Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M 173. J Samstag, den J1. November 
1875 
»Abonnemenis für die Monate November! du d amese waͤhrend der Reichstagssession doch eigentlich 
llen Postansta ie in kecht wohlfeil gekauft hat. 
un — w en Do Wuͤn e a Ein Artikel des „Deutschen Handelsblattes“, welcher die 
A gern, i ⸗ deutschen Banken im Jahre 1878 eingehend kritisirt, klommt 
entgegengenommen. u dem Resultat, daß daß Jahr 1878 als das letzte der kritischen 
Jahre und zugleich als die Zeit anzusehen ist, welche eine Besser⸗ 
ung einleitete. Die Banken bilden von 1870 bis 1874 die Grund⸗ 
age und den Rückhalt für eine große Reihe von industriellen Un—⸗ 
lernehmungen, welche von jenen oder doch mit deren Hilfe ins 
Leben gerufen und über Wasser gehalten wurden. Die Unfrucht⸗ 
arkeit dieser Unternehmen, die in der Zeit des Niedergangs der 
Industrie in den Jahren 1874 bis 1877 grell hervortrat, setzte 
diese selbst außer Thätigkeit und schlug deren Erzeugern, den 
zanken, schwere Wunden, denen ein großer Theil der Institute 
exlag. Nicht m'nder lähmte die mit der immer zunehmenden Ab⸗ 
pannung und dem Niedergang des allgemeinen Verkehrs sich gel⸗ 
end machende Verengung des Creditbedarfs die Wirksamkeit der 
Zanken und namentlich solcher, welche zum Dienste für übermäßige 
Freditanspüche geschaffen wurden. VTou den zu Anfang des Jah⸗ 
es 1873 für lebensfähig gehaltenen Banken lquidirten bis Ende 
1878 73 Banken mit einem Alktienkaptal von 432, 460,000 Mt. 
rin anderer Theil zeigte lange Zeit die Symptome der Erschöpfung, 
die erst nach und nach schwand. Die Geschichte der Entwickelung 
)er deutschen Banken ist daher analog mit dem historischen Ver— 
auf des industriellen und verkehrlichen Lebens Deutschlands in den 
ebten acht Jahren. Sie repräsentiren in ihrer Blüthe von 1870 
is 1873 den vermeinten Auffckwung, und ihrem geschäftlichen 
stückgang während der Jahre 1874 bis 1877 den Niedergang 
der Industrie und des Handels. Es ist daber von eminenter“ Be— 
»eutung, die Thätigkeit der Banken nach allen Richtungen und in 
allen Zweigen des Bankberkehrs in den verschiedenen Epochen zu 
»erfolgen, um die Spuren ihrer Gesundung zu entdecken, die das 
icherste Merkmal auch für die Gesundung des gesammten wirth⸗ 
haftlichen Lebens dilden dürfte. Es ist von bisondeter Wichtig⸗ 
eit, auf dieses in durchaus objektiver Weise zusammengestellte Ma⸗ 
erial und die daraus sich ergebenden Folgerungen hinzuweisen, da 
ie Feeunde der neuen Wirihschaftispolitik nur allzusehr geneigt 
ein werden, die Besserung der wirthschaftlichen Verhältnisse, welche 
ich bereits im Jahre 1878 vorbereitete, vornehmlich oder gar 
ausschließlich dieser Politik zuzuschreiben. 
Hamburg, 29. Okt. Gestern Abend ist von hervorragen⸗ 
den hiesigen und anderen Aclionären der Rheinischen Eisenbahn an 
die Direktion der Gesellschaft der Autrag ergangen, eine außerordent⸗ 
iche Gegeralversammlung zu dem Zweck zu berufen, den von der 
Regierung vorgeleglen Entwurf wegen Verstaatlichung der Rheinischen 
kisenbahn unter der Modifikation ju genehmigen, daß für die Actien 
rine GV prucentige Reute gewührt werde. Die Antraasteller reprä⸗ 
sentiren ein Actienkapital von 23 Mislionen. 
Deutsches Reich. 
Mänchen, 29. Ock. Abgeordnetenkammer. Der Antrag 
d. Hafenbrädl auf Einführung der Lebensmitteltaxe wird verworfen, 
dagegen der Abänderungsanttag Ruppert angenommen, wonach beim 
Bundesrathe eine Abanderung der Gewerbeordnung dahin zu bean⸗ 
iragen ist, daß der Landesgesetzgebung der Bundesstaaten das Recht 
zustehe, die amtliche Tarifirung der unentbehrlichsten Lebensmittel 
einzuführen. Der Minister des Innern, v. Pf iffer, belämpfte den 
Antrag, indem er bemerkte, derselbe habe wenig Aussichten auf Ge—⸗ 
nehmigung des Bundestathes, da nach den Mittheilungen der 
Bundesregierungen nirgends Klagen über die Aufhebung der Lebens⸗ 
mitteltaxen erfolgt seien. 
München, 289. Oct. Die Kammer der Reichsräthe nahm 
jeute nach dreistündiger, lebhafter Debatte die Malzaufschlags˖ Novelle 
in der Fassung der Abgeordnetenkammer an (d. h. die Erhöhung 
Jiu m 1. Nobember ein.) Die Abstirimung ergab 34 Ja gegen 
l ein. 
