St. Ingberlker Anzeiger.
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M 94
Sonntag den 15. Juni
18.
Deutsches Reich.
Berlhin, 12. Juni. Der Caar Alexander feiert heute
das fünfzigiährige Jubiläum seines Eintritts in die preußische Ar⸗
mee. Von hier sind viele Gratulationen nach Petersburg abge⸗
gangen, darunter solche von Moltke und Bismarck. — Im kaiser⸗
lichen Schloß sind die Gratulationsbriefe so zahlreich, daß sie in
Wagen nach der Privatkanzlei des Kaisers geschofft werden müssen,
woselbst sie gesichtet werden. Die Blumenspenden kommen gleich—
falls in Wagenladungen an. Der Kaiser hefahl, die Aussiellung
aller Geschenle, Telegramme und Schreiben und erklätte, er wolle
alles selbst sehen; ebenso solle später das Publikum alles sehen.
Der Kaiser ist heute recht munter. (Fr. J.)
Berlin, 12. Juni. Der Minister des Hauses, Herr v.
Schleinitz, ist in den Grafenstand, Oberstkämmerer Graf Redern
in den Fürstenstand erhoben. Unter den anläßlich der gestrigen
Feier Decorirten befinden sich der Präsident des Reichstags d. Seh⸗
dewitz, der den Kronen⸗Orden 2. Cl. mit dem Stern, Abg. v.
Bennigsen, der den Stern zum Kronen⸗Orden 2. Cl., der Herzog
bon Ratibor, der den Stern als Großcomthur des Hohenzollern⸗
Ordens, und der Oberbürgermeister von Frankiurt a. M., Mumm
b. Schwarzenstein, der den Kronen⸗sOrden 2 Cl. erhielt.
Die „Provinzial⸗Korrespondenz“ bestäͤtigt, daß die Verkündig-
ung eines eigentlichen Amnesiie⸗-Erlasses nicht erfolgen konnte, da es
sich nicht um die Begnadigung ganzer Kategorieen don Veruriheilten,
sondern um die Prüfung und Berücksichtigung aller Einzelfälle je
nach den besonderen Verhältnissen und unter bestimmten Voraus—
setzungen handelte. Immerhin seien auf Grund der Statt gehadten
Ermittellungen durch die vom Jubelfestiage datirlen Erlasse bereits
weit über 600 Begnadigungen, darunter eine große Zahl wegen
Majestätsbeleidigung verurtheilte Personen, ergangen. Unzweifelhaft
werde durch eine weitere erhebliche Reihe gleicher Gnadenakte in der
Folge die Gesammtzahl sich auf etwa 800 steigern.
Der Reichs Anzeiger schreibt: Ihre Majestät die Kaiserin und
Zdnigin haben geruht, unmatelbar nach Enigegennahme derjenigen
Adresse, mit welcher die unter dem rothen Kreuz verbündeten deutschen
Frauenbeteine und unter ihnen der Vaterländische Frauenderein das
Resultat der Statt gehabten Sammlungen, 200,000 M. für vor⸗
geschlagene Zweche und 70,000 M. jur Allerhöchsten Berfügung,
überreichten, folgende Ordre an den deutschen Verband zu Haͤnden
der anwesenden Deputationen zu erlassen:
Der ernste Erinnerungstag, der uns mit dem Familienleben
Deutschtands so innig verbindet, gibt mir in dem Ausdruck der
allgemeinen Theilnahme eine besondere Veranlassung zur Dankbar⸗
keit gegen Gott. Aus weiten Kre'sen deuischer Frauenherzen
empfange ich Zeichen einer Gesinnung, welche die Gebenden
wie die Empfangende gleichmäßig ehrt; denn das Bewußt⸗
jein der Zusammengehörigkeit ohne Unterschied des Belenntnisses,
des Standes, der Arbeit ist die Quelle jener großen Freude, welche
mir heute durch die deutschen Frauen bereitet wird. Ich würde in
den mir zugewandten Gaben eine ernste Verantwoctlichkeit erblicken,
wenn ich nicht darauf dedacht wäre, ihrer Verwendung sofort die
gemeinnützige Bestimmang zu gebden. Uater Vorbehalt der zu er—
laffenden Statuten habe ich vorläufig beichlossen, d'e Gaben unter
der Benennung „Frauentrost“ als bleibenden Natonalbesitz anlegen
und durch den ständigen Ausschuß des Deutschen Frauenderbandes
verwalten zu lassen mit der Maßgabe, daß jährlich am 11. Juni
die Zinsen des Kapitals ganz oder theiweise den betreffenden
Freuenvereinen zur entsprechenden Verwendung fuͤr besondere Fälle
zu überweisen sind. Neben dieser mir überlieferten Gabe habe ich
herzlich danldar der von pielen Frauendeteinen odegrundeten Stift⸗
ungen zu gedenten, d'e als schöner Beweis echter Vaterlandsliebe
tine blibende Ermnerung an die seltene Feier durch wohlt datige
Spendea erhalten und die Ausubung werlihätiger Nächstensiebe er
weitern und fördern werden. Gott segne den Erfsolg für ganz
Deutschland!
Betlin, 11. Jum 1879. Augusta.
