Full text: St. Ingberter Anzeiger

Candidalen des Gerichtsvollzieherdienstes den Nachweis des mit Er⸗ 
folg gepflogenen Besuches einer vollständigen Lateinschule zu liefetn. 
9. Nach allerhöchster Berordnung vom 26. Mai 1869 ist die 
Aufnahme von Forstschutzdienst-⸗Adspiranten unter anderem auch be⸗ 
dingt durch den Besuch der 5 Lateinklassen mit der Befähigunge— 
note zum Uebertriit in die nächsthöhere Unterrichtsanstalt. 
10. Rach den vom k. Kriegs-Ministerium am 28. Mai 1875 
erlassenen Besiimmungen über die Aufnahme von Zözlingen in das 
t. bayr. Cadetten⸗Corps loönnen nach g 4 und 10 nur Diejenigen 
zur Prüfung in die J., II. oder III. Klasse dieser Anstalt zugelassen 
werden, welche die drei refp. auch vier oder fünf Klassen einer 
Loteinschule besucht und die Etlaubnißz zum Vorrücken in die nächst 
höhere Classe erhalten haben. 
p Qusel', 20. Aug. Der Student aus Würzburg, dessen 
Velociped⸗Wettfahrt mit der Eisenbahn in vielen Blättern erwähnt 
wurde, befindei sich seit einigen Tagen hier zum Besuch in einem 
ihm befreundeten Hause und erfteut die hiesige Einwohnerschaft 
nuͤcht selten durch seine Gewandtheit. Das sehenswerihe Veloc ped 
interessirt besonders auch das Bahnpersonal, vor Allem die Loko— 
motivführer. Das große Rad des Veloc peds hat eine Hoͤhe von 
1,35 w, d. i. genau die Höhe der Raͤder einer Personenzug 
maschine. 
F In Breitenbach wurde der Feldschütze Goͤliel in der 
Nacht vom 16. auf den 17. Aug. mit einem Kübel kochenden 
Wafsers übergossen, als er schlafend im Bette lag. Göltel war 
Abends, wie es heißt in angeheitertem Zustande, von Waldmohr, 
wo er in der Polizeigerichtssitzung zu erscheinen gehabt hatte, zurüͤck⸗ 
gekehtt. Er ist durch Brandwunden derart verletzt, daß an seinem 
Auftommen gezweifelt wird. Im Verdacht der Tyäterschaft steht 
die Frau des Verletzien, die jedoch leugnet. Göttel ist Vater von 
sechs Kindern. (Goͤttel ist an diesen Brandwunden gestorben). 
pKirchhheimbolanden, 20. Aug. In der Nitters⸗ 
pach'schen Fabrik ereignete sich gestern Nachmuttag ein schrecklicher 
Unglücksfall. Der fünfzehnjährige Sohn des Tünchers Peter Unfrich! 
in der Breilstraße, welcher in der genannten Fabritk beschäftigt war, 
wurde von dem Treibriemen der Transmission erfaßt und mezrere 
Dale herumgeschleude t. Et erlitt an beiden Armen schwere Brüche, 
die beiden Oderschenkel sind gebrochen, außerdem scheint ert bedenkliche 
innere Verletzungen davongeiragen zu haben. 
J. Fahferstaufern, 20. Aug. Zur Beweilstelligung 
einer sachgemäßen, instructiv wirkenden Aufstellung und Anordnung 
der zur landwirthschafilichen Ausstellung zu bringenden Gegenstände 
wird das Komite allen jenen, welche ihre Anmeldung rechtzeitig 
einsenden, für jede angemeldete Gruppe ein Specialformular zur 
Ausfüllung zustellen. Für einzelne Gruppen ist dies bereits geschehen. 
Saarbrücken, 18. Aug. Der erste Deuische, welcher 
1870' in französische Kriegsgefangenschaft gerieth und darin vom 
19. Zuli bis 7. August jenes Jahres bleiben mußte, Herr Kauf 
mann F. H. Müller von hiert, wurde gestern zut Erde bestattet. 
