Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

weil er Schülern des Gymnasiums und der Rectoratschule Gele— 
jenheit zum Genusse geistiger Getränke gewährt hat. Auf einge— 
r Recurs hat der Minister des Innern diese Entziehung be—⸗ 
Von der Strafkammer des Landgerichts Kempten wur⸗ 
den 4 Dorfwirthe wegen Gebrauchs ungestempelter Spiellarten zu 
einer Geldsttafe von je 500 Mk. verurtheilt. 
Bremen. Die Wiedereröffnung der Schifffahrt hat uns 
eine so beispiellose Auswanderung zugeführt, wie wir sie seit vielen 
Jahren nicht mehr gekannt haben. In einigen Gegenden O st⸗ 
und Westpreußens bleiben nur wenige Personen in dem 
)eimathlichen Dorfe zurück. Seit einigen Jahren hat der Nord⸗ 
deutsche Llohyd die Auswanderer aus Schweden, welche früher 
fast ausschließlich über Liverpool reisten, für den Weg über Bremen 
zewonnen. Mehr als 2000 Schweden haben sich bereits in diesem 
Jahr über Bremen nach Amerika eingeschifft, Auch in Norwegen 
hat er Verbindungen angeknüpft; der Lloyddampfer Hohenstaufen“ 
ist am 4. April nach Christiania abgegangen, wo er etwa 1000 
Auswanderer an Bord nehmen und unmittelbar nach New⸗York 
oringen wird. Bis zum 11. April sind ungefähr 14,.000 Men⸗ 
chen über hier nach Amerika gereist, ungefähr die Hälfte der Zahl 
welche im ganzen vorigen Jahr über hier sich einschiffte. Mit der 
tarken Auswanderung geht die Verschiffung deutscher 
Nanufakturwaaren nach Amerika Hand in Hand; 
rnie war dieselbe massenhafter als gegenwär— 
nig; die Dampfer können die sich darbietenden Güler kaum beför— 
dern. Wir kennen mehrere Fabrikanten von Vaumwollgeweben in 
Sachsen und Fabrikanten sogen. niederländischer Tuche in der 
Rtheinprovinz, welche mit Lieferungsverträgen für Amerika bis zum 
ẽInde des Jahres beschäftigt sind. Hamburg, welches vor einigen 
Fahten eine größere Anzahl Auswanderer als Bremen beförderte, 
st jetzt von letzterem Platze völlig überflügelt. Bremen hatin 
diesem Jahr bereits mehr als die doppelte Anzahl Auswanderer 
die Hamburg befoͤrdert. 
FGon Preußens erstem Gentleman.) Schon zu wie— 
»erholten Malen sind Nachrichten darüber in die Oeffentlichtkeit 
zjeiungt, in welch' erstaunlichem Grade unser Kaiser auf die zu 
einem Dienste befohlenen, bezw. in seinem persönlichen Dienste stehen⸗ 
»en Persönlichkeiten und deren Zeit Rücksicht nimmt. Bekanntlich war 
er Kaiser einige Tage durch eine Heiserkeit unpäßlich und ans 
Zimmer gefesselt. Am ersten Abend nun, als der Leibarzt Dr v. 
dauer in Folge der Erkältung den hohen Patienten ersuchen mußte, 
ich für die nächsten Tage seinen Anordnungen gemäß zu verhalten 
und demgemäß auch am nächsten Morgen nicht so zeitig, wie ge— 
oöhnlich, sondern erst um 9 Uhr aufstehen zu wollen, war der 
in jedem Morgen zur Dienstleistung kommandirte Assistenzarzt Dr. 
Tiemann nicht zugegen, wäre also seiner sonstigen Gewohnheit ge⸗ 
näß am frühen Morgen erschienen, um die nöthigen Hilfeleistungen 
zu thun. Diese Möglichkeit veranlaßte jedoch den Kaiser sofort zu 
einer besonderen Benachrichtigung des im medizinischen Friedrichs⸗ 
Wilhelms⸗-Institute zur Dienstleistung als Stabsarzt kommandirten 
Assistenzarztes Dr. T., daß ihm Dr. v. Lauer verordnet habe, ersi 
im 9 Uhr aufzustehen, und er deßhalb den Herrn Dr. T. ersuche, 
exft um diese Stunde im Palais zu erscheinen, damit er seine 
Zeit nicht durch unnöthiges Warten verliere. Wie viele 
zdürften sich diese hohe Rücksichtnaähme auf Andere zum Beispiel 
lehmen. 
f Im Gotthardtunnel kamen Gewässer zum Vorschein, 
velche eine Wärme von 30 Grad haben und so reich an alkalischen 
Sulphaten sind, daß die auf Steine und Röhren fallenden Tropfen 
trusten von Schwefel absetzen. Da hier zweifelsohne eine Mine⸗ 
calwasser von vorzüglicher Heilkraft vorliegt, wird der schweizerische 
Zund eine Untersuchung der Quellenverhältnisse in Bezug auf die 
Rentabilitat ihrer Ausbeutung veranlassen. 
