Full text: St. Ingberter Anzeiger

Stroh ist ebenfalls befriedigend. Wir haben sonach eine bissere 
Ernte bekommen, als man vorher gehofft hatte. Der Stand des 
Hafers, welcher schon in den nächsten Tagen schnittreif sein wird, 
ist ein vorzüglicher, und man erwartet einen vollen Ertrag. Wenn 
das jetzige Wetter beständig bleibt, so ist eine ausgezeichnete Kar⸗ 
zoffelernte zu hoffen. Die Frühlartoffeln haben von der Nässe 
gelitten, und man höͤrt hie und da, daß dieselben statle Neigung 
zum Faulen zeigen. 
Neustadt, 13. Aug. Auf eine Anregung des Verschõ⸗ 
nerungsbereins hin hat der Gemeinderaih von Hambach in seiner 
letzten S zung den Beschluß gefaßt, daß zur Verherrlichung des 
Festes am 24. August auch die Maxburg in effeltvollster Weise 
deleuchtet werden solle. 
Dürkheim, 11. Aug. Heute Naqhmittag passirte ein 
Student aus Würzburg mittelst Velocipede unsere Stadt. Der⸗ 
jelbe benützt die Ferienzeit, um eine größere Wette durch seine 
Reise ber Veloc'pede zu gewinnen. Kommilitonen von ihm reisen 
per Schnellzug und erreichen ihn nicht. So begraußte er sie bei 
ünkunft des Zuges in Heidelberg, um seine Tour über Mannheim 
und hier nach Kaiserslautern fortzusetzen. Im Hotel zu den vier 
Jahreszeiten angelommen, labte sich der Wettende mit Speise und 
Trank, gad seinem leicht, aber solid gebauten Geführt die nöthige 
Schmiere, und fott ging es mit Windeseile über die Steige nach 
Frakenstein, Hochspeyer und Kaiserslautern. Es unterliegt keinem 
Zweifel, daß auch dort Vegrüßung am Bahnhofe Statt findet, 
denn schon hier war eine Stunde Zeit voraus gewonnen. Die 
Reise soll über Homburg, Saarbrücken, Forbach, Meh, Straßburg 
zurück nach Würzburg projektirt sein. Der junge Wann bedient 
ach einer Pfeife, um Personen und Fuhren auf sein Vorübersausen 
aufmerksam zu machen und Platz zu gewinnen. Die Raäder des 
Veloc pede sind mit Gummi belleidet und laufen ohne Geräusch. 
fLudwigshafen, 12. Aug. Der ebden ausgegedene 
Jahresbericht der pfälzischen Handels- und Gewerbkammer für das 
Jahr 1878 (152 Seiten Oktav) äußert sich über die deutsche Zoll⸗ 
ind Handels polit:k folgendermaßen: „Was die princ'pielle Stellung 
der Handels⸗ und Gewerbelammer gegenüber der Wandlung in der 
deutschen Zoll⸗ und Handelspolitik anlangt, so lönnen wir, im 
Ansasiusse an unsere diesbezüglichen Aeußerungen im letzten Jahres⸗ 
betichte nur unser Einverständniß damit bestätigen, wiewohl wir in 
der Ausführung dieser Politik ein etwas zu weit gehendes Nach- 
gebin den Schutzolldestrebungen gegenüber glauben erkennen zu 
müssen. Allein wir hoffen auch, daß es bei der Neuconstruirung 
eines autonomen Tarises nicht sein Bewenden haben wird, erwarten 
pielmehr, daß dem provisorischen Zustand unserer Handelsbeziehun⸗ 
gen zu den meisten Nachbarstaaten, desonders Oesterreich, dadurch 
rin befriedigendes Ende gemacht wird, daß neue Verhandlungen 
zum Ahschlysse von Handelsverträgen jühren, die neben einer ge⸗ 
zügenden Ruͤcksichtnahme auf den eigenen Markt, auch der Export⸗ 
industrie und dem Erporthandel ihre berehtigten Ansprüche auf 
dem internalionalen Matkte sicher zu stellen bestreibt sind. 
Mälhausen, 10. Aug. Eine schreckliche Katastrophe 
hat sich diesen Nachmittag in der seit vorigem Sonniag auf hiefi 
gem Meßplatz eröffneten Bude des beliebten Taschenspielers Agoston 
zugetragen. Es war gegen Ende einer um 4 Uhr Nachmittags 
beginnenden Vorstellung, als plötzlich der letzte der amphitheatral sch 
sich erheben den Plätze, auf dem sich Hundecte von Menschen in dicht 
zedrängten Massen neben einander befanden, zusammenbrach und 
oAlles Kopf über Kopf unter in die Tiefe hinabstürzte. Eine 
scheedlche Verwirrung folgte diesem Augenbliche; aber alebald ar⸗ 
beitete sich aus der Tiefe empor, was noch heile Glieder hatte, wo⸗ 
bei natürlich die zu untderst Liegenden noch manchen Stoz bekamen. 
