St. Ingberlker Anzeiger.
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Samstag den 20. März
1880.
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Bei dem bevorstehenden Beginne eines neuen Quartals er⸗
lauben wir uns, zum Abonnement auf den „St. Ingberter
Anzeiger“ hiermit ergebenst einzuladen.
Im Erscheinen und im Preise desselben wird keine Ver⸗
anderung eintreten.
Der „Anzeiger“ wird fortfahren, die politischen Tagesereig⸗
nisse in gedrängter Uebersicht, aber möglichst rasch und vollständig
mitzutheilen. Besondere Aufmerksamkeit wird er den lokalen und
provinziellen Angelegenheiten zuwenden. Daneben wird er seine
Leser mit den interessantesten Füllen aus dem Gebiete der
Rechtspflege (mit besonderer Berücksichtigung der Schöffengerichts
itzungen dahier) und mit den wichtigsten Handels⸗ und Ver—⸗
kehrsnachrichten bekannt machen.
Neu bestellungen wollen gefälligst bald, sowohl bei der
Post, wie bei uns oder unseren Austrägern gemacht werden. Un—⸗
seren bisherigen hiesigen Abonnenten wird der „Anzeiger“ auch
im neuen Quartale fortgeliefert werden, wenn sie nicht ausdrück⸗
üch abbestellen. Die neuzugehenden Abonnenten werden die schon
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Schließlich erlauben wir uns noch, den „St. Ingberter An⸗
zeiger“ zur Aufgabe von Inseraten aller Art einem geehrten hie⸗
sigen und auswärtigen Publikum in empfehlende Erinnerung zu
bringen.
Redaktion und Expedition
des Et. Jugberter Anzeiger“
Deutsches Reich.
Am Mitwoch beschäftigte sich der Reichstag mit einem
uaa der Deutsch-Konservativen bett. die Gewerbe -Ordnung
cdermann begründet im Namen der Antragsteller den Antrag,
er die Revision der Gewerbe⸗-Ordnung bezüglich der Schau—⸗
hiel⸗ Unternehmungen, des Auktionsbetriebes, der Wanderlager, so—
wie im Sinne der Wiederbelebung der Innungen bezweckt. Redner
weist auf die vielfachen entsprechenden Petitionen aus Handwerker⸗
kreisen und die offenbaren Mißstände hin, welche einzelne Bestim⸗
mungen der Gewerbeordnung unstreitig zur Folge gehabt hätten.
Er schlägt die Ueberweisung des Antrages an eine Kommisson von
21 Mitgliedern vor. — Günther enltwickelt die Schwierigkeiten
einer Aenderung des Theater⸗Konzessionswesens. Das Beduͤrfniß
einer Aenderung des Gewerbes der Auktionatoren sei von der Re—
gierung selbst in Abrede gestellt worden. Die Gesetzgebung der
Einzelstaaten habe sich bereits mit dem Wanderlagerbetrieb beschäf⸗
tigt. Ein Grund für das Eintreten der Reichsgesetzgebung liege
nicht vor. Die Einführung der Zwangsinnung liege nicht im Interesse
des intelligenten Handwerkers. Man moͤge die Einführung der freien
Innungen sich entwickeln lassen. — Hertling erklärt sich für die
Einschränkung des Theater⸗Konzessionswesens, aber gegen die Ein⸗
führung von Zwangsinnungen. Delbrück gibt einen Ueberblich
der Geschichte des Innungswesens in Preußen und erlennt an, daß
Einzelnes an der Gewerbegesetzgebung wohl geändert werden könne.
warnt aber vor übertriebenen Erwartungen bezüglich der Wirkung
der Gesetzgebung auf das Handwerk und dessen Entwicelung.
Staatsminister Hofmann erklärt, daß die Regierungen an dem
Prinzipe der heutigen Gesetzgebung festhalten, aber bezüglich ein⸗
zelner Punkte einer Abänderung nicht abgeneigt seien. Die Wie⸗
derbelebung des Innungswesens sei durchaus nicht dem Geiste der
Gewerbe⸗Ordnung entgegen. Diese habe die Innungen nie aufge⸗
hoben, sondern sogar Bestimmungen über die Bildung neuer Inn⸗
ungen getroffen. Das korporative Bewußtsein, das in den Inn⸗
ungen Ausdruc finde, habe eine hohe ethische Bedeutung ... Der
—— wird hierauf einer Kommission von 21 Mitgliedern über⸗
wiesen.
Die Militärgesetz Commission des Reichstages beendete am 17.