Berlin, 28. Oct. Bei den Berathungen der internationalen 
Telegraphen⸗ Konferenz in London hat nach einer oifiziosen Notiz 
auch die angestrebte Einflührung einer einheitlichen Taxe für den 
ielegraphischen Verkehr von ganz Europa einstweilen noch nicht ganz 
erreicht werden lönnen. Es sind aber mit den betheiligten Ver⸗ 
waltungen der Deutschland benachbarten Staaten Verhandlungen 
eingeleitet worden, welche für den hauptsächlichsten internationalen 
Berkehr Deutschlands die Beschränkung der Zahl der Tarxiatze für 
das Wort auf zwei bezwecken: und zwar fur Telegramme nach 
Dänemarck, Holland, Belgien, Frankreich, Schweiz und Oesterreich⸗ 
Ungarn eine gleichmäßige Worsgebühr von 10 Pf. und für Tele⸗ 
qramme nah Großbritannien, Norwegen, Schweden und Rußland 
ꝛine gleichmäbige Wortgebühr von 20 Pf. Die Giundtaxre würde 
in beiden Fallen 40 Pf. sür das Telegramm betragen. Ruf dem 
zesammten europäischen Gebiete wird in Folge der Conferenzbeschlüsse 
zine nicht unerhebliche Ermäßigung der Gebühren eintrelten. Es 
lostet z. B. ein 15wortiges Telegramm nach Italien, Rumanien 
oder Serbien jetzt 4M., nach dem am 1. April 1880 in Kraft 
hretenden Londoner Tarif 8 M., ein Telegramm nach Spanien oder 
dortugal jetzt M. 6.80 bezw. M. 7.60, nach dem Londoner Tarif 
sür beide Lander M. 4; nach der Tuͤrlkei und Griechenland jetzi 
M. 6.50, nach dem Londoner Tarif M. 6. Zum Sitz für die 
nachste im Jahre 1884 abzuhaltende Telegraphen-Conferenz ist Berlin 
Jewählt wo. den. 
Berlin, 30. Oklt. (Abgeordnetenhaus.) Bei der Prä⸗ 
üdentenwahl werden abgegeben 899 Stimmzettel, von wel⸗ 
hen 17 unbeschrieben sind; die absolute Majorität beträgt somit 
192. v. Köller (konservatib) erhäit 218, v. Bennigsen 164 Stim ⸗ 
men. v. Köller nimmt die Wahl dankend an und verfpricht 
trengste Unparteilichleit. v. Benda (nat. liberal) wird mit 220 
don 398 Stimmen zum ersten Vizepräsidenten gewählt, 155 Sum. 
nen fallen auf Graf Bethusy Huc. v. Benda nimmt die Wahl 
uin. Zum zweiten Vizep asidenten wird d. Heeremann ( Zentrum) 
mit 215 Stimmen gewahlt. Bethusy Huc erhält 167 Slimmen, 
beeremann hat die Wahl angenommen. 
Die Verschmelzung der preußischen Konserdativen ist 
gorgestern Abend zu Stande gekommen; wenige Mitglieder des 
ꝛechten Flügels unter Herrn v. Meyer (Arnswalde) sind fern ge⸗ 
blieben. Die Platzvertheilung in der Kammer hat 98 National⸗ 
iberale und 11 der Partei zunächststehende Abgeordnete ergeben. 
Die Partei ist also doh sehr sanulich beieinandert Die Freikonser⸗ 
getiven sollen eine Fusion mit den Nationalliberalen anstreben, diese 
aber sind abgeneigt und thun daran auch ganz recht, ein festes 
dündniß ist da besser als eine Fusion. Die Klerikalen sind über 
ie Thronrede richtig entiduscht und verstimmt und sehen jeßt ein, 
Bermischtes. 
* St. Ingbert, 80 Ott. In der gestrigen Sitzung 
des hiesigen Schöffengerichts kamen nachsolgende Fälle 
zur Verhandlung und Aburtheilung: 
Drei junge Bergleute, schon öfters bestrafte Individuen von 
hier, 24, 21 und 18 Jahr alt, wurden wegen groben Unfugs, 
her eine zu 45, der andere zu 28 und der dritte zu 14 Tagen 
daft verurtheilt. Ein Nagelschmied von hier erhielt wegen dessel⸗ 
ven Vergehens 8 Tage Haft. Ein anderet 19 Jahre alter Berg⸗ 
nann vos hier bekam wegen Körperberletzugg 2 Monat 14 Tage 
Befaäͤngniß und wegen groben Uafugs 3 Taje Haft. Ein Berg⸗ 
nann von Hassel, 21 Jahre alt, erhielt wegen groben Unfugs 
Tag Haft; ein anderer 20 Jahre alter BVergmann von hier 
vurde diesselben Vergehens wegen zu 8 Tagen Haft verurtheilt, 
vähtend ein 21 Jahre alter hiesiger Bergmann wegen Koͤrperder⸗ 
etzang zu einer Gefängnißstrafe von 1 Monat verurtheilt wurde. 
— Deiftere Bestrafungen, Gebrauch des Messers und üble Beleu— 
nundung traten haupisaͤchlich als erschwerende Umstände auf. 
In Walshausen hat sich am 13. Oll. ein graßliches