Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberler Anzeiger. 
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Aß 22. 1879. 
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Deutsches Reich. 
Mäünchen. Die Abgeordnetenkammer, bhat heute in ge⸗ 
heimer S zzung die Wahl eiaes Ar hivars dezs Land!azes vorgenom⸗ 
men; es wurde unter den drei vom Ausschuß in Vorschlag ge⸗ 
hrachten Bewerbern Herr Dobner, Buceau-Ditector der Asgeord⸗ 
gdeteufamm?r, mit 84 Stimmen von 143 Votanten gewählt. Das 
Resultat wird nun der Reichsrathskammer mitgetheilt. — Wie ich 
ernehme wird zur goldenen Jubelhochzeit des d'utschen Kaser⸗ 
paares auch vom Magistrat und von den Gemeindebevollmächtigken 
Münch⸗ns eine Ehrung vorbereitet. 
München, 4. Febr. Se. Maj. der König hat befunden, 
daß kein Grund bestehe, die durch Urtheil des Schwurgerich shofes 
don Mittelfranken vom 20. November v. J. gegen den Taglöhnet 
Georg Ulherr von Malmsbach wegen Ermordung seiner sieben 
Jahre alten Tochter ausgespro hene Todessteafe aus Gaade zu 
nildern, daß daser in diesem Falle der Gerechtigkeit ihe Lauf zu 
ass.n sei. 
Berlin, 6. Febr. Fürst Bismarck ist mit Familie gestern 
Abend aus Friedrichsruhe hier eingetroßfen. 
Die lange Abwesenheit des Reichskanzlers wird in Berlin 
allgemein störrnd empfunden. Dem „Fekf. J.“ schreibt man in 
dieser Beziehung: „Ware der Reichskanzler leidend und deßhalb 
auf Urlaub, so würden alle laufend'n Geschäfte vom Vizekanzler 
Brafen Stolberg besorgt werden; allein der Kanzler ist gesund, 
und er verlegt, man weiß nicht weßhanb, seinen Wohnsitz von hier 
aach dem entlegenen Friedrichsßruh, wohdin nun ein Beamten⸗ und 
Depeschen⸗ Andrang stattfinden muß, der außerordentlich viel Störs 
ungen im Geschäftsbetrieb zur Folge hat. Das deutsche Reich 
empfängt seine Direktiven von einem lauendurgischen Otte aus, der 
jür Personen wie für Telegramme schwer zu erreichen ist; denn 
die vielen Beamten, die gendthigt sind zum Reichskanzler zu reisen, 
Jaden beinahe eine Tagereise zurüchzulegen, und direkt nach Fried⸗ 
richstuh gehen nur zwei Drähte. Das aber ist für die Masse von 
Beschäften zu wenig, und als leidige Folge ergibt sih eine be⸗ 
lagenswerthe Ver ögetung aller schwebenden Sachen. Unter der 
Abwesenheit des Kanzlers leiden sämmiliche Ressorts, die preußischen 
wie d'e des Reichs.“ 
Berlin. Da das preuß. Abzeordnetenhaus den Antrag 
der Ultramon'anen, die bis setzt noch nicht aufgelösten Klöster ꝛc. 
ortbestehen zu lassen, zurückwies, hat eine große Auzahl von 
Damen aus Rheinland und Westphalen eine Pelition an den 
daiser gesandt, worin derselbe ersucht wird, die alten Ordensge⸗ Aussland. 
nossenschaften Ronnenwerth und Ahrwciler ihrer Bestimmung zu Wien, 5. Febr. Die „Polit. Cotresp.“ meldet aus Sku⸗ 
erhalten. Die Adresse zählt 2000 Unterschriften, das Titelblatt ari vom 5.: Vorgestern wurde in Virbazar von den türkischen 
jeigt einen Kranz von Kornblumen, ducchwirkt mit Aehren, und ist und montenegrinischen Bevollmächtigten das Protokoll unlerzeichnet 
jon einer Schleife in den deutschen Landesfarben zusammengehalten. vonas Spuz am 7. d. und Podaoritza am 8. d. an Montenegro 
Man ist auf den kaiserlichen Bescheid seht gespannt. Angenommen äzu übergeben sind. 
vird, daß der Kaiser die Petilion dem Cultusminister zur Brant⸗ Wien. Die „Presse“ erfährt, die österreichische Regierung 
wortung übergeben wird. habe Vorsorge getroffen, daß dem Gesundheitszustande in Konstan— 
Der Reichsstaz tritt am 12. d. M. in eine der w'chtigstn inopel die vollste Aufmerksamkeit geschenkt werde. Ein öster⸗ 
und bedeulungsvollsten Sessionen ein, die er seit seinem Bestehen eichischer Arzt sei mit der Mission betraut, jeden vorkommenden 
ais jetzt durchzemacht hat. Nach den neuesten aus Friedrichsruh Fall einer Insektionskrankbeit zu studiren und über denselben Be— 
ier eingetroffenen Nachtichten ist es die feste Absicht des Reichs- Licht zu erstatten. 
anzlers, dem Reichstage in der zwe'ten Hälfte der Session de Paris, 3. Febr. Präsident Grebvy empfinm heule im 
mvidirten Zolltarif vorzulegen. Es frägt sich dabei nur, ob die kiysee de Botschafter Marquis v. Molius, Lord Lyons und Fürst 
zZolltatifkommission im Stande sein wird, dis dahrn, also in etpa Hchenlohe, die ihren ersten offiziellen Besuch machlen. 