Wien, 6. April. Im Bankhause S. M. v. Rothschild 
ahier ist eine riesige Defraudation verübt worden. Der seit einer 
steihe von Jahren in dem Bankhause in Diensten stehende Beamte 
zulius Straßer, 37 Jahre alt, verheirathet, welcher einen Ver⸗ 
rauensposten in der Effecten⸗Abtheilung inne hatte, hat sich eines 
zroben Mißbrauches schuldig gemacht, indem er seit langer Zeit in 
ortgesetzten Angriffen Werth⸗Effekten im Gesammt⸗Coursbetrag von 
300.,000 bis 550,000 fl. veruntreute. Die Sucht, reich zu werden, 
ührte Straßer auf abschüssige Bahnen. Er verwendete den Erlös 
er Effecten zu Operationen an der Bötse. Alle seine Speculationen 
nißglückten aber, trotzdem er sozusagen an der Quelle saß und die 
»en Geldmarkt berührenden Nachrichten aus erster und bester Hand 
erfuhr. Die Angriffe, welche er auf die ihm anvertrauten Werth⸗ 
apiere machte, wurden immer kühner, immer häufiger, und je 
vöhere Summen er defraudirte, in desto gewagtere Speculationen 
— 
ein werde und dann wollte er den Schaden, welchen er dem 
nankhause Rothschild zugefügt, gut machen. Das Mißgeschick ver⸗ 
ate ihn aber unablässig und don Monat zu Monat opferte ex 
zrößere Summen dem Vörsenspiele. Straßer lebie höchst einfach 
ind erregte in Folge dessen keinerlei Verdacht; trotzdem bleibt es 
anbegreiflich, wie die Unterschlagungen seit dem ge 1873 fort⸗ 
Jesetzt werden konnten, ohne entdeckt zu werden. Als Straßet 
nerkte, daß die Sache nicht weiter verdedt werden konnte, legte 
er ein umfassendes Geständniß ab, in Folge dessen er ver⸗ 
jaftet wurde. Zugleich mit Strasser wurden auch die Börsencomp⸗ 
oir⸗Inhaber M. Kanitz und H. Bergmann verhaftet, welche vor⸗ 
zugsweise seine Geschäfte an der Börse ausführten und von welchen 
man annimmt, daß sie recht gut wußten, woher Strasser das Geld 
zu seinen Börsengeschäften nahm. 
F.Ein „unparteiischer“ Berichterstatter. Der Pariser 
„Gaulois“ läßt sich von Berlin über die Militärdebatte im Reichs- 
age folgendes Telegramm schicken: „Im Reichstage zweite Lesung 
der Militärvorlage. Tribünen überfüllt. Monsieur Rickert, liberal, 
hält eine kriegerische Rede, welche nicht verfehlen wird, in Europa 
ine tiefe Erregung hervorzurufen. Der Redner entfesselt den 
Enthusiasmus, als er davon spricht, daß Frankreich zur Revanche 
rüstet. Am Fuße der Rednertribüne stehend, gibt Graf Moltke 
ahlreiche Zeichen der Zustimmung. Eine lange Salve von Bravos 
ibertönt die letzten Worte des Redners. Die Abgeordneten setzen 
iber ihre Bänke weg; sie umringen Herrn Rickert, sie beglückwünschen 
hn und drücken ihm die Hand. Die Damen in den Logen weinen. 
Der Enthusiasmus ist unbeschreiblich.“ ... 
