St. Ingberler Anzeiger.
4—
der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich? mi⸗ dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗
lage) erscheint wochentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis beträgt vierlellährlich
Ac A0 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezozen IA 60 , einschließlich 40 Zustell zebuhr. Anzeigen werden mit 10 —, von Auswärts
mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattschrift odetr deren NRaum, Neclamen mit 30 4 pro Zeile berechnet.
M 142. Sonntag den 7. September
187
Abonnemenis auf dieses Blatt werden für den
Monat September von allen Postanstalten, sowie in
der Expedition oder von den Trägern entgegengenommen.
worden und er wird in Petersburg große Verwunderung herbor⸗
gerufen haben. Der Bevollmächtigte, der den Diebstahl hierher
neldete, ist in den Besitz seines Manufkripts nie wieder gelangt,
»bwohl von hier aus der Wunsch geäußert wurde, das russische
Vouvernement möchte dem Bevollmächtigten bei der Habhafiwerdung
des Diebes behilflich sein. Der Dieb war kein gewöhnlicher
Ztrolch, der goldene Uhren und Klberne Löffel mitgenommen hätte,
ondern es war zweifellos ein recht vornehmer Mann, denn er ließ
Ulles sonst Werthyolle unberührt und nur an dem Manuscript
jatte er Gefallen. Seit dieser Diebstahls-Affaire ist eine Verstim⸗
nung eingetreten, die von Tag zu Tag zugenommen hatte, die aber
u entfernen jetzt endlich Zeit ist, damit sie nicht in Entfremdung
und Bitterkeit ausartet.
Die russische Polizei halte inzwischen in Alexandrowo ganz selt⸗
ame Vorbereitungen getroffen. Sie hatte außer einer völligen Ab⸗
perrung des Bahnhofes auch die Sperrtung der Passage innerhalb
)er Stadt selbst versügt. Außerdem hatte man alle zwanzig Schritt
inen Polizeiposten aufgestellt. Es scheint also, daß die Furcht vor
Nerhilisten oder polnischen Verschwörern den Czaren noch immer auf
Schritt und Tritt verfolgt. Nach einer amtlichen Dedesche wird
daiser Alexander heut Nachmitiag sum 1 Uhr nach Warschau zu⸗
ückreisen. Die Abreise des Kaisers Wilhelm dürfte gegen Mittag
über Bromberg und Dirschau erfolgen, woselbst die Ankunst auf 4
Ahr Nachmittags festgesetzt ist.
Das gelbe Fieber kommt in New⸗Orleans, wie vom
30. v. M. gemeldet wird, wieder zum Vorschein. General B. Hood,
»in Führer der konfoöderitten Armee, ist dort an dieser Krankheit
gestorben. Auch in Memphis hat die gelbe Fieber⸗Epidemie nicht
zachgelafsfen. In der vorletzten Woche des August raffte dieselbe
»1 Personen hinweg.
Bermischtes.
F Die Einfuhr von Wein in das deutsche Reich in den ersten
ünf Monaten dieses Jahres zeigt, wie alle mit Finanzzöllen beschwerte
Artikel (Kaffee, Schmalz u. s. w.), eine ganz außerordentliche Zu⸗
ahme erfahren. Die Einfuhr von Wein in Fässern betrug in dem ein⸗
igen Monat Mai 810,536 Centner (im Mai 1878 128,831 Ctr.),
n Flaschen 66,916 CEtr. (im Mai 1878 18,622 CEtr.) Im
Banzen beträgt die Einfuhr etwa das Vierfache derselben Periode
des Vorjahres: natürlich eine Folge der in Aussicht stehenden Er⸗
jöhung des Zolles auf Wein. Man kann annehmen, daß der
regelmähdige Bedarf unter solchen Umständen auf ein Jahr im Vor⸗
aus mehr als gedeckt ist, und es wird von Interesse sein, die
Wirkung dieser Masseneinfuhr auf das inländisqe Geschäft zu be—
obachten. ( W.⸗H.)
F Wolfstein, 3. Sept. Heute in der Frühe machte der
26 Jahre alte Ackerer Heinrich Klein von Rudolphskirchen im hie⸗
ägen Acrrestlokal einen Selbstmordversuch, indem er sich mit einem
Messerchen, das er vorher versteckt hatte, mehrere Verwundungen
im Halse beibrachte. Klein ist der Brandstiftung verdächtig und
'ollte heute nach Kaiserslautern kransportirt werden. Außerdem
jatte er auch im dortigen Gefängniß Strafe abzubüßen. (Ksrsl. Z3.)
fLandau, 3. Sepibr. In heutiger Polizeigerichtssitzung
vurde Ludwig Herxhauser, Bierbrauer von Kaiserslautern, der vor
einigen Wochen einem der Wittwe Meyer in Bergzabern gehörigen
Pferde in der Nähe des Bahnüberganges auf der Wollmesheimer
Ztraße mittelst eines Messers eine Wunde beibrachte, wegen Thier⸗
juälerei und Sachbeschädigung zu 2 Monaten Gejfängniß ver—
uttheilt. (L. A.)
