Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

wurde er von der Universität W ien für eine von ihm verfaßte 
Reisebeschreibung zum Doktor ernannt. 
Die radicaten französischen Zeitungen sind wüthend über 
die Abstimmung des Senats; aber nicht blos diese, auch die ge⸗ 
mäßigt republikanischen, die sog. opportunistischen Blätter führen 
eine scharfe, ja. drohende Sprache gegen die reactionäre“ Mehrheit 
des Senats, die es, wie sie sagen, doch nicht hindern werde, daß 
die Jesuiten aus Frankreich ausgewiesen werden. Die „Republ. 
frang.“, Gambetta's Blatt, sagt, mit dieser Abstimmung sei die 
Sache noch nicht zu Ende, der Krieg beginne don neuem, man 
müsse den Senat im Nothfall auch gegen seinen Willen vor der 
Befahr bewahren, ein Werktzeug der Reaction zu werden. 
Die „Pol. Corr.“ meldet aus Konstantinopel, die Re⸗ 
gierung habe bekannt gemacht, daß Stenerzahlungen vom 13. März 
ab in klingender Münze zu erfolgen haben. (Und die Regierung 
zahlt in lumpigem Papier!) 
Aus Konstantinopel wird gemeldet, daß dem Sultan 
der Vorschlag unterbreitet wurde, zur Minderung des Defizits im 
Staatsbudget die Beamtengehalte zu beschränken. Die Entscheidung 
des Sultans steht noch aus. 
Der Diciator Loris Melikoff verlangt von der Stadtgemeinde 
Petersbairg Unterstützung und Mitwirkung im Kampf gegen 
die nihilistische Propaganda. Es soll aus den Mitgliedern der 
Duma (Stadtraih) ein Ausschuß erwählt werden, der dem Chef 
der höchsten anordnenden Commission beigegeben werden wird. 
Ucber die Art und Weise, wie das zum Attentat auf 
den Zaren verwendete Dynamit in den Winte rpalast geschafft 
worden, ist man jetzt durch die Aussagen der gefangenen Haus— 
tischler zu der nicht unwahrscheinlichen Schlußfolgerung gekommen, 
daß dies nach und nach durch den verschwundenen Pseudotischler 
in Sardinenbüchsen geschehen sei. Gleich vom Tage seines Enga⸗ 
gemenis ab brachte derselbe stets, wenn er in die Stadt ging 
mehrere solcher Büchsen mit, unter dem Hinweis an feine Genossen, 
daß Sardinen seine „Leidenschaft“ seien; er öffnete eine der Büch— 
sen, bot freigebig den Anderen von seiuer Lieblingsspeise an und 
warf die leeren Büchsen unter sein Bett. Kurzum, er gewöhnte 
zanz rationell die Mitbewohner an diese seine „Leidenschaft“, so 
daß es einem derselben nicht weiter auffiel, als er zufällig eine 
groͤßere Anzahl „uneröffneter“ Sardinenbüchsen in dem sonst stets 
— jetzt Verschwundenen sah. 
Die letzteren anstatt mit Sardinen mit Dynamit gefüllten Büchsen 
jollen schließlich die Sprengeinlage in jener am Tage des Atentats 
gon dem unbekannten eleganten Herrn zur Aufbewahrung über⸗ 
gebenen kleinen Kiste gebildet Haben. 
Nach den letzten Nachrichien ist es unzweifelhaft, daß die 
Feindseligkeiten in Afghanistan wieder bald beginnen. 
WWashington. Eine Botschaft des Präsidenten Hahes an 
den Senat erklaͤrt: die Politik der Vereinigten Staaten bezüglich 
des Panamakanals bestehe in der. Ausübung der Kontrole über den 
anal durch die nordamerikanische Union; die Vereinigten Staaten 
könnten diese Kontrole keiner europäischen Macht oder einer Kom⸗ 
hination eurohäischer Mächte überlafsen. 
