Full text: St. Ingberter Anzeiger

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St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal woͤchentlich mi dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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Dienstag den 15. Juli 
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Deutsches Reich. 
Berlin, 11. Juli. Seit der vorgestrigen einschneidenden 
Rede des Reichskanzlers hat sich im Reichstag sichtlich Manches 
berander.“ Die WMiajorität ist ßegesgewisser und die Minorität 
entschlossener geworden. Wer weiß, daß er allein auf sich gestellt 
ist, wird rascher, selbst sicherer zur That. Unverkennbar ist aber 
uch unter dem neuen Präsidenten die Disziplin im Hause nicht 
nehr die gleiche wie vordem. In die überhandnehmende Ge—⸗ 
schaftsordnungedebatte schleicht sich immer mehr ein, was dorthin 
nicht gehött. Wenn heute gar zwischen den Abgg. Sonnemann 
(Frankfurt) und Grad (Eljäfser) in einer Erdrterung der schutz 
zoͤllnerischen Bestrebungen der elsäfser Spinner das Wort „Lügner?“, 
Allerdingß unter dem Ordnungsruf des Prasidenten, ausgetauscht 
wurde, so geht das schon stark über das Muß des Zulaässigen 
hinaus. Auf der Höhe der Bewegung stand heute die Debaite, 
als die Eisen⸗ und KornLiga die Verdoppelung des Kornzolles, 
hon 80 Pf. auf 1 Mt. pro 100 Kilo, beantragte. v. Kleist⸗ 
Retzow ging dabei gegen den Berliner Städtetag los, v. Forcken⸗ 
bed erläuterle dessen legales und berechligtes Zustandekommen, wäh⸗ 
rend Richter (Forischr.) entschieden die Großgrundbesitzer anklagte, 
hier verhängnißvolle Interessenpolitikt zu treiben, die schwer von 
Hlechter Ernten, auch einem Finger Goltes, getroffen werden 
dune. Bamberger erinnerte daran, daß man seit 1808 auf Be⸗ 
freiung nöthigster Lebensmittel von Zoͤllen in Preußen und Deutsch⸗ 
jand hingewirkt habe und nun dahinter zurückgehe; kein Wunder, 
habe dach der heutige Vertheidiger der Verdoppelung des neuen 
ornzolls, v. Kleist, in den 1880er Jahren, als Oberpräsident 
von Rheinpreußen, alle Fabrik⸗Schornsteine für Werke des Teufels 
erklärt. Schließlich wurde in namentlicher Abstimmung, wie schon 
hekannt, mit 186 gegen 160 Stimmen die Verdoppelung des 
otnzollis beschlossen. Die Regierung verhielt sich — zustimmend, 
trotz ihrer nur auf die Halfte des nunmehr beschlossenen Zolls, auf 
50Pf., gehenden Vorlage. Bei einer anderen Posilion verstieg 
sich Reichskanzleramtspräsident Hofmann soweit, die Regierungsvor— 
lage, welche unter den jetzigen Zollvorschlägen des Hauses bleibt, 
— verwerflich zu erklären. So hat 
Alles seine Geschichte. — Heute war zur Fortsetzung der dritten 
desung des Zolllarifs auch eine Nachtsitzung.“ Zuerst stand ein von 
Zinn Groß, Buhl, Schroeder⸗Friedberg unterstützter Antrag auf 
Erhöhung des Malzzolles von 1M. 20 Pf. auf 1M. 75 Pf 
zur Verhandlung. Dr. Groß vertheidigte ihn. Aber — die 
Mehrheii will fertig werden und von nichts mehr wissen, was nicht 
riwa fie selbst noch fordert. So wurde alsbald Schluß der De⸗ 
balte beschlossen und der Antrag abgelehnt, ohne daß über seine 
Berechtigung oder Nichtberechtigung viel nachgedacht wurde. 
Berfüin, 12. Juli. Auf Antrag von Dr. Buhl und Dr. 
v. Schauß wurde das Inkraftreten der Getreidezoöͤlle vom 1. Octo⸗ 
der d. J. auf J. Januar 1880 verschoben. 
Berlin, 12. Juli. Auf den Antrag des Abg. Gareis 
sprach heute die nationalliberale Frackion mit 45 gegen 35 Stimmen 
ihr Bedauern über Voöͤll's Reichstagsrede aus. — Von den 18 
Rotionalliberalen, welche heute für den Zolliarif gestimmt haben 
sind 16 aus der nationalliberalen Fraction ausgetrelen; nur Gueist 
und Muller (Sangershausen), die auch— für den Tarif stimmten, 
haben ihren Austritt ous der Fraction noch nicht erklärt. Dagegen 
ist auch Abg. Zinn, der heule gegen den Tarif gestimmt hat, aus 
der Fraction ausgetreten. 
Beririn, 12. Juli. GReichstag.) Der Präsident gibt die 
Abliche Geschäftsübersicht. Abg. Graf Molike dankt im Namen des 
Hauses dem Präsidium und dem Bureau für die Leitung der Ge— 
schäfie. Der Präsident dankt dem Hause für die ihm gewährte 
Unterstützung. Ein großer Theil dieses Dankes gebühre dem Ab⸗ 
geordneten, der vor ihm mit hingebender Thätigkeit und Aufopfer— 
ung die Geschäfte gefuhrt. Er sordere die Mitglieder des Hauses 
auf, sich zum Dank fur den verdienten Abgeordneten v. Forckenheck 
don ihren Sitzen zu erheben. Geschieht.) v. Forckenbeck sazt dem 
dause für die gewaerdene Auszeichnung seinen herzlichsten Dank. 