zwei Monaten, ihre Arberten zu vollenden, die dann auch noch den * Am Mittwoch fand in Elpas eine Zusammenkunft der 
Ausschüssen des Bundesraths und dem Bundesrath selbsi zur P.üf, 7dnige von Span en uad Portugal Sta‘t. Es wird versichert, 
ing voczulegen siid. Der ursprüngliche Plan, besondere Voriagen dieselbe habe keinerlei politischen Zwech, sondern gelte lediglch als 
ibet die Wiedereinführung der Eisenzölle, die Erhöhung der bine Kundgebang herzlicher Freundschaft wischen den beiden Fuͤrsten 
Zoölle auf Kaffte, Thee, Zucker ⁊c., sowie die Echebung unv Nationen. 
einer Zolles auf Petroleum, dem Reichstaze zu machen, ist Wie man dem Frkf. J. oaus Rom ielegrophirt, hat der 
nufgegeben worden. Diese Arlikel werden vielmhr bei Ausarbeilung Meuchelmörder Passante, getreu seiner bisher beobachteten Haltung, 
des neum Tarifs in der Kommifsion ihte Berudcsichtigung finden. brieflich bei seinem Vertheidiger gegen die Voraussetzung bpeotestirt, 
Ais weilerer Berathungsgenstand während der zweiten Hälfte der daß ec geisteskrank sei. 
Session ist die Vorlaje wegen der Tabaksbesteuerurg ins Auge Zwischen Rumänien und Rußland, ist schon wieder ein Con— 
nefaßt worden. Dese Vorlage, wilche de Gewichtssteier auf Ta⸗flict ausgebrochen. We die „Pol. Corresp.“ derichtet, hat am 
dak einfühtt, wird sich im Allgemelnen dem vom Finanzminister ietzten Freitag der ruffische Muisterp äsident Baron Stuart der 
Camphausen im Vcrjahre ausgearbeiteten Entwurfe anschließen, 
sedoh eine bei Weitem höhere Einnahme aus der Gewichtssteuer 
eczielen. Man sieht daraus, daß der zweite Theil der bevorstehen⸗ 
den Reichstagssession sich fast ausschließlich mit zollpolitischen und 
wirthschaftlichen Fragen beschäftigen wird. Dem Neichstage werden 
in der ersten Hälfte der Session an Vorlagen zugehen: Der Re⸗ 
chenschastabericht über den uneer Zust: mmung des Bundesraths von 
der preußischen Regierung über Berlin verhängten kleinen Belager⸗ 
ungszussand in Gemäßheit der einschlägigen Bestimmungen des So— 
ialistengesetzes; ferner der Reichshaushaltsetat; sodann der zwischen 
Deuischland und Oesterreich abgeschlossene Meistbegünstigungsvertrag; 
reine Anzahl von Gesetzen aus dem Reichtjustizamt, wie z. B. die 
Bebührenordnung für die Rechtsänwälte; die Konsulargerichtsbar⸗ 
keit; das Gesetz, betreffend das Pfandrecht der Hypothekengläubiger 
xc.; das G»stß üder die Verfälschung der Nahrungsmittel und 
endlich das Gesetz, betreffend den Schutz nützlicher Vogel. Was 
»as Gefetz, beireffend die Strafgewalt des Reichstages anbetrifft, 
o ist es zweifellob, daß dasseibe in der vom Bundesrath verän⸗ 
erten Form an den Reichttag kommen wird. Ebenso gew'ß ift 
ber, daß die Fraktion der Deutschkonservaliven, welche bereits ihre 
Besinnungsgenossen zum zahlreichen Erscheinen auf den Vorabend 
»er Eröffnung des Reichstags einladet, sofort mit Abänderungsan⸗ 
rägen der Geschäftsordnung debütiren wird. Entschließt sich das 
daus in seiner Majorität für die Aenderung seiner Geschäfts ord⸗ 
zung etwa nach der Richtung hin, wie es die veränderten Beschlüsse 
des Bundesraths thun, so gilt es für nicht ganz unwährscheinlich 
— die Oifizidsen haben bereits in diesem Sinne Andeutungen ge⸗ 
macht — daß alsdann der Reichekanzlet auf die Durchberathung 
des Entwurfs im Reichskage, der dort nur auf eine kleine Minder⸗ 
jeit der Stimmen zu rechnen hat, Verzicht leisten würde. Die 
migeführten Berathungsgegenstände genügen zum Beweis dafür, 
zon welch' überaus wichtiger Bedeutung die am 12. Februar be⸗ 
zinnende Reichstagssession sein wird. 
Wie die Voss. Zig. hört, ist an eine Zustimmung Würtem⸗ 
bergs und Bayerns zu dem den Bundesregierungen zugegangenen 
Reichseisenbahn⸗ Gesetzeniwurfe nicht zu denken. 
* Eiue am 4. d. M. zu Breslau slaitgefundene Ersatz 
wahl zum Reichstag hatte das Resultat, daß es zwischen dem 
Fandidaten der Liberalen und dim der Sozialdemoktaten zur 
Stichwahl kommt. (Wo bleibt da die Wirtung des Sozialisten⸗ 
Jesetzes )