Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
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Sonntag den 11. Januar 
1880. 
Deutsches Reich. 
Aus München, 7. Jan., schreibt man dem „Nürnb. Corrsp.“: 
Für den Landgerichtsdirector Reiffel, Ersatzmann des Abg. Dr. 
Freyburger, hat das Ministerium des Innern, in analoger An⸗ 
wendung des Art. 29 Abs. 2 des Wahlgesetzes, die Vornahme 
einer Neuwahl (des Herrn Reiffel) angeordnet. 
Die Fürstin Bismarck ist von Berlin nach Varzin abge— 
xeist; man folgert daraus, daß der Gesundheitszustand des Fürsten 
eine Reise nach Berlin zunächst nicht zuläßt. Allem Anschein nach 
oerdienen die Berichte über eine Verschlimmerung in dem Befinden 
des Reichskanzlers doch mehr Glauben, als andere Angaben, welche 
oon einer nahezu vollständigen Herstellung zu berichten wissen. 
Frankfurt a. M., 8. Januar. Oberbürgermeister von 
Mumm ist zum lebenslänglichen Mitgliede des Herrenhauses er— 
aannt worden. 
dienen wird, Andere beim Holzfällen vorsichtiger zu machen. Heute 
aämlich fällten die Holzmacher von Otterlberg im nahen Waldesorte 
Schwarzhübel starke Baustämme und wurde bei dieser Gelegenheit 
ein armer, aber braver Holzmacher von hier, Namens Ludwig 
Werle, derart unglücklich an eines seiner Beine getroffen, daß das⸗ 
elbe vollständig uͤber dem Knöchel entzweigeschlagen und zersplittert 
wurde. Unvorsichtigkeit von Seite seiner Mitarbeiter soll hier mit 
uinterlaufen. 
F In Neustadt beabsichtigt eine Anzahl Hauseigenthümer, 
einen Verein zu gründen, um in Zukunft dem gewohnheitsmäßigen 
Nichtbezahlen der Hausmiethe seitens vieler Miether energisch ent⸗ 
zegenwirken, resp. vorbeugen zu können. 
4 Mit dem Eintritie gelinderer Wiiterung hat sich für die 
Weinbergarbeiter auch wieder Gelegenheit zur Thätigkeit eingestellt; 
n den Wingerten am Haardtgebirge sieht man ganze Züge von 
Frauen und Mädchen, die Compost in die Furchen schaffen. Der 
Zchaden durch die Kälte hat sich in den besseren Lagen von Kall⸗ 
tadt, Dürkheim, Ungstein als nicht so erheblich herausgestellt, als 
nan anfangs glaubte. Wo das Holz reif war, ist vor der Hand 
mmer noch ein guter 80er zu erwarten. 
In Dreisen fiel am 5. ds. ein fünfjähriges Kind in einen 
im Boden stehenden Hafen voll kochenden Wassers und starb am 
folgenden Tage an den erlittenen Brandwunden. Gleiches Unglück 
traf an demselben Tage ein Zjähriges Kind in Mölschbach. 
F Der württembergische Minister des Innern v. Sick 
zesuchte vermittelst Equipage die Ueberschwemmung in Unterdürk⸗ 
Jeim (bei Cannstatt). Seine Pferde eriranlen dabei, während er 
elbst nur mit Mühe durch einen Kahn gerettet wurde. 
München. Das „Vaterland“ bringt in seiner Nr. 5 
einen recht interessanten Artikel, welcher davon handelt, daß beab⸗ 
ichtigt gewesen sei, drei Regimenier nach Preußen zu versetzen, 
vofür dann preußische Regimenter nach München kommen sollten. 
Wie aus bester Quelle versichert werden kann, ist die ganze Ge⸗ 
chichte lediglich Erfindung. 
f Essen, 7. Jan. Auf der Krupp'schen Fabrik geht der 
Betrieb im Allgemeinen wieder recht flott, die Gesuche nach Ar⸗ 
hzeitern in den Zeitungen mehren sich, und auf den Bahnhöfen 
iinden sich seit den letzten Wochen wieder viele auswärtige Arbeiter 
ein, die ihrem Aeußern nach aus Polen zu lommen scheinen. In 
den letzten Jahren waren derartige Zuzüge hier sehr selten und 
hatten in der letzten Zeit ganz aufgehört. (Ess. 3.) 
4In Kosen ist eine in der dürftigsten Weise lebende alte 
Dame, Fräulein Zerkenbach, in ihrem ungeheizten Zimmer erfroren. 
Bei Durchsuchung ihres Nachlasses fanden sich in einem alten 
Unterrocke 132,000 M. in Gold und in Kassenscheinen. Die Erben 
werden gesucht. 
FeEin japanischer Polizeirath befindet sich gegenwärtig im 
Auftrage seiner Regierung in Berlin, um die dortigen criminal⸗ 
polizeilichen Einrichtungen kennen zu lernen. Wie er erzählt, sind 
das deutsche Strafgesetzbuch und die deutsche Strafprozeßordnung 
auf Veranlassung seiner Regierung ins Japanische übersetzt und 
wverden voraussichtlich bei der demnächstigen Revision der Straf⸗ 
rechtspflege in Japan eine wesentliche Berücksichtigung erfahren. 
