Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Dienstag den 1. Juli 1879. 
Deutsches Reich. 
Berlinn, 27. Juni. Der Bundesrath hat heute den Antrag 
Sachsens, Württembergs und Badens angenommen, wonach d'ie 
Zzz 2 und 4 des Geseßzentwurfes betr. den Gütertarif der deutschen 
kisenbahnen behufs Herbeiführung einer Verständigung an den be⸗ 
dreffenden Sonderausschuß zurückverwiesen werden sollen. Bezüglich 
der Wuchergesetzgebung sowie der Gesttzentwürfe über Waarenstatistik 
und über Konsulargerichtsbarkeit stimmte der Bundesrath den Be—⸗ 
schlüssen der betreffenden Reichsstags-Kommissionen ju. 
Die Tabaksteuer⸗Kommission beschloß ferner, daß die volle 
Steuer von 45 Mark für inländischen Tabak erst am 1. April 
1882 eintrete und daß die Steuer vom 1. April 1880 bis 1. April 
1884 nur 20 M., vom 1. April 1881 bis 1. April 1882 
30 M. betrage. 
Berlin, 28. Juni. Die Tarif-Kommission beendigte die 
allgemeine Debatte über die Bedürfnisse der Einzelstaaten und die 
Finanzzölle, nahm den Welinzoll nach der Vorlage an und lehnte 
den Vierzoll ab. 
Von unterrichteier Seite wird dem „Berl. Tagbl.“ über die 
zegenwärtige politische Situation folgendes ge⸗ 
schrieben: „Der Finanzminister Hobrecht hat seine Entlassung 
beim Kaiser eingereicht, daruber jedoch, ob dieselbe ihm gewahrt 
worden, war in parlamentarischen Kreisen heute noch nichts be⸗ 
kannt. Sowohl der Finanzminister, ais alle übrigen Mitglieder 
des preußischen Staalsministeriums erhielten erst Kenntniß von dem 
Antrage Franckenstein, nachdem derselbe schon gedrudt vorlag, wäh⸗ 
rend die Vertreier der mittelstgatlischen Regierungen von 
hefreundeten Abgeordneten über die Vorgänge hinter den Coulissen 
trefflich unterrichtet waren. Drei Tage lang lagen die Vorschläge 
des Centrums und des Abgeordneten v. Bennigsen im 
Kabinet des Kanzlers; dieser entschloß fich endlich, den Pakt mit 
dem Centrum abzuschließen, als er von Bennigsen nicht erfahren 
lonnte, welche Gefolgschaft dieser innerhalb der nationalliberalen 
Fraktion hinter sich habe. Ueber einen so tief einschneidenden An⸗ 
trag, wie den des Abgeordneten Francenstein, hitlt man es nicht 
jür angemessen, das preußische Staatsministerium zu einer Be⸗ 
rathung zusammentreten zu lassen. Daraus erklärt fich wohl das 
beredie Schweigen der Minister Hobrecht und Hofmann 
bei Berathung der Garantiefrage im Schooße der Tariskommission. 
Daß Herrn Hobrecht die Minister Falk und Friedenthal fol⸗ 
gen dürsten, gilt in parlamentarischen Kreisen für feststehend; letz⸗ 
tere beiden Minister haben in den jüngsten Tigen im Reichstage 
mehrfache vertrauliche Besprechungen gehabt. Windthorst 
und Genossen fordern geradezu für das Kompromiß als Opfer die 
Berson des Kullusministers Falt. 
Nhusland. 
Paris, 29. Juli. Die Republ'que francaise schreibt: 
Indem die Kammer, shrem Mandat getreu, das Unterrichtsgeseh 
mit 366 gegen 150 Stimmen annahm, bekundete sie durch ihre 
Abstimmung den unbeugsamen Willen des Landes. — Prinz Na⸗ 
poleon hatte eine Zusammenkunft mit Rouher; der Prinz wird 
als Chef der Partei anerkannt. Es ist nun die Frage, einen 
Wahlbezirk zu finden, in dem ein bonqpariistischer Abgeordneter 
zu Gunsten des Prinzen sein Mandat niederlegen würde. 
