St. Ina
*
Ager.“
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Donnerstag den 1. Januar
1880.
* St. Ingbert, 1. Januar.
Zum neuen Jahre.
der Ungenügsamkeit und Unzufriedenheit mit dem, was sie haben,
kranken, sie gab es It allen Zeiten. Aber gerade unsere Zeit isi
leidt belonders Feich daran. Däß „oxunm der Geist der warmen
werkthätigen Nächstenliebe, wie er sich in den jungtien Wagernan
bielen Orten zur Linderung der Noth und Armuth zeigte, auch im
neuen Jahre in immer weitere Kreise dringe, daß der Gedante ihnu
zu pflegen, sich auch bei denen, die heute die Freude des Gebens
noch nicht kennen, zum festen Vorsatze ausbilde, das sei unser
Wunsch zum neuen Juhre. In der Hoffnung, ihn von recht vielen
zeherzigt zu sehen, rufen wir allen Lesern zu:
„Ein gesegnetes neues Jahr!“
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„Abermals ein Jahr verschwunden, wieder tritt ein neues ein!“
Wird dieses die Hoffnungen, denen das verflossene Jahr keine Er⸗
füllung brachte; auch wieder unerfüllt lassen? Wie wird es sich
gestalien für den Einzelnen, für die Familie, für den Staat? Das
sind Fragen, die am Wendepunkte zweier Jahre das Gemüth des
denkenden Menschen bewegen. „Erinnerung, Vorsätze, Nachdenken über
Vergänglichkeit des Daseins, Freude über das, was noch geblieben,
das bringt für die meisten Sterblichen der Neujahrstag“, sagt
Auerbach. Gar verschieden ist wohl der Eindruck, den das ent—
lossene Jahr bei den einzelnen Menschen zurückläßt. Der Eine
schaut mit voller Befriedigung auf es zurück; ihm brachte es Freude
und Glück. Der Andere gedenkt seiner mit tiefer Wehmuth und
Trauer; ihm brachte es zuviel der Tage, von denen zu sagen ist:
sie gefallen uns nicht!
Erinnern wir uns kurz dessen, was es unserm Vaterlande
hrachte, so dürfen wir wohl zufrieden sein; denn es war für das—
jelbe ein Jahr ruhiger Entwickelung auf der Bahn des Friedens.
Handel und Wandel begannen sich in unseren Grenzen wieder zu
heben; Industrie und Gewerbe befreien sich langsam von dem Drucke,
zer Jahre lang auf ihnen lastete. Nach den Mißerfolgen, welche
dieselben in den letzten Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten hat⸗
ten, nach der Enthaltung, welche sie sich bei der letzten Pariser
Ausstellung auferlegten, wirkt darum die Nachricht, daß die deutsche
Industrie auf der Ausstellung in Sidney eine sich täglich steigernde
Anerkennung finde, wie Frühlingssonnenschein nach düsteren Winter⸗
ragen. In dpolitischer Hinsicht brachte das verflossene Jahr unserm
Vaͤterlande die Befreiung von der russischen „Freundschaft“, da—
gegen eine enge Verbindung mit Oesterreich-Ungarn. Eine bedeu⸗
sende Aenderung war schon vorher in der deutschen Handelspolitik,
Hie bisher dem Prinzipe des Freihandels gehuldigt hatte, eingetreten.
„Schutz der nationalen Arbeit.“ hieß plötzlich die Losung. Eine
Verschiebung der Parteiverhaltnisse nach Rechts zu Gunsten der
Regierung irat ein, und die Anhänger des Schutzzolles, der die
geleerten Staatskassen wieder füllen soll, erreichten, was sie woll⸗
scu. Ein Neujahrsangebinde von ihnen ist das Inkrafttreten der
welreidezolle axn heutigen Tage. Das von der Regierung unter
Hinvirtumg der Voltksvertretung schon 1878 geschaffene Sozialisten⸗
gesetß hat sich als Damm gegen die sozialistische Bewegung im ab⸗
gelaufenen Jahre als ungenuͤgend erwiesen. Konnen die Sozialisten
iht ungesetzliches, aller Ordnung gefährliches Treiben auch nicht
mehr ofenllich fortseßen, so wirlen sie doch im Geheimen um so
eifriger. und manches Jahr mag noch vergehen, bis die Anhänger
der jozialistischen Lehre das Irrige und Verwerfliche derselben ein⸗
jehen. Wenn auch das geschiedene Jahr den kirchlichen Frieden
aicht brachte, so haben sich doch auf beiden Seiten die Gegensätze
gemindert und so eine friedliche Vereinbarung, die in Berlin und
Rom gewünscht wird, eher möglich gemacht. Für die Steuerzahler
die unangenehmste Hinterlassenschaft des Jahres 1879 für 1880
st das Tefizit in den Staatsbudgets, zu dessen Deckung Steuer⸗
erhohung in Aussicht gestellt ist.
