bei Eindd aufgefunden worden.
4 Ein 73jähriger Bürger von Kaiserslautern hat
seinen Tod im Rhein bei Worms gesucht. Eine qualvolle Krank⸗
heit, welcher der alte Mann entgehen wollte, wird in einem zu⸗
rückgelassenen Briefe als Monib zu dem bedauernswerthen Schritt
bezeichnet.
p Neustadt, 3. Juni. Die Familie Georg Correll traf
heule Mittag nach 1 Uhr ein neues, entsetzliches Unglück. Der
Orkan, der schon den ganzen Tag wüthete, slürzte die westliche
Giebelmauer der abgebrannten Mühle größtentheils ein und begrud
unter ihten Trummern 8 Knaben Cortells von 82811 Jahren,
die dort arglos gespielt hatten. Der älteste wurde förmlich zer—⸗
quetscht aus dem Schutte ausgegraben, der zweite ist schwer ver—
etzt, iebt aber noch, der jüngste haue sich unter eine Hobelbank
„eclrochen und lam mit Hautabschürfungen davon. Wen die
Schuld trifft, wird die Untersuchung ergeben, da den gelegentlichen