Pfalzisches Schwurgericht im b. Quartal. 
p'In der Vormittagssitzumg dom 10. März wurden der 
ehrer Jacob Nikolaus in Frankelbach und Julius Heinrich 
Matz, Redakteur der „Kaiserslauterer Zeitung“ wegen Berufs⸗ 
beleidigung eines Gendarmen, begangen durch die Presse, 
ersterer in eine Geldstrafe von 30 Paark und letzterer in eine 
soiche von 10 Mark verurtheilt. Dem Veleidigten wurde 
das Recht zugesprochen, einen Urtheilsauszug auf Kosten der Ange— 
klagten in der „Kaiserslauterer Zeitung“ zu veröffentlichen. — In 
—D Brand⸗ 
stiftung angeklagte Fuhrknecht Adam Gluding, 65 Jahre alt, von 
Rohrbach zu 5 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Gluding hatte be— 
kanntlich am 17. December 1879, um sich an seinem Dienstherrn, 
dem Fuhrunternehmer Herr Peter Uhl dahier, der ihn wegen Nach⸗ 
ässigkeit aus dem Dienste entlassen hatte, zu rächen, dessen auf dem 
Stauͤgebäude der hiesigen kgl. Grube lagerndes Heu angezündet, 
wodurch dann das qanze Gebäude vernichtet wurde 
Vermijchtes. 
*St. In gbert, 19. März. In heutiger Schöffen— 
sitzung kamen folgende Fälle zur Aburtheilung: 1) Zwei Bur⸗ 
schen von Hassel erhielten wegen verbolenen Schießens je 1 Tag 
Haft. 2) Ein Schwindlet von Saarwellingen erhielt wegen Land⸗ 
reicherei 42 Tage Haft und wurde der Landespolizeibehörde über⸗ 
— 0 0 Angeklagte 
nicht erschienen war, ausgesetzt werden. 
In nächster Sitzung, Mittwoch den 17. März, Morgens 8 
Uhr, haben als Schöffen zu erscheinen die Herren: Oskar 
Krämer, Hüttenwerksbesitzer und Jobann Jacob Weyland, Fa⸗ 
brikant, beide von hier. 
*Sit. Ingbert. Die hiesige gewerbliche Fortbildungs 
schule wurde im Schuliahr 187980 in drei Krursen von 197 
— 
Znaben besucht, von denen 33 das 16. Lebensjahr überschritten 
und 164 es noch nicht erreicht haben. Der Unterkurs zählt 75, 
der Mittelkurs 56 und der Oberkurs 66 Schüler. 
*— Die Rechnung des Hospitals St. Ingbert pro 1879 
ist abgeschlossen mit einer Einnahme von 6400 M. 35 Pf. und 
mit einer Ausgabe von 4978 M. 14 Pf. Es ergibt sich sonach 
ein Ueberschuß von 1422 M. 21 Pf. Als Oekonom wurde Herr 
Rentner und Adjunkt Graffion und als Rechner Herr Stadt⸗ 
ichreiber Bayer gewählt. 
4 In Zweibrücken feierte am 11. März der Tuchmacher 
dudwig Philipp Bieber mit seiner Ehefrau Margaretha Luisa 
Stähler das Fest seiner goldenen Hochzeit. 
F In Erfwoeiller haben au der Stelle, wo einst die Rö— 
mer hausten, die Ausgrabungen des Alterthumsvereins wieder be— 
gonnen und fördern interessante Funde und Mauerwerke zu Tage, 
die sich in verhältnißmäßig noch gutem Zustande befinden. 
F Die in Kaiserslautern im Hotel „Karlsberg“ am 
9. März stattgehabte Lohrindenversteigerung war sehr stark fre— 
juentirt. Namentlich waren außer der Pfalz Liebhaber aus Hessen, 
Zaden und Rheinprovinz vertreten. Zur Versteigerung gelangten 
10,500 Zentner aus Staats⸗, Gemeinde-⸗ und Privatwaldungen. 
Die Nachfrage war eine sehr lebhafte, und wurde mit wenigen 
Ausnahmen für sümmtliche Loose die Forsttare erzieli. Circa 6 
Ldoose wurden wegen allzu geringen Angebotes zurückgezogen. 
F In Kaiserslautern fand am Sonntag eine Zu—⸗ 
ammenkunft von Seifensiedern aus der Pfalz, Hessen, Baden und 
Nassau statt. Man wollte sich bezüglich einer allgemeinen Preis- 
erhoͤhung verständigen, konnte jedoch eine Einigung nicht erzielen. 
