Das „Aerztliche Intelligenzblatt“ enthält nachstehende Cor⸗
respondenz aus Berlin: Das Reichsgesundheitsamt steht dem
Vernehmen nach, nachdem dasselbe bereits festgestellt inwieweit in
den größeren Städten des Deutschen Reiches Privatanstalten resp.
Vereine bestehen, welche sich die Controle der Genuß⸗ und Nah⸗
runasmittel sowie der Gebrauchsgegenstände angelegen sein lassen,
nunmehr vor der Entscheidung der wichtigen Frage wegen Ein⸗
setzung eines Gesundheitsausschusses für jede größere Stadt, sowie
für jeden größeren Communalverband. Nach dem im Reichsge⸗
sundheitsamte aufgestellten Plane soll der Gesundheitsausschuß bei
allen wichtigen Anordnungen und Maßregeln im Interesse der Ge⸗
jundheitspolizei sich gutachtlich äußern, selbststündig den compe⸗
lenten Behörden Vorschläge machen und Rathschläge ertheilen, über⸗
haupt den Verwaltungs⸗ und Gerichtsbehörden mit Gutachten zur
Seite stehen.
Ein preußisscher Antrag beim Bundesrath wegen Ab—
znderung des 8 30 des Sozialistengesetzes geht dahin, die Gel⸗
ungsdauer des Sozialistengesetzes bis zum 31. März 1886 zu
berlängern.
Auf der Tagesordnung der in den letzten Tagen des Februar
Statt findenden Ausschußsitzung des Zentralverbandes deutscher
Industrieller zur Beförderung und Wahrung der nationalen Arbeit
sleht u. A. die Wahl einer Deputation, welche beauftragt werden
soll, bei Fürst Bismarck eine Audienz nachzusuchen und dem—
selben für die Durchführung der Zollreform den Dank der Indu⸗
strie zu überbringen.
Karlsruhe. Die „Badische Landeszeitung“ meldet, Bis⸗
thumsverweser Kübel in Freiburg habe das Dispensverbot mit⸗
teist Schreibens an den Großherzog ausdrücklich zurückgenommen.
Damit wäre, wenn die vorstehende Meldung richtig, die von der
Hationalliberalen Kammermehrheit aufgestellte Bedingung, von deren
Verwirklichung dieselbe die Unnahme des bekännten Examengesetzes
abhängig gemacht, erfüllt und in Folge davon der badische Aus⸗
gleich mit der Kurie so gut wie vollzogen — Dank einer ver⸗—
sändigen Nachgiebigkeit seitens der Kirche.)
Ausland.
Das französische Ministerium des Aeußeren. schreibt der
Siocle“, hat jetzt definitiv festgeftellt, was der von Napoleon Ul.
im Jahre 1870 Deutchland erklärte Krieg Frankreich gekostet hat.
Die außerordentlichen Heeresausgaben haben sich, das Militär—⸗
budget des betreffenden Jahres nicht mitgerechnet, auf 1 Milliarde
313 Millionen belaufen. Die Kriegsentschädigung an Deutschland
hat, Capital und Zinsen, 5 Milliarden 315 Millionen betragen.
Der Unterhalt der deutschen Truppen auf französischem Gebiete hat
eine Ausgabe von 340 Millionen verursacht. Die Entschädigung
der von dem Kriegsunglück betroffenen Departements und Gemein⸗
den stellen einen Gesammtbetrag von1 Milliarde 487 Millionen
dar.“ Der Verlust an Steuern während des Kriegs und der Weg—
fall der Staatseinnahmen aus Elsaß⸗Lothringen, der letztere zu 4
pᷣCt. capitalisirt, wird auf 2 Milliarden 420 Millionen, die Wie—
derherstellung des Kriegsmaterials auf 2 Milliarden 144 Millionen
veraͤnschlagt. Endlich belaufen sich die Militärpensionen und ver—
schiedene durch die Annerion von Canälen u. s. w. verloren ge⸗
gangene Einkünfte zusammen auf 1 Milliarde 314 Millionen.
