Fünsten Vismarck auf dem Westbahnhofe und bei seiner Fahrh von
dort in's Hotel Imperial“. Trotz der späten Stunde waren so
ungeheuere Menschenmassen versammelt, daß die Constabler Mühe
haten, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Auf dem Bahnhof
nußte sich der Stationschef mit allen seinen Leuten abquälen, Raum
dor dem Perron zu schaffen; vor dem Gasthofe hatten die Sicher⸗
heitswachmänner viel Arbeit, ehe sie die andrängende Menge be—⸗
wogen, ruhig ein Spalier zu bilden. Der Kanzler benahm fich
auch den larmenden Ovationen der Menge gegenüber ungleich
jreundlicher als 1864 und 1873: er grüßte nicht nur, sondern er
chwentie sörmlich mehrmals seinen breiten Calabreser, als ihn die
HDurrahs umbrausten. Andrassh begleitete den Händedruck, mit dem
er den hohen Gaft begrüßte, auf das Volk hiuweisend, mit den
Worten: „Da sehen Sie, Durchlaucht, wie man fich freut!“ fast
As wolle er eine ähnliche irsnische Bemerkung, wie sie Bismarck im
Jahre 1873 hier gemacht hatte, abschneiden, einen Ausdruck der
Verwunderung darüber, daß „man uns hier so erschrecklich gerne
hat“; Als Andrassy allein nach Hause sahren wollte, redete Bis⸗
marck ihn eindringuich an: „Wir fahren doch zusammen in die
Stadt!“ Schon das bewies, daß der deutsche Kanzler dieselbe
Gemeinsamkeit der Situation, wie vor 6 Jahren bei der Fahrt über
die Ringstraße herstellen wollle, um nicht allein der Gegenstand so
nusgiebiger Deinonstrationen zu sein. Natürlich entsprach Graf
Andrassy der an ihn gerichteten Aufforderung.
Wien, 23. Sept. Fürst Bismarck stattete heute Besuche
hei'm Erzherzog Wilheim, benm türkischen und französischen Bot⸗
schafter, sowie bern päpstlichen Nuntius ab. Um 5 Uhr fuhren
Füst Bismarck, die Fürstin Bismarck, Graf Wilhelm Bismard und
die Fürstin Odescalchi zum Diner bei'm Grafen Andrassy, zu
welchem 16 Personen geladen waren. Das Diner endete um 7
Uhr, worauf die Gäste, auch die Fürstin Bismarck und Graf Wil⸗
helm Bismard, sich entfernten. Fürst Bismarck und Minister⸗
zräsident Tisza blieben bei Andrassy zurück. Eine halbe Stunde
später entfernte sich auch Tisza, wonach Fürst Bismarck und Graf
Andrassy noch längere Zeit mit einander conserirten.
Wien, 24. Sept. Die österreichische und ungarische Re⸗
Jierung wurde berei.s o fiziell von dem zwischen Bismarck und
Andrassy beschlossenen Zoll und Verkehrsübereinkommen versländigt.
Delegirte beider Regierungen tieten hierüber zur Verathung zusam-
men. Bismarck konferirte gestern über eine Stunde mit dem Nun⸗
sius Jacobini. Abends fuhr er nach Berlin ab. Der Eintritt der
Tzechen in den Reichsralh unter Wahrung des Rechtsstandpunktes
wurde beschlossen, trotzdem Rieger ausdrücklich erklätte, Taoffee habe
jede Concession verweigert und die Czechen immer nur auf den
Reichstath verwiesen.
London, 24. Sept. Dem Reuter'schen Bureau wird aus
Simla (Ostindien) gemeldet, die Vorhut der russischen Expedirion
gegen die Turkmenen sei bei Syeskepl von diesen geschlagen worden
und habe 700 Mann verloren.
Madrid, 22. Sept. Aus Havanna wird geweldet: Der
Generalkapitän gibt bekannt, daß die Rebellen, durch Freiwillige aus
dem belreffenden Orte unterstützt, das Dorf Majari angegtffen, daß
die kleine Garnison aber trotzdem durch drei Tage Wideistand lei⸗
stete, und nachdem sie verstärtt worden war die Rebellen zarückschlug.
