Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

nischen Republiken Peru und Bolivia einerseits und Chili 
andererseits im Kriege miteinander. Bisher behielten die Chilenen 
die Oberhand. Nun sind sowohl in Peru wie in Bolivia Revo— 
lutionen ausgebrochen, wodurch die bisherigen Präsidenten der bei— 
den verbündeten Länder gestürzt und neue Männer an deren Stelle 
traten. Den Chilenen kommen bei der Kriegführung diese Revo— 
lutionen im Lager ihrer Feinde sehr zu statten. 
— 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 9. Januar. Gestern wurden auf der 
Coaksanlage des hiesigen Eisenwerkes, auf welcher schon längere 
Zeit keine Coaks mehr gebrannt wurden, 3 Coaksöfen probeweise 
angebrannt. Daran knüpft sich nun die frohe Hoffnung und be⸗ 
tärkt sich das schon einige Zeit coursirende Gerücht, daß auch bald 
wieder ein Hochofen in Betrieb gesetzt werde. 
Zweibrücken. In der Neujahrsnacht wurde der le— 
dige Jakob Gölzer von Wattweiler, Dienstknecht bei Bürgermeister 
Kemmer in Einöd, angeblich von einem verheiratheten Fabrikar⸗ 
beiter von dort, durch Messerstiche derart, namentlich am Kopf, 
verletzt, daß derselbe hierher in's Hospital gebracht werden mußte, 
wo er seitdem besinnungslos lag und in der Nacht zum 6. Jan. 
gestorben ist. Ueber den Anlaß des bedauerlichen Vorkommnisses 
jört man Folgendes: Der Erstochene, bei Kemmer als Aufwärter 
beschäftigt, beanspruchte vom Thäter Bezahlung für drei Glas Bier, 
während der letztere nur zwei schuldig zu sein behauptete. Da 
soll dieser den Gölzer aufgefordert haben, hinauszukommen, worauf 
dann die unglückselige That erfolgte. 
Landstuhl, 5. Jan. Heute Nachmittag wurden der 
ODekonom Daniel Hans und der Tüncher, Holz- und Kartoffel⸗ 
händler Theodor Mayer, beide von Reichenbach, einer Urkunden⸗ 
fälschung wegen (Fälschung eines Taxationsprotokolles durch Unter⸗ 
schrift und nachgemachtes bürgermeisteramtliches Siegel) verhaftet 
ind mit dem nächsten Zuge nach Zweibrücken, zur Untersuchungs— 
haft transportirt. 
F Wie die „Pf. Pr.“ hört, wird sich der Verfasser des be— 
annten Pamphlets gegen den Herrn Bürgermeister Görg in Kai— 
serslautern vor dem nächsten Schwurgerichte wegen Berufsbe— 
eidigung, begangen durch die Presse, zu verantworten haben. 
F In Speyer find im Jahre 1879 im Ganzen 660,173 
Kilogramm Fleisch verzehrt worden, 41,793 Kilo mehr als im 
Jahre 1878. Die Einwohnerzahl zu rund 14,000 gerechnet, tra⸗ 
fen also im Jahresdurchschnitt 47,180 Kilo auf den Kopf. 
fF Gersweiler, 5. Jan. Gestern ereignete sich hier 
ein schreckliches Unglück, welches sich doch wohl alle Eltern, be— 
sonders die Mütter, als Warnung dienen lassen sollen. Die Frau 
eines Bergmannes, welch' letzterer zur Arbeit von Hause fern war, 
hatte zum Waschen eine Bütte in das Wohnzimmer auf den Fuß— 
boden gestellt, in welches sie etwa einen Fuß hoch kochendes Wasser 
schüttete. Ihre beiden 13 Monate resp. 83 Jahre alten Kinder 
setzte sie darauf auf den Tisch und entfernte sich, um vom Brun— 
nen Wasser zu holen. Bei der Rückkunft fand die Frau das klei— 
nere Kind, ein Mädchen auf dem Kopf in der Wasserbütte stehend, 
his an die Brust schrecklich verbrüht, leblos vor. Nach Entfernung 
der Mutter sind die Kinder vom Tisch auf den Boden geklettert, 
im wahrscheinlich an dem dampfendem Wasser zu spielen, wobei 
das Mädchen das Uebergewicht bekam und kopfüber in das Wasser 
stürzte. (Saarbr. Ztg.) 