Marz die zweite Lesung des Gesetzentwurfes.Der bei der ersten
Lesung angenommene Antrag, daß in außerordentlichen Fallen die
eiden jüngsten Jahresclassen der Ersaßreserde erstet Classe zu einet
höchstens achtwöchentlichen Uebung durch kaiserliche Verordnung ein⸗
berufen werden können, wurde diesmal abgelehnt, die in der ersten
Lesung abgelehnte Befreiung der Theologen von den Uebungen ge⸗
nehmigt und schließlich das ganze Gesetz mit 18 gegen 8 Stim⸗
men angenommen.
Die „Provinzial-Korrespondenz“ wirft in einem Artikel über
den bevorstehenden Geburtstag des Kaisers (22. März) einen Rüdc⸗
blick auf das eben sich vollendende Lebensjahr und hebt hervor,
bezüglich der auswärtigen Politik habe der Kaiser das Ansehen
Deutschlands unvermindert bewahrt; es sei ihm gelungen, alte
Bande der Geschichte und Kulturgemeinschaft neu zu befestigen,
welche der Zukunft erhöhte Sicherheit verleihen.
Zum Geburtstage des Kaisers wird, wie das „Berliner
Zoabl.“ hört, nicht allein der König AUbert, sondern auch Prinz
Georg von Sachsen am 20. d. M. in Berlin einteffen
und als Gäste des Kaisers im königlichen Schlosse bis zum 23.
März verweilen.
Die künftige Gemahlin des künftigen deutschen Kronprinzen
ist nicht aus einem der großen europäischen Hänser: sie ist weder
durch die Höhe des Stammbaums noch durch Reichthum ausge-
jeichnet (das gesammte Privatvermögen des vor einiger Zeit ver⸗
torbenen Herzogs Friedrich wird auf eine Million angegeben);
aber sie ist eine echte deutsche Prinzessin, durch körberliche Schon⸗
heit wie durch geistige Vorzüge ausgezeichnet. Daß die Prinzessin
einige Monate älter ist als Prinz Wilhelm, regt unwillkürlich zu
inem Vergleich mit der Königin Louise an, die etwa in demselben
Altersverhältmmiß zu ihrem Gemahl, dem König Friedrich Wilhelm III.
tand. Moge der Vergleich sich auch im Uebrigen alb berechtigt
erweisen.
Der Brief des Papstes an den Erzbischof von Köln macht
aatürlich in allen Kreisen das größte Auffehen. Die Führer des
Centrums gestehen zu, daß der Papst, indem er die Anmeldung
der Bestallung der Geistlichen seitens der Kirchenbehörden bei den
taatlichen Behörden gestatiete, eine überaus große Konzession ge⸗
macht habe. Seitens des Centrums wird nun bestimmt erwartet,
daß die Regierung mit Maßregeln anworten werde, die eine gleiche
Nachgiebigkeit zu Gunsten der Kurie bekunden. Vielfach wird jetzt
daran geglaubt, daß möglicherweise schon im Laufe dieser Frühjahrs⸗
Nachsession des preußijschen Landtags demselben Vorlagen wegen
Abänderung der Maigesetze zuklommen dürften. In Regierungs⸗
kreisen bestreitet man ein so promptes Vorgehen noch, bestätigt aber,
daß man im Kultusministerium damit beschäftigt sei auf Grund der
aus den in Wien mit dem Nuntius gepflogenen Verhandlungen
und der daraus entnommenen Gesichtspunkte die Vorlagen für die
Abanderung der Kirchengesetzgebung im Allgemeinen vorzubereiten.
Festgehalten wird aber in unseren Regierungskreisen daran, daß es
iich bei Revision der Gesetze nur um einen modus vivendi, nicht
aber um eine prinzipielle Regelung der einschlägigen Fragen handeln
loͤnne. Darauf ist auch die neuliche Aeußernng des Reichskanzlers,
daß er die Kurie „nicht mit Canossamünzen“ bezahlen würde.
zurüczuführen.
Wie schon in den meisten deutschen Siaaten geschehen ist,
hat auch die Volksvertretung Elsaßz-Sothringens den Wunsch
ausgesprochen, die Regierung möge sobald wie möglich Schritte
hun, um in kürzester Jeit zur Herabsetzung der Gerichts
kosten zu gelangen.
Ausland.
Die französische Deputirtenkammer gab der Regierung mit
338 gegen 147 Stimmen folgendes Vertrauensvotum: Die Kam—
mer vertraut der Regierung; sie rechnet auf deren Festigkeit in
Anwendung der Gesetze über die nicht autorisirten Congregationen
uind geht zur Tagesordnung über.“
Der Vattican beauftragte den Nuntius Czacii in Paris,
ein absolut passives Verhalten zu bewahren, falls die französische
Regierung in Folge des Senatsbotums gegen die nicht autorisirten
celigidsen Orden einschreiten sollte.
Bisher schien Russisch-Polen kein Terrain für den
Nihilismus zu sein. Die Polen hielten sich wohlweislich reservitt,