Mehrere Sclavenbesitzer haben eine Eingabe an die Reg'erung
gerichtet, in welcher sie die Ergreifung umfassender Maßregeln
derlangen, widrigenfalls sie genöthigt wären, alle Sclaven frei⸗
zulassen, um das Niederbrennen ihter Besitzungen zu verhindern.
Die Kegierung antworfete telegraphisch: sie hoffe, die Sclav.nb. sitzet
werden in Uebereinstimmung mit der kubanischen Reg'erung handeln
und hiebei von Patriotismus sich leiten lassen.
Madrid, 24. Sept. Drei Grundbesitzer auf Cuba, welche
1000 bezw. 1200 und 800 Sclaven besaßen, haben lettere frei⸗
zegeben und mit ihnen füufjährige Arbeitscontracte abgeschlossen;
undere dürften diesem Beispiele folgen. Die Regierung fendet 8000
Soldaten nach Cuba, weil da und dort wieder Aufstandsversuche
portkommen.
mgr
Vermischtes.
Kaiserslautern, 24. Sept. Der Schriftführer eines
hiesigen Kranken Unterstützungsvereins, welcher seine Versammlungen
in der Wirthschaft zum „Gutenberg“ abhalt, hat mit 411 M. das
Weite gesucht. Derselbe ließ Ftau und Kinder zuük. (Es. Z.)
Es wurde genehmigt, daß die Aufsschlageinnehmerei „Neu⸗
hornbach“, Haupzollamtsbezirk Kasserslautern, künftig die Benennung
Aufschlageinnehmerei „Hoenbach“ zu führen hat.
Neustadit, 22. Sepe. Herren Fabrikanten Heck wurde
heute Nacht von ru dloser Hand ein beträchtlicher Schaden zugefügt.
Durch Eindruch in dessen Pechsiederei wurden mehtere Krahnen des
Delreservoirs geöffnet, wodurch ein seht bedeukendes Quantum Oel
in den vorbeifließenden Spey tbach floß.
f Der Vorstand des Geflügelzuchtvbereins Neustadt erklärt
nun officiell, daß die Behauptung det „N. Ziz.“ von einem Deficit
hel der Ausstellung unrichtig sei, das Ergebniß wäre vielmehr ein
ehr günstiges. J
J Wachenbeim, 24. Sept. Bei großer Betheiligung fand
gestern im Saale des Dalbeiger Hofes die Weinversteigerung der
dherren A. Brack Erben dahier, statt. Es würden folgende Preise
per 1000 Liter erzielt: 1877er Wachenheimer, eigene Crescenz.
M. 370 bis 930, Forster Süßkopf M. 475, Bechstein 705, Dürkh.
Z„chenkenböhl M. 630. 1874er eigene Crescenz, Wachenheimer
M. 910 bis 1570, Forster N. 1075 bis 1490. 1876er eigene Cres—
ꝛenz, Wachenheimer M. 650 bis 1690, Lugins'and und Forster
steunmorgen M. 1040, Dürkheimer Schenkenböhl und Wachen—
seimer Völker M. 1075. 1875er Herxheimer M. 555 bis 575,
—XX
dönigsbacher R. 600 bis 820. SFigene Crescenz Wachenheimer
D. 600 bis 1830, Forster Saßkopf M. 1360. Alienburg und
Durth. Schenkenböhl M. 1220, Wachenheimer Hohl und Forster
Bechstein M. 1630. (D. A.)
f In Winzingen sollte am vergangenen Sonntaß ein
Sängerfest stattsinden, wozu die Gesangvereine der Umgegend eine
gjeladen waren. Es war ein Triumphbogen gebaut und die Häufer
nit Fahnen und Kränzen geschmückt worden. Schließlich fehlte
nichts als die Sänger, denn es fand sich nur ein einziger Verein
us mehreren Köpfen ein. Die „Pf. V.“, der wir Vorstehendes
ninehmen, zieht daraus den Schluß, daß eine Uebersättigung an
Festlichkeiten eingetreten sei.
fDie „Pf. Zig.“ schreibt aus der Südpfalz, 22. Sept
War schou disher die vollständ'ge Sicherung der Grundrenten nug
durch die Trausscription der Grundzinstitel möglich gewesen, so
ift die Bethätigung derselben nunmehr angesichts der neuen Justiz⸗
zesetzzebung jevenfalls ein unerläßliches Erforderniß. Es werden
deßhalb die Gemeindeberwaltungen — d. i. die Einnehmereien —
zur Fernhaltung eigener Verantwortlichkeiten gut thun, fragliche
Trausscr ptionen noch vor dem 1. Oct. vollziehen zu laffen.
