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M 189. Samstag, den 29. November
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Nußland und Deutschland.
Moskau, 20. Nov. Unter diesem Tilel bringt die rus⸗
sijiche Monatsschrijt „Rußkaja Retsch“ einen längern Ariikel, für
welchen der Tutel „Geschichte des Deutschenhasses“ in Rußland be⸗
jeichnender wäre, mit einer solchen Genauigkeit verfolgt der Ver⸗
jassee seine Entstehung und Entwicklang, von dem Zaren Johann
dem Schrecklichen an bis auf die neueste Zeit, wo die Poluik des
„Mannes von Blut und Eisen“ die Drutschen Rußland gegenüber⸗
zestellt. Ein ähnliches Wert hat die russische Presse trotz ihrer
maßlosen Ausfälle gegen Deutschland nicht aufzuweisen, denn noch
nie hat man den Deutschen in so ungeschminktet Rede gesagt:?
„Wir hassen euch, weil wir euch hassen müssen — weil wir ein
Recht dazu haben.“ Es duürfte für unsere deutsshen Leser nicht
uninteressant sein, zu erfahren, weshalb und wie sehr die Deutschen
in Rußland gehaßt werden; wir führen daher Einiges aus der ge⸗
nannten historischen Abhandlung in der russischen Monalsschrift an:
Die Freundschaft zwischen Rußland und Deutschland ist eine
rein persönliche, zufallige. Sie ist auf der Persoͤnmichkeit beider
Monarchen, auf verwandischaftlichen Beziehungen und deren Ver—⸗
gangenheit begründet; diefelbe wurzelt jedoch nicht im Bolke und
hat keine Zukunft. Der erste deutsche Name, welcher wie eine Ge⸗
witterwolke über Rußland emporstieg und unsägliches Elend über
das Land brachte, war der Name des Deutschen Biron, und von
dieser unseligen Epoche des vorigen Jahrtunderts faßte der Haß
gegen die Deutschen im russischen Volke Wurzel. Nach der fran⸗
zoͤsischen Ivasion vom Jahre 1812, heißt es weiter, und haupt
jächlich während der Regierung des Kaisers Nikolaus wurde Nuß⸗
land von einem Heere deuischer Gutsverwalter überschwemmt, welche
nach und nach Adelsrechte erwarben und selbst Gutsbesitzer wurden.
Diese deutschen Verwalter und Gutsbesitzer wurden erbarmungslose
Blutsauger der russischen Bauern und behandelten dieselben mit kall⸗
blütiger Grausamkeit nicht desser als das Zugvieh. Seit dieser
Zeit wuchs im russischen Volke Jene feindliche, bitteren Haß ath⸗
mende Stimmung gegen die Deutschen empor, und dieses Gefühl
Jat sich erhalten und ist erstarkt bis auf den heutigen Tag. Vaß
im russijchen Gemüthe nichts liegt, was es zu dem Deuischen zieht,
ist eine Thatsache, die jedet Russe erkennt, und daß jeder Deutsche
uns von ganzer Seele wieder haßt, ist es nicht weniger. ..
Zwischen dem russischen und dem deutschen Volke ist nicht die ge⸗
ringste Sympathie und es hatte auch nie eine solche gegeben. Diese
Sympathie besteht auch nicht bei den intelligenten Classen, welche
lich in Folge vieler Ursachen in großer Mehrzahl zu den Franzosen
hingezogen fühlen; sie ist bei den Armeen beider Reiche eben so
wenig zu finden. Was in letzter Zeit als Sympathie hätie erschei⸗
nen koͤnnen, war weiter nichts als der gegenseilige Austausch äußer⸗
licher Hoͤflichkeiten, von welchem die Masse des russischen Heeres
unberührt geblieben. So eischeint denn als einziges Band einer
Freundschaft zwischen Rußland und Deuischland die Freundschaft
heider Monarchen. Doch Monarchen sind slerblich. Es ist unzwei⸗
felhaft, daß Rußland auch nach demselben noch lange nicht in die
kaurige Nothwendigkeit verfetzt sein wird, Deutschland den Krieg
zu erklären, ob wir aber von deulscher Seite eine genügende Bürg⸗
schaft vor einem solchen Schritle haben, dürfte eher zu bezwei⸗
eln sein.
Der ˖ Versasser geht in die Geschichte zurück und bezieht sich
auf Episoden und einzelne Umstünde, welche den deutschen Namen
in Rußland anrüchig gemacht und den Haß gegen die Deutschen
nach seiner Anlicht als gerechtfertigt erscheinen lassen. Und aller⸗
dings ist es wahr, daß die Stimmung gegen Deutschland eine
höchst feindselige ist — darüber darf man sich in Deutschland nich
sMuschen — und die Partei, welche den Krieg wünscht, stärket und
zahlteicher, als man vdielleicht glaubi. Wir dürfen aber hoffen, daß
dem boͤsen Willen die Macht des Vollbringens fehlt. (Köln. 3.)
München, 26. Nov. Se. Maj. der Konig haben geruht
den Oberstlämmerer Frhrn. Pergeler v. Perglas zu den Hochzeits⸗
teierlichkeiten nach Madrid abzuordnen.