Fürst Bizmatd verliest darauf die kaiserliche Ordre, durch welche 
die Session heute geschlossen wird. Der Reichskanzler danlt im 
Namen der verbündeten Regierungen dem Hanse für seine Thätigkeit 
und spricht die Hoffnung aus, daß die jetzt hervorgetretene Mein⸗ 
ungsverschiedenheit keine dauernde sein und der Reichstag sich zu 
neuer Arbeit, einig in dem Streben nach dem Wohle und Heile 
des Vaterlandes, wieder zusammenfinden werde. (Beifall.) Der Prä⸗ 
sident p. Seydewitz shließt hierauf die Session mit einem dreifachen 
HDoch auf den Kaiser. Damit schließt die Session und die Sitzung 
um halb 5 Uhr Nachmittags. 
Berhin, 13. Juti. Die „Post“ meldet: In der heutigen 
Sitzung des Bundescathes ist ein Anttag auf Einführung zwei⸗ 
jähriger Etatsperioden (statt der bisherigen einjährigen) eingebracht 
worden. 
Welche Wirlung der Roheisenzoll schon vor seiner Ein⸗ 
tührung gehabt hat, erhellt aus einem Cirkular, welches 13 große 
Fisenwerke unter dem 27. Mai d. J. versandt haben. Das— 
selbe lautet: „Wir unterzeichneten Hüttenwerke waren seit geraumer 
Zeit durch die Ungunst der Verhälinisse gezwungen, die von uns 
rzeugten rohen Gußwaaren zu Preisen zu verlaufen, die aucb den 
bescheidensten Gewinn ausschlossen, ja in den meisten Fällen die 
aufgewenbeten Selbstkosten nicht enffernt ersetzten und direkten 
Berlust brachten. In diesem Augenblicke wird die Unerträglichteit 
dieser Lage noch erheblich vermehrt, wenn und sobald auf das von 
uns bisher verarbeitele Rohmaterial, das englische Roheisen, ein 
Finfuhrzoll von 0,80 Mark gelegt wird. Wir sind daher über⸗ 
ꝛingekommen, von heute ab die Preise der rohen Gußwaaren um 
2 Mark pro 100 Kilo zu erhöhen, und bitten hiervon geneigte 
Bemerkung zu nehmen.“ In Folge Dessen wurde der Preis pro 
100 Kils von 1550 auf 1750 Mi. gesteigeri. Die große 
MPehrheit derselben Eisenwerke hat ebenfalls unter dem 27. Mai 
noch Folgendes bekannt gegeben: „Im Anschluß an unser gemein⸗ 
ames Circular vom 2. d. M., die Herabsetzung der Rabaitfätze 
ar emaillirte und rohe Geschirre betreffend, beehren wir uns heute, 
Ihnen die ergebene Mittheilung zu machen, daß wir diese Aufbes— 
erung der Preise auch auf emaillirte Sanitätsutensilien, Kessel, 
Wannen und Ofentöpfe“ auscedehnt haben, und zwar liefern wir 
zdiese eben benannten Artikel von heute ab zu den bisherigen Prei⸗ 
sen mit einem Aufschlage von 20 Proz.“ 
ANusland. 
Rom, 13. Juli. Der Papst empfing eine eigenhändige 
Antwort des Kaisers Wilhelm auf sein Glückwunschschreiben zu dessen 
joldener Hochzeif. Der Kaiser betont darin den Wunsch, daß die 
chwebenden Verhandlungen gekrönt und der Religionsfrieden in 
Deuischland bald hergestellt werde. Der Kardinal Hergenröther 
entwirft jetzt Verhaltungsbefehle für den deutschen Klerus nach einem 
„ventuellen Friedensschluß mit der preußischen Regierung. (D. M. Bl.) 
RVermischtes. 
f(Wechselsstem pel.) Es lief dieset Tage eine Noliz 
durch mehrere Blaͤlter, welche geeignet erschien, in weiten Kreisen 
ine nicht geringe Beunruhigung hervorzurufen, indem datin gesagt 
war, daß bei allen vor dem 15 Juli cr. ausgestellten Wechseln die 
zeuen Siempelmarken keine Verwendung finden dürften, eine solche 
ielmeht als Steuet⸗Contravention angesehen und mit dem fünfzig⸗ 
jachen Beirage bestraft werden würde. Nun werden aber in den 
meisten Fallen die Wechsel erst bei deren Begebung mit einer Stem⸗ 
pelmarke versehen, was ja auch gesetlich zulässig ist, und da sich 
ine zahllose Menge derartiger Weqhsel noch in den Portefeuilles 
der Aussteller befindet, so wären Letztere nach obiget Auffassung in 
eine seht mißliche Lage gelangt, da ältere Stempelmarken nicht 
mehr käuflich zu haben waren und einzelne Spekulanten sich dafür 
den 5- und öfachen Werth bezahlen ließen. Auf eine an das 
Reichskanzleramt gerichtete Anfrage erfolgie, nach der „N. B.-3.“, 
tin Bescheld, wächer jedes Bedenken aufhebt: es koͤnnen hiernach 
auch bei allen vor dem 1. Juli ausgellellten Wechseln, welche nur 
Fine Unterschrift haben, neue Stempelmarken, allerdings nach dem 
Tarif vom 4. Juni c., verwendet werden. 
4 Die Behandlung der Fundsachen erfährt nach der neuen