Mit seiner Gefangenschaft hatte es folgende Bewandtniß. Müller 
hatte eine Tochter, welche sich zur Zeit, als der deulsch franzöfische 
Krieg ausbrach, in einem Pensionate zu Nancy befand. Sie hatte 
ihm heschrieben, daß sie am 19. Juli hier eintreffen würde. Da 
aber 'am vorhergeheyden Tage die Züge von Forbach nicht mehr 
hier tiagelaufen waren, so begab sich Müller am 19. Juli früh 
Morgens von hier nach Forbach, um dort seine Tochter zu erwer⸗ 
len.“ Der erste Zug von Meß brachte aber nur frauzösisches Mi— 
litär und keine Passagiere, und als die Soldaten den neugierig 
und vergeblich nach seiner Tochter schauenden Mann sahen, glaubien 
sie, er ser ein deurscher Spion und schlippten ihn zur Kirche, welche 
als Artestlocal diente. Nur mit Mühe lonnte er durch die ihn 
ezrortirenden Soldaten vor Insulten des Pöobels gerettet werden. 
Als er späler auf seinen Wunsch vor den General Frossard geführt 
wurde, koente dieser sich nicht entschließen, ihn frei zu lasseu, er 
gestattete ihm aber, sich in Forbach ein Logis zu suchen, frei herum 
zu gehen und sich täglich drei Mal beim Polizeicomm'ssar zu mel⸗ 
Fen? Als er am Morgen des 6. August fich abermals beim Poli⸗ 
zeicommissar melden wollte, derunc tte ihn der über die Straße 
hummelnde Pödel als Spion und die Soldaten richteten schon ihre 
Chass pois auf ihn. Rechtzeitig bemerkte dies der Commissair und 
rief den Soldaten zu: „Dieser Mann steht unter dent Befehl des 
Fommandanten.“ Darauf schulterten sie ihre Gewoehre und der 
Commissair, der ihn kannte und für unverdächtig hielt, rieth ihm, 
fich in die Wohnung des Bürgermeisters zu begeben, weil er ihn 
nicht mehr schützen könne. Hier wohnte Frossard und er wurde 
qut aufgenommen. Am 7. August früh gegen 4 Uhr rückten preu⸗ 
hische Cadallerie:Regimenter tin und als die ersten preuß schen Sol ˖ 
daten sich sehen ließen, lief er ihnen freud'g entgegen, sie als seine 
Reller aus Todesgefahr degrüßend. Am 7. Morgens 11 Uhyr kam 
er wohlbehalten nach 18giger Gefangenschaft bei den Seinen 
wieder an. Die ausgestandene Angst hatte seine Nerven derart 
angegriffen, daß er bis zu seinem Tode an den Folgen seiner 
Befangenschaft zu leiden hatte. 
2reurnach, 18. ANuaust. Aus Vatris erhielt ein hie— 
iger, in der Neustadtstraße wohnender Kaufmann einen Brief mit 
pigender Aufschrift: „Monsieur Pp- -. KR..40 nögt, 
S3chritt fahren, à Kreurnach.“ — Wer werß, daß in der Nähe 
der Brucke eine Warnuengstafel für Fuhrwerke „Schritt fahren“ 
angebracht ist, wird leicht den Schlüssel zu jener Briefadresse 
find en. J 
Frankfurt, 20. Aug. Vorige Woche wurde ein 
Hursche von den Geschworenen von der Anklage des schweren Dieb— 
tahis freigesprochen. Derselbe benutzte die erlangte Freiheit dazu, 
in demselben Hause, wo ihm der fruüͤhere Diebstahl zur Last geleg 
wurde, einzubrechen und zu stehlen. 
Karlsruhe, 20. Aug. W'ie die „B. L.3.“ hoͤrt, 
st das Hotel Grosse hier an den langiährigen Geschäftsfkührer des 
rothen Huuses“ in Straßburg, Fischer, um den Preis von 
100,000 Franken einschl. Inventar verkauft worden. 
fPassau, 14. Aug. Die Obsternte verspricht heuer bei 
ins einen außerordentlich reichen Ettrag. In unserer ganzen Um⸗ 
Jebung sind die Birn- und Aepfelbäume theilweise mit einer solchen 
Masse von Früchten beladen, daß das rechtzeitige Stützen der nie⸗ 
»erhangenden Aeste zur Nothwendigkeit wird, sollen nicht die Bäume 
erheblichen Schaden leiden. Gegen alle Erwartungen sind aber die 
Nuͤßeaume beladen. Es ist keine Seltenheit, daß ein Zweig dieser 
Bäume mit einem Knäuel von 5 bis 8 Stück ausmündet, so daß 
die Blätter trotz ihrer Breite vor den Früchten verschwinden. 