Speyer. Die kgl. Regierung der Pfalz maqte die kgl.
gezirkeämter auf die Bistimmung des 8 9 der tgl. Verordnung
vom 27. Juni 1862, „die Abhaltung öffentlicher Tanzmusik beir.“
nufmerksam, wonach am zweiten Kirchwerhtage die Abhaltung öffent⸗
icher Tanzmusiten über die festgefetzte Polizeistunde h'naus nicht
Jestattel werden darf.
Darmstadt, 24. Sept. Das neue Lebensmittelgesetz
jußert berets seine Wirkung. Vor enigen Tagen wurden drei
Milchverfälshet mit 20 und 25 M. bestraft und das Urtheil ist im
„Tagblati“? mit Niunung der Namen pubhizirt worden; das fruchtet.
In Heilbronn wurde am 20. ds. die Ehefrau des
Metzzers Feucht von Ziegelbronn wegen Ermordung ihrer beiden
leiblichen Kinder durch Erst ckung mittelst Kohlenoxydgas zum Tode
verurtheilt.
FHanau, 19. Sept. Bei dem Bau der Friedberg ˖ Hanauer
ẽsenbahn ist gestern Abend zwischen 5 und 6 Uhr ein entsetzliches
Unglück passict. Zwischen Windecken und Heldenbergen wird die
Nidder und zwar in einer Höhe von circa 80 Fuß überbrückt. Die
gfeiler standen schon und zum Mauern der Bogen wurde von
z'mmerleuten ein Gerüst aufgeschlagen. Man nimmt an, daß das
Rüstzeug zu schwach war und daß in Folge d ssen der eine Bogen
aumfill, wodurch das çanze Gerüst in die Tiefe stürzte, zahlteiche
Arbeiter mit sich begrabend. Drei Zimmerleute von Heldenbergen,
yon denen der eine verheirathet und Vater von 7 Kirdern ist, süͤnd
odt, fünf größtentheils auch Familienvater, so schwer vetletzt, daß
an ihrem Aufkonmen gezweifelt. Eine größere Anzahl« Arbeiter
rettete sich durch kühnen Sprung. Sechs Bogen sind zusammenge ·
dürzt. Die Bestürzung und Trauer über den schweren Unglücksfall
ist allgemein.
In der Nähe von Kaufbeuren ger'ethen dieser Tagt
zrei Knaben, die im Wald Beeren suchten, au einen Tollkirschen⸗
Steauch; sie aßen von den Frühten, und die Folge war, daß zwei
avon Tags darauf unter gräßlichen Schmerzen der Vergistung
erlagen; den dritten der weniger von der Giftfrucht genossen hatte,
hofft man retten zu können.
f.Auch die in Sisenach versammelten Deuischen Aerzte
jaben de Möglichkeit einer Gefahr bei dem Impfen aneikannt, sie
„aben aber zugleich ausdrücklich erklärt odet „constatirt“, „daß bei
Beobachtung aller durch Wissenschaft und Erfahrung an die Hand
zegebenen Vorlichtsmaßregeln de detr. Gefahr so gering ist, daß
)ieselbe gegenüber den großen Segnungen der Impfung gar nicht in
Betracht gezogen werden darf.“
FKöln. Aus Scher; w'rd nicht selten Ernst. Eine Ge⸗
ellschaft lustiger Vogel zog mit einem angenommenen Dienstmann
zocr einigen Tagen am Abende durch die Stadt und krackitte diesen
veidlich. Als er nach den großen Strapazen Morphens in die
Arme gesunken war, farbte man den Mann gründlich mit Anilin.
Der Dienstmann, der später mutterseelen allein erwachte, nahm als
alle Waschversuche nicht anschlugen, seine Zuflucht zum Staatsan⸗
valt. Os die Spaßvözel im Stande sind, sich am Zuch! polizeige⸗
icht reinznwaschen, muß die Zukunft lehren.