Speyer, 4. Sept. Die „Pfalz. Zeitung“ schreibt:
GBestern Nachmittag erschien auf unserem Redactionsbureau der Herr
Polizeicommissair Behringer mit zwei Unkterbeamten, um im Auftrag
zer Staatsanwaltschaft in Frankenthal eine Haussuchung nach ver⸗
otenen socialdemokratischen Schriften, an deren Verbreitung wir
zethe ligt sein sollen, vorzunehmen. Nachdem die Herren ihre Durch⸗
uchung vollendet, auch dem Erpeditionslocal einen Besuch abgestattet
salten, entfernlen sie sich, ohne etwas entdeckt zu haben. — Bei
der Redaction des „Pf. Volksbl.“ wurde ebenfalls eine Haussuchung
ordenommen, die resultatlos verlief.“
Aeutsches Reich.
Berlin, 3. Sepibr. Der Eutschluß des Kaisers Wilhelm
zur Begrüßung des Czaren in Alexandrowo ist dem Vernehmen
zach erst im Laufe des vorgestrigen Tazes gefaßt und der ganze
Plan so geheim betrieben worden, daß selbst das Gefolge des
daisers erst vorgestern Mitlag davon Kenntniß erhalten hat. Man
zarf annehmen, daß eine dringende Einladung des Kaisers von
Rußland zu dieser Begegnung vorangegangen ist.
Berlin, 4. Septbr. Der „Reichsanzeiger“ publ'cirt eine
raiserliche Verordnung, durch welche der Bundesrath auf den 15.
September nach Berlin einberufen wird.
Berlin, 4. Sept. (Berl. Tagbl.) Aus Alexandrowo liegen
von der Zweilkaiser⸗Begegnung nur vereinzelte briefliche Privat Nach⸗
ichten vor, da, wie uns von dort geschrieben wird, Bahahof und
Telegraphen-Amt polizeilich abgesperr wurden, so daß es unmög
lich war, Telegramme direkt abzusenden. Aus den uns vorliegenden
Briefen entnehmen wir üdber die Aeußerlichkeit der Zusammenkunft,
daß der Czar Mittags 12 Uhr mit großem Hoftrain ankam und
in der Wohnung des Generals Fixan abstieg. Der Kaiser hatte sich
vesondern großen Empfang verbeten, auch der Kommandeur des Kaiser
Wilhelm⸗Regiments und der Führer des nach Alexandrowo verlegten
Schützen-Bataillons, sowie die anwesenden Generale waren zum
Empfang befohlen worden. Kaiser Alexander begab sich alsbald
nach seiner Ankunft in das Zollhaus und zwar auf einem eigens
für ihn in der Nacht asphaltirten Wege. Wie man sieht, ist für
den Czaren die Zeit der potemkinischen Dörfer noch nicht ganz vor⸗
xüber. Nachmittags 8 Uhr langte Kaiser Wilhelm auf Station
Alexandrowo an, begleitet vom Feldmarschall v. Manteuff˖l und
dven General-Adjutanten Graf Lehndorff und Fürst Radziwill. Kaiser
Alexander empfing seinen kaiferlichen Oheim am Bahnhof, indem
er ihn dreimal herzlich umarmte. Die vom Negiment ‚Kaiser
Wilhelm“ gestellte Ehrenwache wurde darauf von beiden Monarchen
abgeschritten. Der Czar trug die Uniform seines preußischen Ulanen⸗
Regiments, während der deutsche Kaiser diejenige seines russischen
Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm“ trug. Nach mehrmaliger
herzlicher Begrüßzung und Vorstellung des beiderseitigen Gefolges,
vurde das Diner auf dem Bahnhofe eingenommen.
Bezüglich der Sistirung der Silberverkäufe und einer um⸗
jangreicheren Circulation des Silbers wird jetzt bekannt, daß, ab⸗
gesehen von den zur Einziehung bestimmten älteren Jahrgängen der
Silbermünzen, ziemlich alles bis dah'n zutückzehaltene Silber wieder
m Umlauf gesetzt ist. Hierbei soll es aber sein Bewenden haben.
Die Reichskegierung hebt ausdrücklich hervor, daß sie dieses Ver⸗
fahren bei Berathung des Mänzgesetzes bereits sich vorbehalten
habe, daß im Uebrigen aber eine Aenderung der Müͤnzgesetzgebung
auch jetzt durchaus nicht beabsichtigt sei.
Ausland.
In den letzlen Tagen ist in österreichischen Blältern ein eigen⸗
thümlicher Beschwerdepuntt Rußlands aufgetreten. So brachte
—AIX
wonach Rußland über die geheimen Ziele des Fürsten Bismarck
Zenntniß erhalten habe durch die Papiere und Aufzeichnungen des
deutschen Botschafters in Petersburg, die es sich zu verschaffen ge—
vußt hätte und deshalb die freundschaftlichen Beziehungen zu Berlin
gelocker habe. Die Wiener „Presse“ läßt sich nun aus Berlin
zur Geschichte dieses diplomatischen Diebstahles, als dessen Opfer
hbekanntlich jedoch nicht Herr v. Schweinitz, sondern der Militkär—
devollmächtigte Herr v. Liegnitz bezeichnet wurde, das Folgende
berichten:
Der Bevollmächligte halte, wie das allerwärts üblich ist,
eine Beobachtungen in zwangloser Form und mit derjenigen Offen⸗
heit und Ausführlichkeit zu Papier gebracht, die er seinen Auftraq -
zebern, dem Kriegsminister und Reichskanzler, schuldig ist. Der
Bericht war nicht für russische, sondern für deutsche Leser geschrieben