Berlin, 25. Nov. In Betreff der Garantieforderungen
bei dem Ankauf der Eisenbahnen verlautet in Abgeordnetenkreisen,
zaß sich die Nationalliberalen, Conservativen und Freiconservativen
n einer Conferenz dei dem Minister Maybach über folgende Vor⸗
chläge geeinigt haben: Der Minister setzt die Tarife fest. Ein
dandeseisenbahnrath, aus den Vertretern der Industrie, des Handels,
»er Gewerbe, der Landwirthschaft und anderen Interessentenkreisen,
Hitgliedern der beiden Landtagshäuser und den Veriretern einzelner
Brovinzen, gewählt durch die Vrovinzial Landtage, wird niedergesetzt.
Der Eisenbahnrath, für den ein besonderes Reglement ausgearbeitet
vird, hat nur eine consultative Stimme und muß die von dem
Minister errassenen und vorher zu publicirenden Tacife und andere
kisenbahnangelegenheiten prüfen und dem Minister ein Gutachten
abgeben. Dem Minister bleibt die Ausfrhrung oder die Nichlaud⸗
'ühruug des Votums des Eisenbahnraihs überlassen. Dem Land⸗
age sind alljährlich die erlassenen Normaltarife als Etatsanlage
deizugeben behufs der öffentlichen Discusston derselben. Dem Land⸗
age wird ein begutachtendes Votum eingeräumt. Die von Miquel
entworfenen finanziellen Garantien verlangen eine gesonderte Kasse
)er Eisenbahnverwaltung, sowie die Verwendung eiwaiger Ueber⸗
chũsse theils zur Schuldentilgung, theils zur Bildung eines Reser⸗
vefonds.
Das Projekt der Kanalisation des Mains von
Frantfurt a. M. bis an seine Mündung in den Rhein, welches
der Finanzminister in seinen erläuternden Bemerkungen über die
Finanzlage bei Einbringung des Etats im Abgeordnetenhause in
Aussicht stellte, kann nunmehr als im Ganzen asgeschlossen angesehen
verden. Mit den belheiligten Staaten, Bayern und Hessen⸗Darm⸗
tadt, sind die hiecauf vezügl'chen Vereinbarungen getroffen und der
ocmelle Abschluß der Verträge steht nahe heror. Außerdem hatte
»as Ministerium der öffentlichen Arbeiten als Vorbedingung des
Baues die Forderung aufigestellt, daß die Stadt Frankfurt a. M.
ich zur Uebernahme der Kosten sfür den Bau des nothwendigen
tädtischen Hafens verpflichte. In den letzten Tagen nun haben die
ZStadtbehörden Franlfurts die bündigste Erklärung dahin abzegeben,
zaß sie die Hafenbaukosten in Höhe von 1250 0009 Mt. übernehmen
vollen. Damit sind alle Vorbedingungen erfüllt und die Einbring⸗
ing eines Nachtragsetats an den Landiag zur Bew'lligung der Ge⸗
ammitosten resp. Focderung der ersten Baucate ist binnen Kurzem
u erwarten.
NKussand.
Kopenhagen, 26. Nov. „Dagbladet?“ schreibt auläßlich
»es Besuches des Königs in Berlin: Unsere bisherige reservirte
daltung war der Ausdruck berechtigter Befühle. Es sei jedoch ein
Mißberstanduißß, wenn Deutschland glaube, es prägten sich darin
eindselige Hintergedanken aus. In Danemark hertsche nur Eine
Neinung vor von der Nothwendigkeit und Bedeutung freundschaft⸗
icher Beziehungen zu Deutschland. „Unsere Wünsche für gute Be—
ziehungen sind aufrichtig.“ Füc Deutschland werde der Besuch ein
Beweis sein, daß wir die Beziehungen zu Deuischland, wie diejenigen
zu den anderen großen europäischen Mächten betrachten. — „Fädte⸗
andet“ äußert sich in ähnlicher Weije.
Rermischtes.
*Si. Ingbert, 28. Novbr. Auf der gestrigen Oemes⸗
heimer Waldjagd der Herren Gebr. Krämer wurde IKeuler im
Bewichte von 180 Pjid. geschossen, außerdem 2 Rehböcke, 2 Füqse
und 12 Hasen.
F In Zweibrücken kam bei der Stadtirathswahl der
Fall vor, daß 96 auf den Schreiner Wilhelm Haldy gesallene
Stimmen kassirt werden mußten, da voch ein anderer Schreiner
gleichen Namens existirt und der Wahlausschuß nicht in der Lage
war, zu unterscheiden, wer von Beiden gemeint war.
fOrmesheim, 28. Nov. Gestern ereignete sich auf
der zur hiesigen Gemeinde gehöcigen Ziegelhüne des Herrn Dawo
zin großes Unglüch, inden der Sohn, ein junger vecheiratheler und
PVeutsches Reich.
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der intetnationalen Kunstausstellungslotterie wurde abermals und
war auf nicht weniger als auf weitere 8 Monate (26. Febr.)
oderschoben.