Sunima-Summarum: 14 Milliarden 456 Millionen. Die ver⸗
schiedenen zur Deckung dieser furchtbaren Ausgaben aufgenommenen
Anleihen haben die jährliche Zinsenlast um 631,800. 000 Fres
erhöht. In runder Summe hat also der Krieg von 1870 Frank—
reich fünfzehn Milliarden baar gekostet und seine jähr—
lichen Lasten um 632 Millionen erhöht. In allen diesen Ziffern
bleiben aber noch die Verluste der Gewerb, der Handel sStreibenden
umd überhaupt aller Arbeitenden unberücksicht, Verluste, die sehr
bedeutend sind, sich aber schlechterdings nicht abschätzen lassen.
Tiefen Eindruck hat das veröfsentlichte euglische Blaubuch
über Afghanistan gemacht. Es bestätigt mancherlei, was früher
vermuthet wurde. Jakub Khan selbst erklarte, daß zwischen seinem
Vater Schir Ali, nachdem dessen Anerbietungen von der englischen
Regierung zurückgestoßen worden, und dem russischen Hofe das
Vüͤndniß geplant war. Die kriegerischen Vorbereitungen Schir Alis
hätten nicht umfassender sein können: 68 Regimenter Fußvolk, 16
Regimentet Reiterei, 300 Geschütze, eine Million Pfund Pulver
und mehrere Millionen Patronen für Snider-Gewehre bildeten im
Vala⸗Hissar einen hübschen Bestand. Russisches Geld hatte seinen
Weg massenhaft nach Kabul gefunden. Ein Beweis ist bis jetzt
allerdings nicht zu erbringen gewesen, ob noch auf anderem Weg
als dem des Handels dieses Geld nach Afghanistan kam. Unifor⸗
men von russischem Schnitt und mit russischen Knopfen wurden
von den Officieren des Emirs getragen.
Madrid. Der Altentäter Otero, in erster Instanz zum
Tode verurtheilt, wurde am 10. Febr. den Assisen überwiesen.
Vermiichtes.
x* St. Ingbert. Prabenden aus dem Pfätzischen Dienst—
botenstift erhielten von hier a) Geldbelohnung im Betrage von
O M: 1. Maria Weber, 16 Jahre in Dienst bei Hr. Reutner
yroßhardt, 2. Barbara Schmitt, 80 Jahre bei Hr. Kaufmann
grewenig; b) Ehrenbrief: Charlotte Löwenberger, 8 Jahre bei Hr.
beramtorichter König. Eine Geldbelohnung von 10 W. erhielt
nuch Michael Bauer, 20 Jahre bei Hr. Gutsbesitzer Villeroy auf
sillershof, einen Ehrenbrief Maria Wuͤrtz, 6 Jahre bei Hr. Guts⸗
hesitzer Jacob in Rohrbach.
y Ueber den in voriger Nr. des „Anz.“ gemeldeten Unfall
ines Eisenbahnbediensteten auf der Bahnstrecke Hom burg⸗
Zweibrücken wird der „Pf. Volksztg.“ geschrieben: Am 10.
3. Morgens wurde in der Rähe der Station Schwarzenader,
nachdem turze Zeit vorher ein Güterzug passirt wan der Tender⸗
wächter Heiek von Kaiserslautern todt aufgefunden.“ Die von zu—
tändiger Seite sofort eingeleiteten Ermittelungen ergaben, daß
Heiek, um seinen Dienst als Bremser zu versehen, auf dem Brem⸗
ersitze eines Güterwagens Platz genommen hatte. Während der
Fahrt scheint ihm nun der starke Luftzug seine Mütze weggeführt
su haben, und um diese wieder zu erlangen, war er, die Nähe
eines Viaduktes nicht achtend, auf die Decke des Wagens gestiegen.
Beim Passiren des Viaductes wurde ihm an der Wolbung desfel⸗
vJen die Hirnschale zerschmettert, wodurch der Tod wohl sofort ein⸗
getreten sein mag. Heiek ist 33 Jahre alt und hinterläßt eine
Wittwe mit 5 kleinen Kindern.
4 Am 8. d. Mts. brannte in NReuhäusel das Wohnhaus
des Bergmannes Gebhard nieder.
4 In Neustadit waren trozß der schlehten Zeiten die Carne⸗
dalsbälle sehr besucht. Auch die Tanzmusiken waren sehr stark
requentirt. Auf den letzteren wurden mehrfach jüngere Leute ge—
ehen, deren Eltern seit Wochen die Suppenanstalt in Anspruch nehmen.
