Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sl. Ingberler Anzeiger. 
⸗ 
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4 37. Donnerstag den 4. März 
138880. 
Deutsches Reich. 
Am Samstag Abend wurde in Müuchen von Se. Maj. 
dem König der päpstliche Nuntius Msgr. Roncetti zur Uebergabe 
einer Kreditive in feierlicher Audienz empfangen. 
Rekrutirung der bayerischen Armee pro 1880181. Eine 
letzten Samstag publizirte k. Entschließung vom 23. v. M. enthält 
die Bestimmungen über die Rekrutirung der Armee für 188081. 
Nach derselben sind einzustellen: A. Zum Dienste mit der Waffe 
zei den Infanterieregimentern und Jägerbataillonen per Bataillon 
190 Rekruten, bei jedem Cavallerieregiment mindestens 180, bei 
eder reitenden Batterie mindestens 25, bei jeder der übrigen Feld- 
zatterien mindestens 30, bei jedem Fußartilleriebataillon 180, bei 
jedem Pionierbataillon 200, bei der Eisenbahnkompagnie 55, bei 
eder Trainkompagnie mindestens 15 und weitere 44, bei jeder 
Zanitatzkompagnie 96, bei der Equitationsanstalt mindestens 60 
Rekruten. B. Zum Dienst ohne Waffen: zu zweijähriger Dienst— 
eit als Militärkrankenwärter bei der Sanitätskompagnie jedes 
Trainbataillons 36 Rekruten, dann als Oekonomiehandwerker bei 
ämmtlichen Truppentheilen mindestens ein Drittel der etatsmä⸗ 
zigen Zahl. Die Einstellung der Rekruten hat bei sämmtlichen 
Truppentheilen nach näherer Anordnung der vorgesetzten General⸗ 
ommandos in der Zeit vom 2. bis 6. November, bei det Equi⸗ 
ationsanstalt am 1. Oktober l. Is., jene der im Frühjahr ein⸗ 
ustellenden Trainsoldaten am 2. November k. J. zu erfolgen. 
Die Entlassung der zur Reserve zu beurlaubenden Mannschaften 
jat bei denjenigen Truppentheilen, welche an den Herbstübuͤngen 
heilnehmen, am ersten oder zweiten Tage nach Beendigung der⸗ 
elben, bezw. nach dem Wiedereintreffen in der Garnison, siattzu⸗ 
inden. Für alle Truppentheile ist der 30. Sept. l. J. der spä—⸗ 
este Entlassungstermin. 
Im deutschen Reichstag begann am Montag die erste 
desung des Gesetzentwurfs über Abaͤnderung des Militärgesetzes von 
1874 GVermehrung der Friedensstärke des Herres). Kriegsminister 
dameke legte besonderes Gewicht darauf, daß durch die müitärischen 
Maßnahmen Frankreichs und Rußlands das militärische Gleichge⸗ 
wicht zwischen ihnen und Deutschland nicht mehr bestehe und daß 
vir dieses nun wieder herstellen müssen, wenn auch nicht gerade 
icute Gründe dazu drängen. Abg. E. Richter (Forischr.) forderte 
Finführung der zweijährigen Dienstzeit. Graf Moltke befürwortete 
zann den Gesetzenwurf in längerer Rede und sprach sich sehr ent⸗ 
chieden gegen zweijährige Dienstzeit aus, welche nicht genüge, um 
zute Soldaten zu bilden. „Frankreich hat die Friedensstärke feiner 
Armee verdoppelt, während wir bei 1 Procent der alten Volls— 
ählung stehen geblieben find; Rußland hat eine Friedensstärke von 
300,000 Mann, also doppelt so viel als wir. Und dabei muthet 
nan uns zu, so großmüthig zu sein, zuerst zu entwaffnen? Hat 
»enn aber der deutsche Michel jemals anders das Schwert gezogen, 
ils um fich seiner Haut zu wehren? Wir müssen den Frieden 
jalten, und schützen, auch nach Außen, soweit unsere Kraft reicht. 
Wir werden dabei vielleicht nicht allein stehen. Darin liegt keine 
Drohung, sondern eine Bürgschaft für friedliche Zustände in unserem 
Belttheile, vorausgesetzt, daß wir stark und gerüstet sind, denn mit 
chwachen Kräften, mit Armeen auf Kündigung läßt sich dies Ziel 
richt erreichen.“ (Beifall.) — Nachdem Abg. v. Bennigsen erklärt 
jat, daß die überwiegende Mehrheit der Nationalliberalen für die 
mnveränderte Annahme des Gesetzentwurfes stimmen werde, ist dessen 
Annahme mit 80 bis 40 Stimmen Mehrheit als gesichert zu 
etrachten. 
Der Reichstag hat am Dienstag die Militärvorlage an 
me Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen. 
Nach 8 8 des Gesetzes vom 15. Juli 1879 wird der Ertrag 
ꝛer Zolle und der Tabaksteuer, soweil er die Summe von 130 
Nillionen Mark übersteigt, an die Bundesstaaten verteilt und zwar 
iach Maßgabe der Bevölkerung, mit welcher sie zu den Matrutul- 
irbeiträgen herangezogen werden. Für das laufende Jahr ist nun 
e Vertheilungssumme auf etwas mehr als 40/3 Millionen Mark 
u schatzen, so daß darnach auf jeden Kopf der Bevolkerung jedes 
Ztaates citca 92 bis 96 Pfennige kämen. 