Petersburg, 29. Juni. Ein Erlaß des Migisters des 
Innern weist die Dorsbehörden und die Landpolizei an, Maßregeln 
zegen die ümherziehenden Agitatoren zu ergreisen, welche durch die 
Verbreitung falscher Gerüchte von einer beborstehenden neuen Ver⸗ 
heilung des Grundbeßtzes Unruhen im Volke zu stiften suchen. 
SEchwũrgericht der Pfalz. 
Zweibrücken, 24. Juni. (Fall Thoma u n. Schluß.) In dem 
zestern statigehabten Zeugenverhöre wurde von allen Zeugen übereinstim⸗ 
wend erklärt, daß der Angeklagte seine Frau in der ersten Zeit ihrer 
trankheit mit der orößten Aufopferung gepflegt habe, erst 10 Tage 
por dem Brande habe sich sein Venehmen ihr gegenüber geändert. 
kr beharrt auch heute bei seinem Leugnen, bezeichnet doch nicht mehr 
mit aller die seinen alten Onkel als den Brandstifter, sondern 
raumt ein, der Onkel könne ihm vielleicht auch nur so im Wein— 
ausche eine Art Geständniß abgelegt haben. Gegen seine Frau will er 
Jauptsaͤchlich deßhalb so sehr aufgebracht gewesen sein, weil er vermuthet 
habe, fie conspirire hinter seinem Rücken mit ihren Verwandten und wolle 
ju ihnen ziehen. Die k. Staatsbehörde hält außer bezüglich einer Mißhand⸗ 
ung, für welche der Beweis nicht volllommen erbracht worden sei, die Anklage 
n allen Punklen aufrecht, während die Vertheidigung für beide, die dem 
Angeklagten zur Last liegen und für das Verbrechen der Brandstiftung den 
Beweis als nicht erbracht erachtet; das heimtückische Verbrechen der Brand 
tiftung passe schon nicht zur jähzornigen Natur des Angeklagten, dem man 
ziel eher einen unüberlegsten Mord zutrauen dürfte. Bezüglich der Bedroh⸗ 
ingen stellte die Vertheidigung die Schuld des Angeklagten ganz in das Ers 
nessen der Geschworenen, welche den Angeklagten der Bedrohungen und der 
Brandstiftung schuldig erklärten. Urtheil 2 Jahre 8 Monate Zuchthaus. 
Zweibrucken, 25. Juni. Verhandlung gegen den 18 Jahre al⸗ 
en Schreinersgesellen Jacob Sch ü le r von Speier wegen Mords. Vertreter 
der k. Staatsbehörde: Staatsanwalt Petri. Bertheidiger: Anwait Giessen. 
