Full text: St. Ingberter Anzeiger

drei blühende hoffnungsvolle Leben in's Grab! Die Ellern deß ver⸗ 
unglückten Geschwisterpaares befinden sich auf Neisen. 
F Aalen, 83.Sept. Ein tragischer Foll ereignele sich gestern 
wischen Schwabsberg und Goldshöfe. Ein flüchtiger, in Bremen 
jestgenommener Soldat aus Ulm sollie durch einen Unteroffizier per 
Bahn nach Ulm verbracht werden. Es gelang ihm zwischen Schwabs⸗ 
derg und Goldshöfe aus dem Fenfter des Personenwagens, in wel⸗ 
dem er transportirt wurde, während der Zug im Laufe war, zu ent⸗ 
springen, ohne Schaden zu nehmen. Die Gefohr des Entrinnens 
lag nahe, der Sergeant gab deßhalb schnell entschlossen, unter Be⸗ 
obachtung der nöthigen Formlichleiten, vom Wagen aus einen Schuß 
auf ihn ab und slürzte sich, in der Meinung, gesehlt zu haben, 
ohne weiteres Bedenken ebenfalls aus dem Zug. Wunderbarer 
Weise blied auch er bei dem gefähtlichen Sprung unverletzt, so dab 
er sofort einen zweiten Schuß auf den Flüchtliag abgeben 
lonnte, der ihm den Oberschenkel durchschlug. Der erste Schuß 
hatte in die Ferse getroffen. Der Unglückliche wurde auf die Station 
Boldshöfe geschafft und mit der Bahn hierher verbracht, er starb 
auf dem hiesigen Bahohofe an den Jolgen seiner Verletzungen un⸗ 
mittelbar nach der Ankunft. 
Paris, 9. Sept. Meldungen aus Bougie in Algerien 
zufolge ist daselbst ein leichter Eidstoß verspürt worden. Die Be⸗ 
vegung dauerte unzefähr vier Minuten und endete mit einem abe 
geseuerten Kanonenschusse ähnlichen Knalle. 
FParis, 4. Sepibr. Einer der berühmten Kuiras⸗ 
fiere don Reichhofen“, der nungehrige Maschinendauer 
Sagnier, erschien gestern vor dem Paoriser Zuchtpolizeigerichte unter 
der Anklage mihrerer einfacher Diebstähle, wird sich aber bald we⸗ 
gen viel schweterer Verbrechen zu verantworten haben. Sagnier 
hat erwiesener Maßen die berühmte Kavallerie ⸗Charge in der 
Schlacht von Wörth mitgemacht und einen Bajonettstich empfangen, 
in Folge dessen man ihn für todt auf dem Schlachtfelde aufhob. 
Er ward aber bald wieder hergestellt, nahm dann an der Ver⸗ 
heidigung von Straßburg Theil, wurde hier wiederum durch einen 
Bombensplitter derwundet und verbrachte nach der Uebergabe der 
Stadt die Zeit seiner Gefangenschaft in Bresluu. Nach der Rück 
lehr in seine Heimath trrat ein bedauerlicher Umschlag in seinem 
Wesen ein: er konnie es nicht verwinden, daß man jseine Dienste 
nicht mit dem Kreuz der Ehrenlegion belohnt hatte, ergab sich dem 
Trunk und kam sogar als Opfer des Absynths in die Irrenanstalt 
vpon Sainte-Anne zu Paris, lonnte dieselde aber bald wieder als 
zeheilt verlassen, und die Aerzte haben ihn auch in dem vocliegen⸗ 
den Prozeß für vollkommen zurechnungsfähig erklärt. Tieser und 
liefer gesunken, verübte Sagnier zuerst einige kleine Diebstähle, 
vegen deren er gestern zu drei Monaten Gefängniß derurtheilt wor⸗ 
den ist; dann aber lauerte er am 12. August auf dem Ftiedhof 
don Saint-Quen einer Dame auf, Übeifiel dieselbe, während sie 
einsam am Grabe ihrer Schwester betete, betaubte sie mit einem 
Hammerschlage auf den Kopf und taubte ihr eine Uhr nnd Keite 
sowie ein goldenes Kreuz, welches fie an Halse truce. Da um 
dieselbe Zeit auf dem nämlichen Friedhof einige ganz ähnliche 
Raubansaͤlle verübt wurden, ist Sagnier auch dieser dringend ver⸗ 
dächtig. Wegen der That vom 12. August wird er demnüchst vor 
die Geschworenen gestellt werden. 