Das Tabaksmonopol. Die ‚Berl. Nachr.“ schreiben: 
Bir erhalten eine neue Bestätigung dafür, daß an leitender Stelle 
die Einführung des Tabakmonopols geplant wird. Uns wird näm— 
ich von sonst zuverlässiger Seite versichert, daß in diesem Augen- 
liche deutsche Regierungskommissare in Oesterreich, wie in Frankreich 
ind in Italien sich aufhalten, um die dortigen Monopolseinrichtungen 
zu studiren. 
Die „Nordd. Allgem. Ztg.“ meldet: Durch den schwankenden 
Jesundheitszustand und die übergroße Arbeitslast des Fuͤrsten Bis— 
narck werde die zeitweilige Vertretung des Neichskanzlers in den 
deschäften des Auswärtigen Amtes durch den Fürsten Hohenlohe 
Botschafter in Paris) veranlaßt, welcher nach einigen Mongaten 
nach Paris zurückkehren werde, wo inzwischen v. Radowitz ihn 
zertreten werde. 
Ausland. 
Der rufsische, Regierungsbote“ veröffentlicht ein von Bis— 
narck gegengezeichnetes Schreiben des deutschen Kaisers an den 
daiser von Rußland, worin der Erstere den Letzteren zu seinem 
Fubiläum beglückwünscht und seine Freude ausdrückt, daß die 
creundschaft der Väter sich auch an ihnen bewahre. Der deutsche 
daiser gibt der Ueberzeugung Ausdruck, daß diese Freundschaft sich 
is an sein Lebensende ungetrübt erhalten werde und erfleht für 
en Zaren den Schutz Gottes, welcher denselben noch in den letzten 
Tagen so wunderbar beschützte. Der Kaiser schließt mit der Ver— 
herung seiner wahren Hochachtung und unwandelbaren Freund⸗ 
haft für den russischen Kaiser und sein Haus. 
Vermischtes. 
*Sit. Ingbert, 3. März. In heutiger Schöffen⸗ 
itzung kamen folgende Fälle zur Aburtheilung: 1) Ein Mann 
von Friedrichsthal erhielt unter Verwerfung des Einspruchs gegen 
inen Strafbefehl wegen groben Unfugs 3 Tage Haft. 2) We⸗ 
jen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Bettelns erhielt ein 
Bursche von Rohrbach 1 Monat Gefängniß und 8 Tage Haft. 
) Wegen Kohlendiebstahls wurde ein Mann zu 2 Tagen Ge⸗ 
ängniß verurtheilt und 7 Buben, desselben Vergehens angeklagt, 
Ils unzurechnungsfähig freigesprochen. 4) Fünf Burschen von 
A Verübung groben Unfugs Haftstrafen 
yon 21, 8, 5, 1 Tag und eine Geldsirafe von 8 Viark 5) Ein 
remder Händler wurde wegen Gewerbesteuer Contr. zu 18 Mark 
deldstrafe verurtheilt. 6) Ein Mann von hier hatte gegen einen 
Strafbefehl wegen Verkehrsstörung Einspruch erhoben und wurde 
r unter Verwerfung des Einspruchs zu 1 Mark Geidstrafe verurtheilt. 
In nächster Schöffensitzung haben als Schöffen zu 
rscheinen, die Herren: Johann Fiad, Fabrildireltor und David 
dahn, Seifenfabrikant, beide von hier. 
»St. Ingbert, 4. Febr. In der Nacht von Dienstag 
nuf Mittwoch staltete ein Dieb mittelst Einbruchs dem Keller des 
Ir. Zimmermeisters Georg Uhl seinen Besuch ab. Durch das ent⸗ 
kandene Geräusch erwachie jedoch Hr. Uhl und der Dieb war ge⸗ 
röthigt, seinen Besuch, det ihm nur einige Flaschen Wein einge⸗ 
ragen hatte, abzukürzen. — Vor einiger Jeit wurden in der 
lbenddämmerung von der Rollfuhre zwei in einen Sack eingenähte 
-chinken gestohlen. Etwas später nun wurden zwei Schulknaben 
xwischt, als sie eben daran waren, von dem Wagen eines Lumpen⸗ 
ammlers und Geschirrhändlers verschiedene Kleinigkeiten zu ent⸗ 
venden. Es stellte sich jetzt aber auch heraus, daß die beiden 
enen Schinkendiebstahl ausgeführt hatien. Hoffentlich wird eine 
mpfindliche Strafe den jugendlichen Dieben für die Zukunft die 
Lust benehmen, sich wieder an fremdem Eigenthum zu vergreifen. 
fEinkommensteuer) Die Vormünder und Kuraioren 
ind personlich haftbar, wenn sie die Fatirung der Kapitalrenten 
ind Einkommensteuer für die von ihnen Vertretenen ganz unter⸗ 
assen oder unrichtig angeben. 
F. Die Nachricht, als seien bei der Kissinger Kirchenbau— 
otterie Unregelmäßigkeiten vorgekommen, durch welche die Un⸗ 
jiltigkeit bedingt sei, wird von der Generalagentur, A. & B. Schuler 
n Zweibrücen, auf's Allerbestimmteste in Abrede gestellt.