Am Sonntag, den 16. März abhin Morgens, erschien der Angeklagte 
auf dem Polizeibureau zu Speier und gab an, er habe soeben den Schuh⸗ 
nachergesellen Adam Kinsler von Speier erschossen. Diese Selbstanzeige 
vurde durch die sofort angestellten Nachforschungen bestätigt: Gegen 10 ühr 
in jenem Morgen war der Angeklagte vor die am Johannitergäßchen zu 
Speier gelegene Wohnung des Schuhmachers Fischer, bei dem Kinzler arbei- 
ete, gekommen, hatte letzterem zuerst gepfiffen und ihn dann bei seinem Vor⸗ 
namen „Adam“ gerufen; als daraufhin Kinsler ahnungslos unter die Haus⸗ 
thüre getreten war, feuerte der Angeklagte in einer Entfernung von kaum 
3 Schritten aus einer schon vorher schußbereit auf dem Rücken gehaltenen 
Pistole einen Schuß auf den Wehrlosen ab, der mit dem Rufe: „Ach Gott, 
iieber Meister, helfen Sie mir, ich bin geschossen“, zurück und die Stiege hin⸗ 
aufging. Die Kugel war ihm in den Unterleib gedrungen, an eine Rettung 
war nicht mehr zu denken und am Abend des nächstfolgenden Tages ftarb 
dinsler, nachdem er — immer bei vollem Bewußtsein — bis zu seinem Ende 
noch die fürchterlichsten Schmerzen ausgestanden hatte; er stand in seinem 
24. Lebensjahre. Was waren nun die Motive zu dieser schrecklichen That? 
Der Angeklagte gibt sie zum größten Theil selbst der Wahrheit entsprechend 
in, wie er denn auch den ganzen Thaibestand vollständig zugesteht. — Eifer⸗ 
ucht hatte die beiden zu den unversohnlichsten Gegnern gemacht, hatte zu ver⸗ 
chiedenen Thätlichleiten zwischen beiden und endlich zu der fuͤrchlerlichen Ka— 
astrophe an jenem Sonntaa Morgen geführt. (Säluß solat.) 
Rermischtes. 
1Sit. Ingbert. Im Laufe dieses Monats wird der 
hderr Bischof von Speher hierher zur Firmung kommen, 
voju auch die angrenzenden preußischen Orischaften ihre Firmlinge 
dierhersenden werden. 
Pirmasens, 26. Juni. Nach äeiner heute durch das 
ziesize Handels: und Gewerbe⸗-Gremium erfolgten Zusammenstellung 
‚estehen in hiesiger Stadt 23 größere und 33 kleinere Schuhfabriken, 
velche zusammen etwa 2800 mäanliche und 700 weibliche Arbeiter 
heschäftigen. Dieselben verfertigen jährlich ungefäht 4,500, 000 
Paar Schuhe, welche annähernd einen Werth von 10 Mill. Martk 
epräsentiren. Im Betiriebe dieser Fabriken find au Mototen und 
Zilismaschinen thätig: 3 Gasmotoren, 14pferdekr. Dampfmaschine, 
20 Sohlen-Nahmaschinen, 97 Sohlenstanzmaschinen, 12 Sohlen- 
chraubmosch'nen, 2 Sohlennogelmaschinen, 11 Sohlenausballma⸗ 
chinen, 18 Sohlenrißmaschinen, 12 Absatzpressen, 5 Adsatzfraise⸗ 
naschinen, 7 Absatznagelmaschinen, 1 Abfaßpolirmaschine, 2Ledir⸗ 
Walzmaschinen, 2 Lederspaltmaschinen, 18 Keder⸗ Spaltmaschinen, 
18 Kappen⸗Schärfmaschinen, 1 Pappmasch'ne, 495 Steppmaschinen, 
Walkmaschinen, 3 Siemplpressen. (P'rm. Anz.) 
Pirmasens, 28. Juai. Am RKugelfelsen wurde 
jestern Abend von einem Forstwart die Leiche des hiesigen jungen 
Jehrers F. aufgefunden. Derselbe hatte durch einen Redolverschuß 
einem Leben ein Eade gemacht. Der Unglücklichc litt, wie man 
erzählt, an einem unheilvaren Brustleiden, was ihn wohl zu der 
schrecklichen That getrieben haben mag. (P. P.) 
F In Hors ach ist wiederholt ein Fall von Milzbrand 
vorgekommen, und zwar im Stall des Ackerers Frz. Klingel. 
rHertlingshausen, 28. Juni. Gestera Äbend er— 
schoß sich der 33 Jahre alte Mühlen- und Gutsbesitzer Joh. Hertzler 
n seinet Wohnang. Er hinterläßt eine Ftau und zwei kleine 
— 
f,London, 26. Juni. Die hinterlassene Erbschaft des 
ꝛxlaiserlichen Prinzen wird auf mehrere Millionen geschäßt, welche 
nun, da zwischen der Ex-Kaiserin und ihrem Sohne noch keine 
Theilung stattgefunden hat, im Besitze der Ex Kaiserin verdleiben, 
uind nach deren Tode ihrem nächsten Verwandten, dem in Madrid 
lebenden Herzoz von Huscar zufallen. — Der Schmud des Prin⸗ 
sen, der Ißt in den Händen der Zulus ist, bestand, wie dem „B. 
Sjpæ