Claͤmentare Eteignisse, wie Ueberschwemmungen, Mißernte,
die ungewöhnliche Strenge des Winters, haben in manchen Ge⸗
genden unseres Vaterlandes einen solch ungewohnlichen Grad von
NRoth und Elend hervorgerufen, daß, wie noch selten, die Wohl⸗
hatigleit in Anspruch genommen werden mußte. Und erfreulich
st es zu sehen, daß es noch gute Menschen, die allzeit offene
Hande zum Wohlthun haben, gibt. Selbstsucht und Eigennutz
machen sich freilich auch daneben in einer verabscheuungswündigen
Weise breit. Schauen wir um uns! Die Meisten denken nur an
ich und an ihren Vortheil; daß Andere auch noch neben ihnen
eben, kümmert fie nicht; die mogen nur sehen, wie sie sich ein⸗
ichten! Menschen, die an der Selbstsucht und am Eiqgennutz, an
Deutsches Reich.
Muünchen, 29. Dez. Für die festliche Begehung des sieben⸗
hundertjährigen Jubiläums des Regentenhauses Wittels—
hach dahier ist der Entwurf des Programmes in den Grundzügen
nunmehr festgestellt. Demnach ist ein großartiger Festzug, ähnlich
dem im Jahr 1858 (jiebenhundertjähriges Jubiläum der Stadi
München), in Aussicht genommen. Die Zeichnungen dafür sind
chon von hervorragenden Künstlern angefertigt. Die Gesainmtkosten
ind auf 234,000 M. veranschlagt. Ueber deren Aufbringung wird
noch berathen werden.
Der „Reichsanzeiger“ publizirt eine von dem Fürsten Bis—
marck kontrasignirte kaiserliche Verordnung. wonach das Reichskanzler—
amt forian den Namen „Reichsamt des Innern“, der Vorsiand
dieser Behörde den Titel „Staatssekretär des Innern“ führt.
Ausland.
WMadrid, 31. Dez. Attentat. Am Dienstag feuerte ein
Individuum Namens Otero Gonzalez zwei Revolverschüsse auf den
önig Alfons und die Königin (Erzherzogin Maria Christine) ab.
Niemand wurde getroffen. Der Thäter ist verhaftet.
Madrid, 31. Dez. Das Attentat auf den König und
die Königin erfolgte mittelst zweier Pistolenschüsse in der Nähe des
kingangs zum Konigspalast, als der König und die Königin Abends
ünf Uhr von einer Spazirfahrt in offenem Wagen zurückehrten.
der neunzehnjährige Thäter hatte sofort die Flucht ergriffen, wurde
iber auf der Straße von einem Studenten und anderen Personen
ergrifsjen und zur Haft gebracht. In der ganzen Stadt herrscht
die größte Entrüstung.
Madrid, 81. Dez. Der Attentäter ist in Galizien (spa⸗
aische Provinz) geboren und zwanzig Jahre alt. Man glaubt, daß
er Mitschuldige hat; drei Personen wurden verhaftet. Der Aliten-
äter wohnt erst kurz hierselbst. Die zweite Kugel vassirte dicht
hdor dem Gesichte der Königin.
Vermischtes.
*St. Ingbert, J. Januar. Die Neujahrsnacht ging hier
hne die herkommliche Knallerei vorüber; das sturmische und reg⸗
erische Wetter, der Schmutz in den Straßen konnten wohl auch den
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— Gestern wurde uns ein lebender Maikafer vorgezeigt,
jewiß eine Seltenheit in dieser Jahreszeit.
* St. Ingbert. In Speier wurden aus gesammelten
Figarrenspitzen M. 414 erlost und konnten dadurch 30 Knaben an
Weihnachten mit Hosen, Schuhen, Aepfel ꝛc. beschenkt werden. —
Zoviel wie wir wissen, werden auch hier abgeschnittene Cigarten
spitzen gesammelt,, haben jedoch von der Verwendung des Endojes
nichts gehört. 7
f'Ein gutes Wort für unsere Briefträger. Venm
rgendwo das 'ubliche Neujahrsgeschenk wohlverdient uw gut
angelegt ist, so ist Dies bei den Briefträgern und Telegrawenhoten
er Fall. Trotz Wind und Wtter, Hitze und Kalte, roß Regen
ind Schnee müssen sie tagtäglich zur vorgeschriebenen ztunde ihren
Rundgang antreten, und 'gerade in der kurzlich vortbergegangenen
Weihnochtszeit haben ie mit großem Eifer, jelbst n den Feiertagen.
denca Idermann onft Ferien gemacht hat, Hrem schweren und
deranwortungsvollen Berufe obgelegen und gat Manchem durch
seberbringung deß Weibnachtsbadets eine Freude bereitet. Veragelten