F Aus dem Kreise Merzig. Der schlechte Ernteausfall 
des vergangenen Jahres hat unter der ländlichen Bevölkerung unseres 
Kreises und einiger Eifeler Kreise einen Nothstand hervorgerufen, 
welcher bereits die Aufmerksamkeit der Behörden erregt und zu 
dessen Linderung wohl Kreis- uud Provinzialhülfe in Anspruch ge— 
nommen werden muß. 
F Aus Elsaß-Lothringen. Das dem Landesausschuß vor⸗ 
liegende Anleihegesetz verlangt u. A. einen Kredit für die Vertief— 
ung des Saarkohlenkanals um 20 Centimeter. Gegenwärtig beträgt 
die Tiefe desselben nur 1,80 Meter. Außerdem werden Mittel 
beansprucht, um die Menge des zur Speisung des Saarkohlenkanals 
dienenden Wassers zu vergrößern; zu diesem Zwecke soll besonders 
auch die Saar verwendbar gemacht werden. 
F Einer Mannheimer Firma wurden 700 leere Petro— 
leumfässer durch das Hochwasser entführt; sie repräsentiren einen 
Werth von etwa 20,000 Mark. 
F Der Etat des Großherzogthums Baden verlangt eine, Auf⸗ 
besserung“ der Civilliste, welche 1,200,000 Mark pro Jahr be— 
rägt, um jährlich 300,000 Mark. In einer Zeit, da allenthalben 
über Nothstand und Hungersnoth geklagt wird und die badische 
Thronrede selbst „äußerste Sparsamkeit“ ankündigte, ist diese For— 
derung einer Erhöhung der Civilliste mindestens — höchst über— 
raschend. 
Ein Wunderkind! Die „Köln. Ztg.“ brachte am Sams— 
'ag im 2. Blatt folgende Geburtsanzeige: „Nürnberg, 30. Dez. 
1879. Als Nengeborene empfiehlt sich Freunden und Belannten 
Clara, Tochter des kgl. Professors Walther und Anna Walther, 
zeb. Schrimpff.“ Eine Neugeborene, die schon Bekannte und 
Freunde hat und eine geborene Schriftstellerin ist! Wobei man sich 
am meisten darüber wundert, daß die Kleine nicht schon gleich 
ihre Verlobung anzeigte. 
F Aus Spandau wird der „Tribüne“ von einem fürchter⸗ 
lichen Unglück berichtet, das sich auf dem Eiswerder am 30. er— 
ꝛeignet hat. Am Dienstag Vormittag waren die Arbeiter Hofmann 
ind Peter bei dem Mengesatz — einem Leuchtmengestoff, der zur 
derstellung von Raketen benutzt wird — befchäftigt, als kurz vor 
10 Uhr die Masse unter furchtbarer Detonation explodirte. Das 
Mengewerk, ein massives Häuschen, war augenblicklich vom Erd— 
boden wegrasirt, nur Steintrümmer lagen zerstreut umher unb be— 
heckten die beiden Arbeiter. Hofmann war sofort todt, Peter ist 
ebensgefährlich verletzt. Beide sind Familienväter. Von der Gewalt 
der Erplosion zeigt der Umstand, daß die Balken des Mengewerks 
iber die Erdwälle viele Schritt weit geschleudert wurden; über 500 
Fensterscheiben der nächstgelegenen Häuser sind zersprungen und 
»adurch noch viele Personen verletzt worden. Die Urfache der Er— 
losion ist bis jetzt noch unaufgeklärt, von derschiedenen Seiten 
vird vermuthet, daß die Ursache in dem Einflusse des Witterungs⸗ 
vechsels, namentlich der größeren Feuchtigkeit auf das Magnesium⸗ 
vulver, welches den Hauptbestandtheil des Mengesatzes bildet, zu 
uchen sein möchte. Aehnliche Unglücksfälle durch Erplosion von 
Sprengmaterialien sind in letzter Zeit in München, Sommerda, 
Ddüsseldorf und Ofen vorgekommen. 
— Aus der Instructionsstunde. In X., einer nicht gar 
zroßen deutschen Garnisonstadt, setzte jüngst der dienstthuende Offi⸗ 
ier den aufmerksamen Rekruten u. a. verschiedenes über Löhnung 
der Soldaten auseinander. Dabei wurde bemerkt, daß die Loh⸗ 
nung in Decaden und postnumerando an den Soldaten erfolge. 