Eadlich kam auch die Reihe an die letzteren, an diejenigen, die 
o rwundet waren und denen Hilfe geleistet werden mußte; ihre Zahl 
ist bis jetzt noch nicht genau bekaunt, doch weiß man, daß schwerer 
perwundet etwa zwanzig Personen sind, während goitlob kein Todes⸗ 
jall zu verzeichnen ist. 
FDie Darmst ädter Schuhmacher⸗-Innung hat folgen⸗ 
den Beschluß gefaßt: „In Erwägzung der mit dem 1. Otiober ein⸗ 
retenden veränderten Gerichtsbarkeit, der damit verbundenen Kosten 
uind Mühen in Klagesachen und der sich mehrenden Unsicherheit im 
Beschaäftsleben, um sich vor ferneren Verlusten zu bewahren, die 
Baarzahlung als Regel für geliefette Schuhmacherarbeit einzuführen, 
zuverlässigen Personen jedoch eiden Kredit von neunzig Tagen zu 
gewähren and bleibt letzieres dem Ermessen jedes Einzelnen über⸗ 
lassen.“ 
München, 12. Aug. Waährend der d'esjährigen Herbst⸗ 
voffenübungen werden verschiedene Versuche hipsichtlich der feldmä⸗ 
zigen Verpflegung der Truppen angestellt werden und soll daupt⸗ 
rächlich die Verwendung von Hartgemüse (Erbsen und Linsen), das 
bei den norddeutschen Truppeutheilen schon längere Zeit mit Vor⸗ 
theil denützt wird, in Erwägung dezogen werden, 
* Der Diamantenherzog von Braunschweig hat be— 
lanntlich der Stadt Genf 24 Millionen Frarcs hinterlassen, mit 
der Bedingeng, daß ihm die lachende Erbin ein Grebdenkmal nach 
dem Muster jenes der Scaliger von Verona setze. Dies Denkma 
st jetzt fertig und wird am 15. September feierlich enthüllt wer— 
»en. Bei Barbedienne in Paris wurde die große Reiterstau 
velche das Denlmal krönt, gegossen, der Pariser Bildhauer 64 
hjat den Herzog im vollen Ornat eines Regenten dargestellt, und 
eicher Goldschmuck zieht sich über die dunkle Bronze. Cain hat 
nuch zwei Löwen aus rothem veronischem Marmor für dies Dent. 
nal gemeißelt. 
F Herr Krupp in Essssen ist ein Patent auf eine Doppel 
anone mit nach entgegengesetzten Seiten gerichteten Rollen ertheill 
vorden. Das scheint ein ganz imposantes Mordgewehr zu sein 
za es nach vorn und hinten schießt. 
rBerlin, 12. Aug. Das biesige „Tageblatt“ schreibt: 
Als im Laufe des Fruͤhjahres Szegedin durch Ueberschwemmung 
u ungeheurem Maße heimgesucht ward, bildeten sich aller Orten 
n Deutschland Hilfs⸗Comite's, und zahlrelche Gaben an Geld und 
kleidern wurden der nothleidenden ungarischen Stadt von Berlin 
zus zugesandt. Die gleichzeitige Noth in Schwetz, also bei 
inseren eigenen Landsleuten, fand nur vereinzelte Theilnahme, 
ind viele Gaben wurden von nicht mit Guücksgütern Gesegneten 
ür Schwetz — wie wir zu beobachten Gelegenheit halten — wir 
wöchten sagen, nur aus Unmuth üder die Zurücksetzung der eigenen 
dandsleute gespendet, welche die letzteren durch besser Situirie er⸗ 
uhren. Und gegenwärtig schon wieder erleben wir das gleiche 
Schauspiel. Der Brand von Serajewo ist kaum gemeldet, — 
hon steht der Aufruf für die dortige Bevölkerung an den Säulen 
Berlins. Die gleichzeitig von schwerem Brandunglück heimgesuchte 
Ztadt Kestenholz im Elsaß findet wohl in Paris ein hilfsbereiies 
ẽntgegenkommen, in Berlin aber hat man wieder nur für die ab⸗ 
jebrannten Vosniaken Theilnahme, nicht für die gleichem Schichsal 
verfallenen elsässischen Landsleute. Es ist wahr, die Menschenliebe 
oll nicht nach der Rationalität oder Konfession dis Bedrängten 