FBei der Einjährig-Freiwilligen-Prüfung in Speier waren 
ils Themata für einen deutschen Aufsatz gegeben: 1(Was ver⸗ 
danken wir dem Walde? 2) Licht- und Schattenseiten des Reisens. 
3) Mit welchem Rechte sagt Göthe: „Jugend ist Trunkenheit ohne 
Wein“? 
F Nach einem Ausschreiben des k. Oberpostamts in Speier 
»om 5. ds. sin an Sonn⸗-und Feiertagen die Post⸗ 
ichalter geöffnet von 8—ÿ9 Vormittags, von 11-12 Mittaqgs und 
»on 2—265 Nachmittags. 
Zur Abhaltung der Prüfung für das Gerichtsvollzieheramt 
wurde durch das k. Staatsministerium der Justiz bei jedem Landge— 
richte der Pfalz eine Prüfungskommission gebildet. Als “Mit—- 
glieder derselben für die Geschäftsjahre 1880, 1881 und 1882 
wurden ernannt: a. Frankenthal: Landgerichtspräsident 
lebel, Oberamtsrichter Kieffer, I. Staatsanwalt Fahr; b. Kai— 
erslautern (schon früher erwähnt): Landgerichtspräsident 
Müller, Landgerichtsrath Kuhn, J1. Staatsanwalt Eckard; c. Lan⸗ 
»au: Landgerichtspräsident Foell, Landgerichtsrath Boccking, 1. 
Ztaatsanwalt Hosemann; d. Zweibrücken: Landgerichtsprä— 
sident Haas, Oberamtsrichter Schaaff, 1. Staatsanwalt Petri. Die 
erste Prüfung hat so bald als möglich ohne Rüchsicht auf größere 
oder kleinere Anzahl Bewerber Statt zu finden. 
F Bei einem Krämer in Landau wurde in der Nacht vom 
Sonntag auf Montag eine beträchtliche Summe Geld gestohlen, 
wobei der Dieb eine Taschenuhr liegen ließ, aber das Kontobuch 
jerriß. Wahrscheinlich wollte derselbe sein Schuldbuch vernichten. 
Dem Fabrikrathe der kath. Kirche zu Pudwigshafen 
wurde zum Zwecke des Ausbaues dieser Kirche die Bewilligung 
zur Veranstaltung einer weiteren Prämienlotterie mit der Befugniß 
zum Loozabsatze im ganzen Umfange des Konigreichs Bayern 
ertheilt. 
Auf der Straße zwischen Hagenbach und Langen— 
berg (Vorderpfalz) wurde ein Mackler von 6 Handwerksburschen 
überfallen und seiner Baarschaft beraubt. 
F Das Unterrichtsgebäude des in der Auflösung begrif⸗ 
tenen Knaben⸗Instituts zu Ingenheim wurde in öffentlicher 
Versteigerung unn das Angebot von 15109 M. zugeschlagen. Die 
dosten des Baues betrugen seiner Zeit über 109,000 M. 
München. Zu den nun beginnenden Schulübungen der 
Fompagnien, in welche die Rekruten des letzten Zuganges eingestellt 
werden, sind auch jüngere Reserve-Offiziere auf 6 Wochen einzu⸗ 
herufen; eine zweite Abtheilung älterer Offiziere genannter Kate— 
gorie wird ebenfalls auf 6 Wochen (Anfangs August) zu den Re— 
giments-Uebungen und größeren Manövern im Herbste eingezogen. 
Frau Erbprinzessin Helene von Thurn und Taris hat 
für die Abgebrannten in Donaustauf 5099 M. angewiesen. 
F In Ingolstadt wurde ein Soldat des 1. Pionier— 
hataillons von einem Dienstknechte erstochen. 
F Die „Bayerische Notenbank' vertheilte für das 
Jahr 1879 eine Dividende von 9 Procent. 
F Eine für Geschäftsleute interessante Sache bildete die Be⸗ 
rufung eines Krämers von Hühnerfeld gegen ein schöffenge— 
richtliches Erkenntniß, wodurch er zu 59 M. Geldbuße verurtgeilt 
worden war, weil er einem Kinde, das Brod und Tabak bei ihm 
holen sollte, einen mitgebrachten 5 Markschein als Abzahlung auf 
eine alte Schuld des Kindes behielt, die verlangten Waaren aber