Münschen, 18. Aug. Zur Bearbeitung der Einführ 
ungsbestimmungen anläßlich der Wirksamkeit der Reichsjustizgesez— 
gebung müssen im Justizministerium die einzelnen Referenten eine 
Thätigkeit entwickeln, welche au's Unglaubliche grenzt. Obwohl 
ille nöth'gen Einleitungen hiezu schon früher getroffen waren, so 
rweist sich der auf den 1. Ockober d. Is. festzesetzte Einführungs— 
ermin ails fast verfrühl und wäre es nach Ansicht hervorragender 
Tapacitäten vottheilhafter gewisen, den genannten Termin auf den 
l. Januar 1880 zu verlegen. 
FKoblenz. In der Koblenzer Zeitung lesen wir fol— 
genden merkwürd'gen Fall von Selbstantlage: Kuürzlich erschien 
juf dem h'esigen Polizeiamt ein Mann und verlangte in Haft ge⸗ 
ommen zu werden, weil er sih einer strafbaren Handlung schuldig 
Jemacht habe. Am verfloss nen Sonntage, so erzählte er, habe er 
n seinem Heimathsorte Rolandseck mit seiner Frau einem Tanz⸗ 
»erguügen beigewohnt, und weil er mit einer Nachbarin ein Tänz⸗ 
hen gemacht, habe seine Ehehäsfte ihn deshalb vor einem zahlreichen 
Publikum geohrfeigt. Hierüber erzürnt, habe er, mit seiner Frau 
iuf der Straße angelangt, diese in den nahe vordeifließenden Rhein 
zeworfen und sei ihr nachgesprungen, um sie noch einige Male zu 
tunten“. Ecst als sie rach ihren Kindern geschrieen, habe er fie 
vieder aus dem Wasser gezogen. Um nicht schmachvoll von der 
Polizei seiner Heimath aufgegriffen und hierher transportirt zu 
verden, habe er sich von Hause entfernt, und bitte nun, doß das 
röchige Verfahren gegen ihn eingeleitet werde. Da der aufgeregte 
Zustand des Mannes so wie dessen recht außeigewöhnliche Mit⸗ 
heilungen der Vecmuthung Raum gestatteten, daß derselbe nicht 
Jjanz geistesllar sei, so wurde die Heimathsbehörde ui Aufklärung 
rsucht. Letztere ist bereits eingetroffen: die Angaben des rtuigen 
Batten beruhen auf Wahrheit. 
Köln, 18. Aug. Das große Dombaufest soll nicht an 
»em Jahrestage der Grundsteinlegung, vielmehr an dem, an wel⸗ 
hem Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1842 den Grundstein zum 
Fortbau legte, gefeiert werden. Von allen den hohen und böchsten 
Zerrfd asten, die der zweiten Grundsteinlegung bewohnten, leben 
iur noch wenige, u. A. unser Kaiser Wilhelm, der damals als 
Prinz von Preußen h'er weilte, und der Domprotst Dr. München, 
zeide jetzt schon in den 80ber Lebensjehren weit vorgerücht. Bei 
»em leßzten Zusammensein versprachen sich beide, sie wlrden, wenn 
nöglich, bei dem Vollendungsfest zugegen sei. (Fr. J.) 
F(Eoretey mit Heidelveeren.) Das ‚Leipziger 
Tageblati“ erzählt: En junger Ehemann aus Leipzig, welcher mit 
einer Auserwählten sich auf der Hohzeitsreise befindet, hot bei der 
Vorüberfahrt am Loreleyfelsen einen Böllerschuß, wie sie dort des 
xcho's wegen adgefeuert werden, sehr theuer bezahlen müssen. Als 
nämlich der Schuß krachte, fiel die junge Frau nicht nur in Ohn⸗ 
nwacht, sondern auch in eine auf dem Verdece des Scheffes neben 
hr stehende Kiepe mit Heidelbeeren. Dieser Unfall koltete ihrem 
Hatien 7 Mk. 20 Pf. für die zerquetschten Beeren, 90 Ml. für 
—VV 
chuhe, 50 M. für eine Pariser Spetzentasche mit darauf gesticktem 
leinen Amor, 8 Mt. 50 Pf. für Wiederherstellung des Paletots 
ind 20 Mt. fuür einen neuen Hut, indem der alte von dem zut 
—X 
Dder Schuß kostete dem Neuvermählten demnach 179 Mt. 70 Pi. 
uud als Zugabe hatte er auch noch den Schreck. 
Em'drolltiger Brief mit der Einlage von 50 Mark 
st dieser Tage an einen Berliner Rechtsanwalt von einem seiner 
Flienten angelommen. Das Schreiben lautet nach der Magd. Zig.: 
.Bester Hert Anwalt. Sie haben mich vor etwa 6 Monaten ver⸗