Zuwischen bervocragenden Mitgliedern der Taristommission
haben in den lehlen Tagen Besprechungen statigefunden. Dieselben
bezweken den Abschluß eines Kompromisses zwischen
Industriezöllnern und Agrariern hinsichtlich der Korne und Eisen⸗
vlle für die dritte Lesung des Zolltarifs. Es rerlautet, daß eine
Anzahl Eifenzöllner, welche in der zweiten Lesung gegen den An⸗
rag auf Erhöhung des Kornzolls gestimmt, jeht bereit sind, bei
der dritten Lesung für diese Erhöhung und zwar, wie sie uͤrsprüng⸗
ich beantragt war, auf 1 M. zu stimmen, da die Eisenzöllner von
ner auch noch so kleinen Herabsetzung des beschlossenen Eisenzolls
nichts wissen wollen. Wenn man erwägt, daß nur 15 Stimmen
ehlten, um dem Antrage Günther-Mirbach auf Erhöhung des
dornzolls zum Siege zu verhelfen, so dürfte die Alliance der
Agrarier und Eisenzöllner bei der dritien Lesung das Resultal er⸗
geben, daß die Kornzölle nach dem Wunsche der Agrarier zur An⸗
nahme gelangen und der Beschluß wegen der Eisen, dile unverändert
viederholt wird.
Ausland.
Ftaazoͤsische Blätier melden gerüchtweise, daß die Vermählung
des schwedischen Thronfolgers mit der Prinzessin Victoria von
Baden, Enkelin des Kaisers Wilhelm, im Werke sei.
BVermischtes.
7 St. Ingbert. Die von der Saarbr. Ztig. gebrachte
ind auch in unser Blatt aufgenommene Notez, daß die Saar⸗
drücer⸗St. Ingberter Bahn sam 1. Juli d. Is. eröffnet
verden würde, hat sich als unrtichtig erwiefen. Die Eröffnung der
neuen Bahn wird wahcscheinlich erst Mitte Oktober erfolgen.
f. Aus Grünstadit, 7. Juni, meldet die „Pf. Pr.“: Als
Beispiel seltener Thattraft und Ardeitslust soll hier angeführt wer⸗
den, daß der 82jährige Schieferdeckermeister, Hr. Fessinger hier,
borige Woche mil der Reparatur des Thurmes der Martinskirche
zeschäftigt war, und denselben bis zur Spitze, also in einer Hshe
on ungefäht 200 Fuß rüstig bestiegen hat.
f.Sandau, 18. Juni. In der Sitzung des k. Zuchwoli⸗
eigerichts von 10. Juni abhin wurden wegen Zuwiderhandiung
segen das Reichsgesez über den Spielkartenstempel vom 3. Juü
878 durch Unterlassung der Anmeldung ihrer Gesammworräthe an
Spieltarten bei der zustäͤnd igen Steuerbehoͤrde verurtheilt und zwar:
Idolph Schwaitz, Wirth von Edeshe im, Rusin Hertel, Wirih von
MNailammer, Peter Bay, Wirth auf der unteren Bienwaldziegeihütte
Zemeinde Steinfeld, zu je 500 M. Geldstrafe eventuell zu je 3
Monaten Gefängniß, und Ja kob Ignatz Vogt, Wirth von Edesheim,
Johaun Baumann, Wirth von Maikammer, Leonhard Glas, Wirth
zon Diedesjeld, Friedeich Glaser, Wirth von Diedesfeld, zu je 30
M. Geldbuße ebentuel je 50 Tagen Haft, und die Einjiehung der
Ammtlichen beschlagnahmten Spielkarlen verordnet. (Eilb.)
Der Verweser der Erzdibse Freiburg, (Baden) Dr.
Zothar Kübel, halte zu Ehten der goldenen Hochzeit des Kaiser⸗
daares in allen Kirchen die Abhaltung eines Tedeums angeocdnet.
tIn Dil lingen hat sich der Ched.-VLieut. Frhr. d. Eg⸗
offstein Wucherschulden halber erschossen.
T. Die Firma Meister, Lucius und Brünning in H5h st am
Main hat zur Feier und Ecinnerung des 11. Juni eine Stiftung
von 180,000 M. zum Wohl ihre Arbeiter unter dem Namen
„Kaiser⸗Wilhelm ⸗Augusta-Stiftung“ in's Leben gerufen.
—L
en Moltle das Ehrenbürgerrecht zu verleihen.
F Eme Riesenkanone ging aus dem Krupp'schen Etablissement
ach Meppen, um bei dem dortigen Probeschießen verwendet
u werden. Die Laänge des Geschüßtohres beträgt 10 Meier,
vährend der Durchmesser des Kalibers 40 Cim. und das Gewicht
)er Kanone etwa 1440 Cir. beträgt. Die Kanone war auf 2
Waggons verladen, welche, auf je 6 und 4 Achsen ruhend, mit
ꝛinet Gesammt⸗Tragfähigteit von 100,000 Kilogr. sich nur laug⸗
am sortbewegten. Deses Riesengeschütz soll im Stande sein, eine
Rugel von 23 CEtr. im Gewicht sortzuschleudern, womun sie jedea
Mal ein Quantum von 4* Ctr. Pulver bedacf.
rOfschersleben, 9. Juni. In öffentlicher Sitzung des
lal. Kreisgerichts zu Halberstadt am 7. ds. Mis. wurde der hiesige