ragen; neben der freiwillig wirkenden Menschenliebe gibt es aber 
ruch eine Pflicht der Hilfsbereitschaft gegen Solche, die uns durch 
Bande des Blutes oder nationaler Zusammengehsrigkeit verbunden 
ind! Wenn das ganze Haus des Nachbars in Flammen steht und 
ei uns eine Gardine brennt, werden wir mit Recht gescholten, 
venn wir's im eigenen Hause lustig brennen lassen, um dem Nach— 
ar zu helfen! Hüten wir uns, einen solchen Fehler in kurzer Frist 
um zweiten Male zu machen, und thun wir auch für Kesltenholz 
»as Unsrige! Nach dem Vericht des „Elsässer Journals“ thut auch 
jort rasche Hilfe dringend Noth“ 
f Aus Gastein berichtet man dem „Deutschen Montags⸗ 
lattꝰ: Als Kaiser Franz Joseph zum Abschied zum Kaiser Wil⸗ 
jelm kam, blieben beide Monarchen nahezu eine volle Stunde in 
ifrigem Gespräche beieinander, worauf sie sich unter herzlichen Um— 
irmungen trennten. Dem deutschen Kaiser kraten die Thränen in 
die Auzgen beim Abschiede, und er meinte lopfschütlelnd: „Wer 
veiß, ob wir uns noch einmal wiedersehen! Ich bin zwar sehr 
zestärkt, aber ich fühle dech, daß ich anfange, alt zu werden“ 
daiser Franz Joseph meinte, wer so rüstig ausschaue, wie Kaiser 
Bilhelm, brauche vor diesem Abschiede keine Sorge zu haben; er 
joffe, ihn noch oft als fröhlichen Kurgast auf oͤsterreichischem Boden 
egrüßen zu können. 
AAufopfernde Kindeslhiebe), Am vorigen 
Nittwoch hielt die Pariser Akademie ihre diesjährige 
iffentliche Sitzung behufs Vertheilung der von ihr alljährlich zu 
»ergebenden Preise. Ueber die literarischen Auszeichnungen, die bei 
zieser Gelegenheit zuerlannt wurden, ist wenig zu sagen; um so 
nteressanter war dagegen der Bericht des Direklors Jules Simon 
iber jene Alte werkthätiger Nächstenliehe, welche mit dem von 
Monltyon begründeten „Tugendpreis“ gelrbnt wurden. Die zahl 
eiche und glänzende Versammlung, welche der Feierlichkeit im Pa⸗ 
ais Mazaria beiwohnte, wurde zu Thränen gerührt, als Herr 
zimon die Geschichte eines Fräulein Leontine Nicolle erzählte, die 
nus lindlicher Pietät ihre Jugend, ihr Leben in einer Itrenanstalt 
zegraben hat. Die genannte Dame, die eine vorzugliche Erziehung 
rhalten hatte und eine nicht gewöhnliche wssenschaftliche B'ldung 
hesaß, bewarb sich vor etwa dreißig Jahren um die Stellung einer 
Unterwärterin in der Salpéêtrière, dem bekannten Pariser Asyl 
ür Geisteskranke. Mit Ungeduld wartete sie auf das Freiwerdin 
ꝛiner solchen untetgeordneten, mit den mühseligsten Dienstleistungen 
verbundenen Stelle; endlich ward ihr dieselbe zu Theil, und mit 
vahrer Freude trat sie in eine Existenz, im Vergleich zu welcher 
»as Leben im Kloster wie ein Paradies erscheinen würde. Hinter 
ieser Weltentsagung stedte allerdings ein Geheimniß. Die Mutter 
on Fräulein Nicolle 1tt an Verfolgungswahnsinn. Leyntjne konnte 
ie nicht in ihrer Häuslichkeit pflagen lassen und dewirkte ihre Auf⸗ 
iahme in die Salpériece. Von da ab war ihr einziger Gedanke 
er, sich mit ihrer Mutier dort einschließen zu lassen, um sie noch 
erner pflegen zu können. Wie gesagt, wurtde ihr auch dieset 
Vunsch gewährt. So lange ihre Mutter lebte, verbrachte Fräulein 
sicolle ihre Tage mit der Aufsicht über die ihr anverlrauten Geistes⸗ 
canlen, die wenigen Augenblicke der Etholung aber, welche ihr