Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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1879. 
M I93. 
Deutsches Reich. 
München, 3. Dez. Der Ausschußbericht des Neichsraths⸗ 
referenten über die pfäzischen Bahnen erklärt sich unter der Voraus⸗ 
jetzung einer nur 4Aprocentligen Zinsgatontie für die sofortige In⸗ 
angriffnahme der Lauterthalbahn. 
München, 3. Dez. (Abgeordnetenlammer.) Bei der Be⸗ 
rathung der Nachweisungen zum Etat der Staaisdienerpenfionen 
oro 1875 und 1876/77 rugt Abg. Selluer das stete Anwachsen 
dis Pensionsfonds und das unnö hige Persioniren so vieler Be⸗ 
amter im üstigsten Mannesalter. Die Sitzung wird 12 Uhr 45 
Minuten auf Freitag früh 93 Uhr vertagt. Tagesordnung: 
Vorberathung der vier neuen Steuergesetzeniwürfe und Berathung 
des Antrages Hafenbtäds. 
Berlinn, 3. Dez. Nack einem Telegramm der „Nordd. 
Allgem. Zig.“ aus Posen wäre konstatirt, daß in Warschau und 
Rufsisch⸗Polen die Renderpest sich immer mehr verbreitet. Man 
glaubt in Folge Dessen von preußischer Seite eine militärische 
Brenzsperte eiwarten zu müssen. 
Die Augsburger „Allgem. Ztg.“ berichtet aus Berhin: 
„Tin vielverbreitetes Gerücht will wissen, die Verhandlungen zwischen 
der Reichsregierung und der Kurie seien gescheitert oder dem Schei⸗ 
tern nahe. Die Kurie verlangte angeblich die Rehabilitirung 
Wiedereinsetzuug) sämmtlicher Bischöse. Allenfalls wollte sie einige 
zum freiwilligen Rücktritt bewegen. Vergebens sei diesseins auf das 
Beispiel Belgiens hingewiesen worden. In Abgeordnetenkreisen 
wollte man behaupten, das Zentium werde demnächst zur Opposition 
Mrücktehren.“ 
Landrath der Pfalz, 
Speier, 1. Dez. Die Landraths⸗Session wurde heute Mitiag 1 Uhr 
mit eiuer Ansprache des Herrn k. Regierungspräfidenten der Pfalz eröffnei. 
derr v. Braun gedachte zunächst mit warmen Woriten der Verdienste der hin⸗ 
zeschiedenen Landrathsmuͤglieder, der Herren Pfarrer Ney von Muttersiadt 
ind Rothhaas von Kandel, an deren Stelle die Herren Dekan Lynck von 
Speier und Kaufmanu Tuürr in Germersheim zu treten hätten. Das Land⸗ 
rathsmitglied Herr Ludwig Mayer, Rentner in Landau, habe unter Vorlage 
ꝛines ärztlichen Zeugnisses um Urlaub sür die Dauer der Sessfion nachgesucht. 
Aus dem Voranschlage, der nur sehr wenig neue Positionen enthalie, 
ei ersichtlich, daß die Kreisumlage sich gegen das Vorjahr abermals um 
Iꝰ /no pCt. verringert habe. Dem Antrage des Landraths entsprechend wurde 
ein neuer Vertheilungsplan der Zuschüsse zu den Lateinschulen, welche Ge— 
meindeanstalten sind, entworfen. Die Rechnung für das Tienstbotenstift 
verde zum ersten Male vorgelegt, die überraschende Inanspruchnahme dieses 
Instituts habe dessen Bedürfniß außer Zweifel gestellt. Als Landrathspräfi- 
dent wurde Herr Dr. Jacob, als Sekretär Herr Heydenreich gewählt. 
2. Sitzung. Das Urlaubsgesuch des Herrn Ludwig Mayer wurde be⸗ 
willigt und die Wahlen der Herren Lyncker und Dürr gutgeheißen. Es 
folgt sodann die Wahl des Ausschusses. Es wurden gewählt: In den J. Aus⸗ 
schuß (Kreisfonds.) Janson, Jenet, Irblich, Krämer, Frentzel, Auffarth, Schnei⸗ 
der, Stöpel. II. Ausschuß (Kreisanstalten). Krämer, Janson, Frölich, Dr. Buhl, 
sönig, Krieger, Spies, Stalter, Wolf, Dr. Zöller. III. Ausschuß (Straßen-⸗ 
und Rheindämme). Munzinger, Dürr, Wolf, Jenet, Krämer, Frentzel, Auffarth, 
Spies, Fisch. IV. Ausschuß (Schulwesen). Dr. Buhl, Lyncker, Munzinger, Krie⸗ 
ger, Schneider, Dürr, Huth, Fisch, Dr. Zöller. V Ausschuß (Wunsche und An—⸗ 
räge) Huth, Lyncker, Dürr, Heydenreich, Dr. Buhl, König, Wolf, Stalter, 
Stöpel. Die an erster Stelle Genannten sind die Vorsitzenden der Ausschüsse. 