F Der Vorschußverein in Dürkheim erzielte im vorigen
Jahre bei einem Gesammtumischlage von 4,742,300 M. 61Ppf.
inen Reingewinn von 15,434 M. 54 Pf., welcher nach Abzutg
der für die Dotirung des Reservefonds etc. bestimmten Summe in
Form einer 8procentigen Dividende an die 635 Mitglieder des
Vereins zur Vertheilung gelangt.
x Bie zahlreichen Besucher der Fütterung in einer in München
veilenden Menagerie waren vor einigen Tagen Augenzeuge einer
ergötzlichen Scene. Dem Elephanten nämlich mochte der Magen
zu arg knurren; kurz er machte alle erdenklichen Rüssel-Anstrengungen,
im ein außer seinem Rüsselbereich befindliches Brodkörbchen zu er⸗
jaschen. In seiner Noth übte er auf einen Nahestehenden mit der
ummen Bitte um Hilfe einen Rüsseldruck aus. Da auch dies
nichts fruchtete, bequemte er sich zu einem Kniefall. in Folge dessen
er durch klüglich erzielte Verkürzung der Entfernung den Gegenstand
eines heißen Verlangens glücklich erreichte. Den Korb fassen, um—
türzen und dessen Inhalt mit verschmitztem Augenblinzeln sich zu
hemüth führen, war im Nu geschehen. Dem hinzugekommenen
Wärter übergab das kluge Thier mit einer graziösen Rüsselschwen⸗
sung den — geleerten Brodkorb unter lauter Heiterkeit der Anweseuden.
(Reichsgerichtliches Erkenntniß.) Vor Kurzem wies
die „Deutsche Gerichtszeitung“ darauf hin, daß die Vertretung der
Parteien durch Winkelschreiber und Konsorten auf Umwegen zu
zrreichen gesucht werde, indem diese fich die Forderungen cediren
assen und den Betrag nach erfolgtem Eingange abzuliefern ver⸗
prechen. Das Reichsgericht hat neuerdings in einem Erkenntniß
nusgesprochen, daß das Auftreten eines solchen Konsulenten oder
einer sonstigen nicht dem Rechtsanwaltstande angehorigen Person
»or Gericht auf Grund einer simulirten Cession, um in dieser
Weise die eigentlichen Parteien zu vertreten, aus 53 132 des Straf⸗
esetzbuchs wegen unbefugter Ausühung einer Handlung, die nur
rafi eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, mit Ge—
ängniß oder Geldstrafe zu bestrafen ist.
Dieser Tage hat sich in Sulz bei Gebweiler im Ober⸗
5ẽlsaß der Rebmann Ludwig Landwehrlin, im Alter von 75 Jah—
ten, zum vierten Male verheirathet und zwar mit der 65 Jahre
alten Marie Ammstadt, welche ihrerseits bei dieser Heirath den
hierten Mann nimmt.
In Darmstadt wurde von der Strafkammer des Landge⸗
richts der Urheber des beklagenswerthen Eisenbahnunfalls bei Bischofs⸗
jeim, der drei Menschen das Leben kostete, ein Weichenwärter, dieser⸗
salb zu 223 Jahr Gefängniß verurtheilt. Aus der Verhandlung
ergab sich, daß der Angeklagte ursprünglich die Weiche richtig gestellt
Jjatte, dann aber eingeschlafen war und im Moment, als der Zug
tam, aus seiner Bude heraussprang und in seiner Schlaftrunkenheit
der Weiche die verhängnißvolle falsche Stellung gab.
fF In Frankfurt feiert der Senior Pfarrer König am
kommenden 29. Februar zum 93. Mal seinen Geburtstag; er
dollendet an diesem Tag sein 92. Lebensjahr.
F In Düsseldorf beabsichtigen die städtischen Behörden
die Einführung einer städtischen Klaviersteuer. Zu diesem Behuf
wurde kürzlich dort eine Zählung der Klaviere vorgenommen. —
Am Samstag Abend mußten mehrere Damen in einem Mobel⸗
vagen zum Maskendalle fahren, weil ihre Kostüme in einer Droschle
iicht Platßß fanden.