4Das gelobie Land der Haukwirthe scheint gegenwärlig Paris 
zu sein. Von dem Verhältniß zwischen Wirth und Miether, welches 
doti ex stirt, wird man sich eine Vorstellung machen lönnen, wenn 
man auf dem Treppenflur eines Hauses der Rue Rodier einen aus⸗ 
hängenden Ulas liest, von dem uns einer unserer Pariser Korie⸗ 
pondenfen nach dem Original folgende Adschrift giebt: „Vom 23. 
d. M. ab witd die Hausthür pünktlich um 9 Uhr Abends geschlos⸗ 
sen. Die Herren Miether sind somit gehalten, vor der oben be⸗ 
zeichneten Stunde nach Hause zu kommen, resp. ihre Freunde vor⸗ 
her hinaugzulassen. Die Klipgil zum Portier wird abgeschafft, 
tbenso die 12 Gashähne auf Flur und Treppe. (Rotadene: Haus 
schlüssel giebt es in Paris nicht). Die Miether sind verpflichtet, 
zer Reihe nach die Treppe und die Pottierloge scheuern zu lassen.“ 
Lyon, 10. Sept. Gestern früh um J Uhr wurde hier 
ein Etdbeben verspürl. Der Stoß ging von Süden nach Norden 
und dauerie zwei Sekuuden. 
r Das Gesammterträgniß der Ernte in Eugland wird 
auf 50 Millionen Pfund (1 Milliarde Varkh) weniger als in einem 
gzuten Durqschnittsjahre geschätt. 
F Der Pariser „Globe“ erhaͤlt aus Konstantinopel 
zine übertaschende Nachricht. Es handelt sich um nichts Ger ngeres 
als um den Verkauf der Insel Rhodus au Deutschland. Der Fi⸗ 
nanzminister Zuhdi Effendi habe diesen Kauf zuerst der englischen 
Regierung angeboten, und erst als diese ablehnte, soll Deutschland 
au die Reihe gekommen sein. Verzweifelte Geldnoth habe den Sul⸗ 
an getrieben, seine Einwilligung zu dieser Gebietsveräußerung zu 
ertheilen. Wir müssen natuͤrlich dem Pariser Blatte die Verant⸗ 
wortlichkeit fur diese senfationelle Mitiheilung überlassen. 
r Mifsungen der Meerestiese. Das „Philadelphia Ledger“ 
inihält eiren Bericht üder die Forschungbreise des „Tutcarora“ 
inter dem Befehle des Capiläng Belknap. Bei Vermessungen im 
hett des Stillen Oceans, über 1000 Meilen von Cap Flattery 
enifernt, wurde ein 2400 Fuß hoher unterseeischer Berg entdeck. 
die gioßte Tiefe, die ermittelt wurde, betrug 13,240 Fuß. Der 
Brund des Stillen Ocean's ist ein blauer, schwarzer und brauner 
dehm, mit Schlamm und hier und da mit Sand und Kies vermischt. 
7 Galant. Eine junge Dame wurde in einer engen Possage 
von einem Herrn auf ihren wunderbaren kleinen Fuß getreien. 
„Pardon, me'ne Gnädige“, entschuldigte sich der Herr, ‚aber es 
st so schwer, Ihren Fuß zu bemerken.“ Die Dame lkächelte und 
- vergab. 
cLandwirthschaftliches. 
Getreidebericht. Die Ernteergebnisse sind nun zwar 
um größten Theil bekannt; einerseits jedoch fehlt der Speculation 
noch die nothige Klarheit darüber, weiche Wendung das Geschäft 
berhaupt nehmen wird, und andererseits hat man so ziemlich die 
hewißheit, daß Amerila mit seiner reichen Ernte fast den ganzen 
lusfall Europas zu decken vermag. Es hat auch in Amerila die 
lusfuhr schon eine große Ausdehnung angenommen, und haupt⸗ 
ichlich aus diesem Grunde blieb in England der Verlehr beschranlt, 
rotzdem dort eine weit bedeulendere Einfuhr nöthig ist, als im 
zorjahr. Ebenso haben in Frankteich die Käufer eine zurüchal⸗ 
ende Stellung eingenommen und die Courfe konnten sich in voriger 
Woche nicht mehr vollständig behaupten. Belgien dagegen hatte 
iewlich lebhaftes Geschäft, wal durch die dortige vollftändige Miß⸗ 
rnte in Karioff˖ la hervorgerufen wurde. In Oesterreich⸗Ungarn 
ucht man die, gegenüber anderen Ländern außersrdentlich feste 
Stimmung zu erhalten, was jedoch für längere Zeit nicht mehr 
nöglich sein wird, weil die jetzigen Preise dort eher ein⸗ als aus⸗ 
uführen gestatten. (8. M.) 