Diesen wurden hierauf die Rechnungen pro 1878 und die Budgets pro 1880, 
dann eine Anzahl besonderer Vorlagen der kgl. Regierung übergeben, von welch 
etzteren wir nachstehende hervorheben wollen: Anschaffung von Materialien für 
die Lehrwerkstätten der Kreisbaugewerkschule; Vertheilung des Staatsbeitrages 
für Herstellung und Unterhaltung der Distriltsstraßen in der Pfalz pro 1879; 
den Personalstand des Landrathes: Erhöhung des Sprunggel es beim Landge⸗ 
stut Zweibrüden; Pachtverhältnisse auf dem Eichelscheiderhosgute des kgl. Land⸗ 
pestütes; Rechnung des Dienstbotenftiftes pro 1878; Subventionsbeitrag aus 
Kreisfond zu den Kosten des Pferderennens zu Zweibrücken pro 1880; Beiträge 
een aus Kreisfonds für Neubau und Unterhaltung der Distriltsstraßen 
u. s. w. 
Speier, 2. Dez (3. Sitzung.) Der Landrath befaßte sich in der heutigen Sitzung 
nit der Abhör folgender Rechnungen pro 1878: 1. Kreishilfskasse. Einnahmen 
37,480 Mi. 26 Pf. Ausgaben 835,404 M. 94 Pf. Ueberschuß 2045 M. 82 Pf. Das 
Bermögen hat sich im Jahre 1878 um 8524 M. 35 Pf. vermehrt und beträgt 
10,814 M. 71 Pf. 2. Waisenhaus Blieslastel: Einnahmen 11,264 M. 22 Pf., 
lusgaben 6358 M. 64 Pf. Ueberschuß 4905 M. 58 Pf. Vermoͤgensstand Ende 
878 98,582 M. 2. Waisenhaus Homburg: Einnahmen 16,815 M. 47 Pf. 
lusgaben 11,362 M. 59 Pf., Mehreinnahme 5152 M. 88 Pf., Gesammtver⸗ 
ndnen 182,862 M. 6 Pf. 4. Brandverficherungsanstalt: Die Einnahmen be⸗ 
ragen 666,928 M. 7 Pf., die Ausgaben 648,233 M. 77 Pf.; die Brand⸗ 
chaden pro 1878 betragen 528,022 M. 18 Pf. 5. Maximiliangetreidefonds: 
kinnahmen 36,4562 M. 73 Ps., Ausgaben 86,420 M. 92 Pf. Activrest 31 
M. 81 Pf. Das Vermögen beträgt Ende 1878 851,046 M. 25 Pf. 6. 
Prinz⸗Carl⸗Fonds: Einnahme 1375 M. 66 Pf. Ausgabe 1886 M. 66 Pf., 
mithin Mehrausgabe 11 M. Der Bermögensstand beträgt 84,880 M. 72 
Pf. Sämmtliche Rechnungen erhalten die Genehmigung deß Landrathes — 
Rächste Sitzung morgen Rachmittag 4 Uhr. Tagesordnung: Lateinichulen. 
Seruiisutes. 
Der Reichstagsabgeotdnete Dr. Buhl in Deidesheim 
hjat in der vergangenen Woche einen mehrtägigen Jagdbesuch des 
dekanntlich in Straßburg dem Feldmarschall Manteuffel beigegebenen 
Brasen Wilhelm Bismarck empfaugen. 
Frankenthal, 1. Dez. Geslern langten hier 13 
Doppelwaggons Tabalstengel und Tabalrippen an, die für Rechnung 
einer großen Mannhe mer Tabalhandlung in der früheren Cichorien⸗ 
abrik von Heller & Peters zerkleinert und geröstet werden. Wer 
olchen eolossalen Quantitalen geg nüber noch an die famose Ge⸗ 
chichte glaubt, daß diese Stengel als Material zu Taubenuesiern 
Verwendnng finden, zahlt einen Thaler. (F. 3.) 
f In Bergzabern wurde am Samstag Kalbfleisch zu 
30 Pf. per Pfund verlauft. Nach dem „S. W.“ wurden die he⸗ 
reffenden Metzgerlaͤden förmlich gestürmt. 