F(Datum⸗Eier.) Unter diesem Namen werden von einer 
Privat⸗ Hühnerzüchterei in der Nähe Hamburgs jetzt zum Verkauf 
usgeboten, welche in blauem Stempel das Datum tragen, an 
velchem sie gelegt worden find. 
F Freiburg i. Br. Mit Rüchsicht auf die schon längere Zeit 
andauernden mißlichen Geschäftsberhälinisse, deren Ursache großen⸗ 
heils in dem leidigen Creditunwesen zu suchen ist, haben sich einzelne 
giesige Geschäftsleute entschlossen, von Neujahr an nur gegen baar 
zu verlaufen, wobei jedoch, und zwar ohne jede Erhöhung der bis—⸗ 
herigen billigen Preise, 5 Procent Rabatt bei Veträgen von 3 M. 
in, bei größeren Betragen aber nach gegenseitigem Uebereinlommen 
3 Monate Ziel ohne Rabatt verwilligt würde. 
Auch in den Gebirgsgegenden Schlesiens tritt der 
stothstand auf. In der Grafschaft Glatz leiden ewwa 500 Weber—⸗ 
amilien die bittersfte Noth. Das Städichen Ladin hat nur 1670 
Seelen, worunter sich 100 darbende Familien befinden. Die Weber 
Ausland. 
Paris. Bezüglich des Botschafters in Berlin, Grafen St. 
Vallier, verlautet, daß derselbe das eingereichte Entlassungsgesuch 
zwar nicht zurückgenommen habe, im Einverständniß mit der Re— 
gierung aber bereit sein dürfte, einstweilen die Leitung der Bot⸗ 
schaft in Berlin zunächst einige Zeit fortzuführen. (Graf St. 
Vallier, der bei der deutschen Regierung eine persona grata ist, 
deabsichtigte in Folge des neuesten Ministerwechsels in Paris, der 
hm das Schwergewicht der Regierung zuviel nach Links verlegte, 
oon seinem Posten zurückzutreten.) 
Wasßhington, 8. Jan. Im Repräsentantenhause wurden 
Vorlagen eingebracht, wonach für Eisenerze Zollfreiheit gewährt, 
für Brucheisen eine Steuer von 3, für Stahlschienen eine solche 
don 10 Dollars pro Tonne festgesetzt, die Steuer auf baumwollene 
Harne aber um 25 pCt. und diejenige auf Leinenfabrikate um 
10 pCt. erhöht werden soll. 
Die „Polit. Corresp.“ meldet unter Vorbehalt aus Cettinje: 
Die Albanesen aus Gusinje sind heute früh gegen die montene—⸗ 
zrischen Truppen ausgerückt; letztere, die strengen Befehl hatten, den 
ndampf zu vermeiden, hätten sich zurückgezogen, seien aber bei der 
Rückwärtsbewegung von den Albanesen angegriffen worden; der 
dampf habe um 9 Uhr früh begonnen. 
Vermischtes. 
Der verflossene Stadtrath von Pirmasens hat den dor⸗ 
ligen Bürgern eine schöne Bescheerung zurückgelassen: Die Einführ⸗ 
ang des Schulgeldes, und zwar in der Weise, daß von einem Kinde 
3,40 M. und von zwei und mehreren Kindern 8,80 M. in Zu⸗ 
'unft zu bezahlen sind. Bisher wurden die Schulgelder auf die 
Umlagen gleichmäßig vertheilt. Unter der meist aus Fabrilarbeitern 
estehenden Bevölkerung herrscht ob der Neuerung nicht geringe 
Aufregung. 
FeKaiserslautern. Ein hiesiger Einwohner hatte durch die 
zünstige Lage seiner Wohnung das Vergnügen, am Neujahrstage 
»on 240 Armen beglückwünscht zu werden. Da jedem Neujahrs⸗ 
zratu lanten ein gewisser Betrag verabreicht wurde, so war es leicht, 
die genaue Zahl der Glückwünschenden festzustellen. 
F Otterberg, 6. Jan. Gestern Abend nach 10 Uhr ereig— 
neten sich in hiesiger Stadt ein höchst bedauerlicher Unglücksfall. 
Der Lederhändler Philipp Cherdron von hier, ein sehr rühriger und 
emsiger Geschäftsmann und angesehener Bürger hiesiger Stadt, 
wollte in seinem bekannten Geschäftseifer in der obengenannten 
Abendstunde noch einen Pack zu versenden des Leder aus der zweiten 
Ftage seines Wohnhanses holen, verfehlte beim Heruntergehen aber 
uinglücklicher Weise die erste Stufe einer steilen Stiege und stürzte 
ählings in den Hausflur und zwar so unglücklich auf den Kopf, 
daß er, trotz eiligst herbeigeholter ärztlicher Hilfe nach einigen 
Stunden seinen Geist aufgab. Wie man hört, erlitt der Arme 
durch diesen unglüdlichen Sturz einen Schädelbruch. Er war ein 
Mann im besten Thun und Alter, ein Vierziger, und hinterläßt 
ꝛine junge Wittwe mit fünf noch hilflosen Kindern. Die Theil⸗ 
aahme ist hier eine allgemeine. 
Ein weiterer Unglüdsfall ist hier zu registriren, der in 
veiteren Kreisen belannt zu werden verdient und der als Sporn