Gemeinnütziges. — 
Wie lange erhalten sich die Hühnereier frisch und gut zum 
Herbrauch, wenn sie richtig aufbewahrt werden ) Es ist gewiß vom 
zrößten Vortheil für eine sparsame Hausfrau, wenn sie zur Zeit, 
vo die Eier am Billigsten sind, den ganzen Vorrath für den Winier 
inkaufen kann und dieselben so zu verwahren weiß, daß sie sowohl 
in ihrem Geschmade, als an ihrer Verwendbarkeit zu den ver— 
chiedensten Gerichten nichts verlieren. Ebenso angenehm ist es aber 
auch für den Hühnerzüchter selbst, zur Zeit des Ueberflusses etwas 
ür magere Legezeit — den Winter — zurücklegen zu können. 
Die verschiedensten Methoden werden da angewendet und alle disher 
ekannten haben doch nicht vollständig ihrem Zwecke entsptochen 
ind sind auch nicht in jedem kleinen Haushalte ausführbar. Nicht 
iberall ist ein guter Keller vorhanden, uin die noöthigen Gefaäße 
um Einkalken der Eier aufzustelsen, dann weiß ja auch jede Haus— 
rau, daß diese Eier nicht allgemeine Verwendung finden konnen. 
Das Einlegen in Salz und Äsche ⁊c. ⁊c, das Bestreichen mit der⸗ 
hiedenen Fettstoffen, um angeblich das Zudringen der äußeren 
zuft abzuhalten und so die Eier vor dem schnellen Verderben zu 
hützen, kurz alle bis jetzt bekannten Präservativpmittel sind mehr 
der minder umständlich und erfüllen doch nicht genügend ihren 
Zweck. Einsender Dieses hat nun seit Jahren schon folgendes 
Lerfahren bei der Aufbewahrung der Eier als das Einfachste und 
J wecentsprechendste gefunden. Wie es schon während der Haupte 
egezeit der Hühner, März — Mai, vortheilhaft ist, die Eier täglich 
venigstens zweimal von den Legenestern zu nehmen, so ist es aber 
inbedingt Erforderniß, Dieß mit denen zu thun, die fuͤr längere 
Zeit aufbewahrt werden sollen. Ende Juli wird angefangen für 
)en Winter zu sammeln und die Eier an einem leicht zu lüftenden, 
rostfreiem Orte auf einer Stellage, Eierstaäͤnder etc. der Reihe nach 
o aufgelegt, daß Eines das Andere in keiner Weise berührt. Am 
Bortheilhaftesten ist es freilich, wenn der ganze Raum, wo die 
Fier aufbewahrt werden, beständig eine ziemlich gleichmäßige Tem⸗ 
eratur hat, doch ist Dieß nicht unbedingt nothwendig; es ist ge⸗ 
nügend, wenn der betreffende Raum nicht geheizt wird und wenn 
es nicht in ihm gefriert. Die auf diese Weise aufbewahrten Eier 
erhalten sich vollständig zu jedem Gebrauche verwendbar volle 6—27 
Monaie, wenn sie unberühri bis zu ihrer Verwendung an Ort und 
Stelle liegen bleiben. Schreiber Dieses hat dies Verfahren seit 
nehreren Jahren eingehalten und stets mit gleichem Erfolg bewährt 
jefunden. Auf Anrathen und gelieferte Veweise mit den betref⸗ 
enden Eiern, haben schon verschiedene andere Hühnerzüchter den 
jleichen Versuch gemacht und die gleich guten Rejultaͤte erzielt, 
vas mich ermuthigt, das ganze Verfahren zum Nutzen sämmtlicher 
dühnerzüchter hiemit bekannt zu geben. Ein Mitglied des ornitho⸗ 
ogischen Vereins in Nürnberg, der Drahtwaarenfabrikant F. A. 
Morill, welcher vom 2. August 1879 bis zum 28 Februar 1880 
nehrere Hundert Stück Eier auf die angegebene Weise aufbewahrte 
ind sich davon überzeugte, daß das oben Gesagte vollständig auf 
Wahrheit beruht, hat nun einen sehr praktischen, transporiablen 
herschließbaren Kasten konstruirt, der leicht in irgend einer Ecke auf⸗ 
jehängt und gegen etwaigen Frost durch Verhangen mit Stroh⸗ 
»ecken ꝛc. geschützt werden kann. Von diesem Kasten kamen 
fFxemplare in verschiedenen Größen von 1001000 Stuck Eier 
Hei der Ausstellung des ornithologischen Vereins Nurnberg während 
der diesjährigen Osterfeiertage im Industrie⸗ und Kulturberein zur 
Ausstellung und fanden auch bei der stattfindenden Verloosung mit 
zerwendung.