F Neuester baierischer Bierspruch.) Biedere besonders begabie, 
zrade, brauchbare, bein Brauen bewährte baierische Bier Brauer⸗ 
Bursche bereiten belanutlich beständig bitteres, braun blinkendes, 
hdereits bei Bismarck beliebtes, bebaglicch belommendes baierisches 
Bier. Beifrindliche, bärbeißige, beihoͤrte Bachsbrüder behaupten 
zeharrlich bei dalerisben Bierbrauern, baierisch Bier berausche bloß 
zringe bestimmt böses Blut, bereite bei bummelnden Bürgern breite 
häuche, befriedige blos blöde beschränlle Bierbanlbrüder, befördere 
ald blühenden Blödsinn, breche bald bedauerlichem, bodenlos bos⸗ 
Ausfand. 
London, 2. Dez. „Daily Telegroaph“ meldet angeblich 
„aus sicherster Quelle“, die Regierung habe vollgültige Beweise in 
händen, daß die Pforte wieder ihe altes Doppel-Spiel treibe, in 
dem dieselbe zu gleicher Zeit, als sie dem englischen Gesandten Sir 
Layard die bindendsten Versprechungen für die Einführung von Re— 
jsormen in Kleinafien gab, mit Rußland paktirte. In dem zwischen 
dem russischen Gesandten Fürst Lobanoff und Said Pascha abge⸗ 
schlossenen Vertrage sind verschiedene Punlte genau festgestellt, die, 
falls fie von der Pforte verlangt werden, zu einem Schutze und 
Trutzbündniß zwischen Rußland und der Törkei führen und sei es 
auch gegen garz Europa. Der Cjar sowohl wie der Sultan sollen 
den Vernag bereits unterzeichnet haben. 
Petersburg, 2. Dez. Die Nachrichten der auewär⸗ 
tigen Presse über die Ernennung des Domänenministers Walujeff 
zum auswärttigen Minister lan Gortschatoff's Sielle] entbehren der 
Begründung; in Regierungskreisen ist nicht das Geringste davon zu 
hören. Fürst Gorischatoff hat bisher nicht um seine Eniassung 
nachgefucht; sollte er es thun, so scheint geh. Rath Giers, der das 
auswurtige Ministerium waͤhrend des größten Theiles des Jahres 
thauschlich leitet, als Nochtolger zur Hand zu sein. 
Moskau, B. Dez. Gesiern Vormittag 11 Uhr fand aus 
Anlaß der Antunft des Kaisers eine Auffahrt zum Kremu⸗Palast 
statt. Vor dem Erschemen des Kaisers verlas der Adelsmarschail 
die Nachricht von der vorgestrigen schrecklichen Katastroph⸗. Alle 
Anwesende waren zuerst we betäubt, alsdaun brach allgemeiner 
Jubel und lautis Hurtahrufen aus. Der Kaiser erschien im Georgs 
Saal nach 12 Uhr, nahm von der Stadtgemeinde Brod und'Salz 
entgegen, und hielt dann folgende Ansprache: „Ich freue mich, 
meine Herren, Sie weeder zu sehen. Ich gedenke der treuen An⸗ 
bänglchkeit, de Sie mir anläßlch des iraurigen Ereignisses vom 
2. April kewiesin. Deeselten Gesühle wurden mir aus allen 
Begenden Ruflands ancelündigt. Sie werden schon don dem gestrigen 
Ereignisse gehört haben. Gott rettete mich, sowie alle die, wesche 
mit mir nach Moskau fuhren. Um Rußland besorgt, seße ich mein 
Vertrauen auf die Vorsehung; doch muß der aufrührerische Geist 
auegerottet werden. Ich wende mich an Sie und alle wohlgesinnten 
deute behufs Vertilgung des Uebels, welches schon Wurzel gefoß! 
hat. Ich wende mich an die Eltern; führt Euere Kinder auf den 
Beg der Wahrheit und des Guten, um keine Bösewichte, sondern 
aützliche Maͤnnet, wahre Burger Rußlands heran zu ziehen.“ Diese 
Woctle wurden mit Jubelrufen aufgenommen.