Gemeinnütziges. 
Fellgift, Wurstgift, Kasegift. Diese drei sebr 
ihnlichen, oft sehr schnell tödsenden und wahrscheinlich in einer durch 
ine Art Gährung erzeugten Säure bestehenden Gifte entwickeln 
ich besonders in nicht genug gesalzenen, zu feucht bereiteten Käsen, 
zwie in schlecht oder zu spät geräucherten und nicht hinlänglich ge⸗ 
alzenen, oder auch aufeinanderliegenden, in verschlossenen, feuchten 
disten eingepackten Wärsten, Schinken, Pasteten und ähnlichen 
Fleischzubereinungen, lassen sich aber steis dadurch leicht erkennen, 
aß, wenn man ein Stück davon stark auf blauem Lackmuspapier 
erumreibt, dieses davon eine rothe Farbe belommt. Auch wenn 
Zchinken oder Fleisch mit Holzessig anstatt des Raͤucherns behandelt 
verden, dildet sich dieses Gift sehr leicht. Zugleich eutsteht dieses 
Hift oft so schnell, daß Dinge, die heute noch eßbar waren, morgen 
hon tödniich werden können. Die Kennzeichen einer solchen Ver⸗ 
sistung sind: bald nach dem Genusse eintretendes Sodbrennen mit 
lebelleit, Gefüihl von Trockenheit im Halse, die später bis in den 
Nund, Nase, Augen und Ohren geht, und endlich sogar die Finger⸗ 
prtzen trocken und spröde macht, wobei die Stimme gewöhnlich bald 
eiser, der Puls langsam und schwach, Hunger und Durst sehr groß 
verden, der Kranke aber kaum etwas schlucden kann. Meist ist auch 
zroße Schwäche dabel, nebst Erweiterung der Pupillen, Trübsschtig⸗ 
eit, Lähmung der Augenlider, Bauchanspannung, Leibschmerzen und 
3tuhlverstopfung. Erfolgt der Tod niqtt bald, so bleibt doch eine 
angwierige äußerst schwer heilbare Krankheit zurück. Die einzigen 
Hittel, die hier helfen lönnen, sind Säuren und Terpentinöl. Zu 
clererst aber trinse man so viel lauwarmes Wasser, als man nur 
ann, um zum Brechen zu reizen, bis alles wieder aus dem Magen 
seraus ist. Ist der Magen entleert, so nehme man dann von Zeit 
u Zeit einen Schluck mit Wasser verdünnten Essigs oder Citronen⸗ 
afles, gurgle den Hals damit aus und wasche sich damit, oder 
jehme von Zeit zu Zeit einen Tropfen Terpentixöl auf Zucker. 
luch starler schwarzer Kaffee sind gute Gigenmittel. Vor Allem 
ꝛber hüte man sich vor dem Genusse dieses Giftes dadurch, daß 
nan nie fauliges, schmieriges, halbsäuerliches, scharfes oder ranziges 
Fleisch, Blut oder Feit genießt, so wenig, als schon seit ein paar 
Tagen bereiteten sauren Schweins⸗ oder Kalbskopf, Prehlopf ⁊c. 
Marktberichte. 
Zweibrücken, 11 Septbr. (Fruchtmittelpreis und Victualienmarkt) 
Beizen 10 M. O9 Pf., Korn 7 M. 68 Pf., Gerste zweireihige 7 M. 0o1 ppf. 
jerteihige 6 M. b7 Pf. Spelz 6 M. 11 Pf., Spelzlern — M. — ÿs. 
dinlkel — M. — Pf., Mischfrucht M. — Pf., Hafer 6 M. 20 pf, 
rbsen — M. — Pf., Widen 0O M. — Pf., Kartoffeln 2 M. 80 5f. 
den 8 M. 20 Pf., Stroh 2 M. 20 Pf., Weißbrod I!/3 Kilogr. 52 Pf, 
ornbrod 8 Kilogr. 78 Pf., 2 Kilogr. 40 Pf., TKilogt. 25 Pf., Gemifchi⸗ 
rod 8 Kilogr. 89 Pf., das Paar Weck 100 Gr. 6 Pf. Rindfleisch J. Qual. 
30 Pf. II. Qual. 50 Pf. Kalbfleisch 80 Pf. Hammelfleisch 60 Pf. Schweinefleisch 
6 Vi. Butter /2 Nilogr. O M. 95 Pf., Wein 1 Liter 80 Pf. Bier J Liter 24 Pf. 
Für die Redaction veraniworilich: JF. XDeme“