In der nächsten Instructionsstunde erhielt der Herr Präceptor auf 
»ie Frage: „Wie erhält der Soldat seine Lohuüung?“ von einem 
joffnungsvollen Jünger des Mars nach einigem Zoͤgern zur Ant⸗ 
vort: „In — Ducaten und — Postoorschuß.“ 
F Nur selten ist es einem Paare beschieden, die eiserne 
dochzeit zu feiern. Sie bildet den „Gipfel“ der Ehestandsjubi— 
äen. Positiv: die silberne Hochzeit; Comparativ: die goldene 
hochzeit; Superlativ: die diamantene Hochzeit, und endlich als 
Gipfel“ die eiserne. Nach siebzig Jahren ehelichen Zusammen— 
ebens wird sie begangen. Von einem Altsitzer Friedrich Kersten 
nn Hertefeld bei Nauen wurde am 5. Januar die eiserne Hoch— 
eit gefeiert. Der Jubelgreis ist 9315 Jahre alt, seine Frau ist 
hmenoch ein halbes Jahr „über“. Aus der Ehe entstammten 
echs Töchter und ein Sohn, von denen vier Töchter und der 
Sohn noch leben. Das würdige Paar lebt in guten Verhältnissen 
ind ist überaus rüstig. Sie fuͤttern selbst noch das Vieh und be— 
orgen andere Hausarbeiten. Nur eine Eigenheit haben sie, es 
»arf ihnen Niemand, „nicht einmal der Pastor,“ vom Tode 
prechen. 
F. Eine interessante Notiz geht dem „Berl. B.«C.“ aus Paris 
u: Seit dem Jahre 1871, also seit ungefähr neun Jahren, hat 
Frankreich in den verschiedenen Ressorts zusainmen 91 Minister gehabt. 
F London. Die deutschen Schiffe „Ida“ und „Ernest“, 
eide von Stettin, strandeten nahe Cardiff. Von der „Ida“ ift 
zur ein Matrose, vom „Ernest“ fünf Matrosen und der Kapitän 
Holmes gerettet. Im Ganzen sollen 13 Personen ertrunken sein. 
FKaiserin Eugenie geht nun doch nach Zulu-Land, um 
die Stätte zu besuchen, wo ihr Sohn gefallen. Sie will schon 
im nächsten Monat abreisen, und Generalmajor Ev. Wood wurde 
von der Königin Victoria beauftragt, sie zu begleiten. 
F Englands Kriege. Seit dem Jahre 1816, welches als 
der Beginn eines ewigen Friedens begrüßt wurde, hat England 
73 Kriege unternommen. Seit 25 Jahren haben die Kriege2 
Millionen Menschenleben und 75 Milliarden Mark verschlungen. 
Die Kriegsbereitschaft in Friedenszeiten kostet Europa jähtlich 12 
Milliarden Mark. 
Aus der neu ausgegebenen englischen Flottenliste geht 
jervor, daß gegenwärtig 131 englische Kriegsschiffe auf verschiedenen 
bPunkten der Erde sich in Dienst befinden. 
F Einer im „Journal of the Telegraph“ enthaltenen Notiz 
ufolge betrug Ende 1877 die Länge sämmtlicher Telegraphen⸗ 
eitungen in Europa 769,768 englische Meilen, in Amerika 114, 157, 
n Asien 24,521, in Australien 23,582, in Afrika 8148 Meilen. 
Ferner betrug die Zahl der Telegraphenämter in Europa 32,335 
einschließlich 12,708 Eisenbahntelegraphenstationen), in Amerika 
3756, in Asien 489, in Australien 689, in Afrika 196. Das 
jesammte Welttelegraphennetz umfaßte Ende 1877 also 940,176 
englische Meilen (gleich 1,513,683 Km.) Leitung mit 42,465 
Telegraphenämtern. 
F Bei einem Antiquar in Moskau ist kürzlich ein silber⸗ 
ner Humpen deutscher Arbeit aus dem 17. Jahrhundert entdeckt 
vorden. Nicht sowohl die künstliche Arbeit des alterthümlichen 
Hefäßes, als vielmehr die Zusammenstellung der äußeren Verzie⸗ 
rung in ihrer merkwürdigen Beziehung zur Gegenwart hat einige