St. Ingberler Anzeiger.“
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GJ.
Donnerstag den 22. Aupril
18so.
Deutsches Reich.
Zugegangen ist jetzt dem Reichstag der längst angezeigte
Gesetzentwurf, wonach der auf 10 M. für den Kopf der Bevöl⸗
kerung des Reichs festgestellte Maximalbeirag von Reichssilber—
münzen auf 12 M. erhöht werden soll. Das Bedürfniß hierzu
wird nachgewiesen, auch gesagt, daß der Silbermünzen⸗Umlauf in
England 2 M. mehr auf, den Kopf sei, als der für Deutschland
gesetzliche Höchstbetrag. Und England habe die Goldwährung, sei
oͤhnedies reicher! Der nächstliegende Einwand gegen diesen Vorschlag
kann sein, daß man damit unter Umständen von dem Weg zur
Goldwährung abgehen wolle. An Nickel⸗ und Kupfermünzen cour⸗
siren wenig über 1M. auf den Kopf, der Bevölkerung in Deutschland.
Am 20. April nahm der Reichstag die zweite Berathung
des Wucher gesetzes vor. Abg. Graf Wilhelm Bismarck (Sohn
des Reichskanzlers) empfahl seinen. von der Commission abgelehnten
Antrag, ein Zinsmaximum von 8 pCt. bei hypothekarischer Sicher⸗
heit und von 15 pCt., wo solche fehlt, gesetzlich festzustellen, indem
cc hervorhob, wenn man kein Zinsmaximum, das ungestraft nich
überschritten werden könne, festsetze, lasse man dem Richter einen
biel zu weiten Spielraum für die Beurtheilung, ob Jemand straf—⸗
baren Wucher getrieben habe oder nicht, und dadurch komme man
dahin, daß das Gesetz entweder zu mild oder zu streng angewendet
wird. Abg. Kiefer GBaden, lib.) sprach für den Regierungs- bezw.
Commissions⸗Entwurf und gegen den Antrag des Grafen Bismarck,
letzterer sei schon um deswiullen ungeeignet, weil die Wucherer so
raffinirt verfahren. daß sie auch die Klippe eines Zinsmaximums
zu umgehen wissen. Nachdem auch Abg. Reichensperger (Centrum)
sich für den Commissions- Entwurf erklätt hatte, wird der Bis⸗
marck'sche Antrag fast einstimmig abgelehnt und es werden Art. 1
und 2mit großer Mehrheit angenommen. Durch Art. 1 wird
der Wucher mit Geldstrafe bis zu 3000 M., der verschleierte
Wucher mit Geldstrafe bis zu 6000 M., der gewerbs⸗ oder ge⸗
wohnheitsmäßige Wucher mit Geldstrafe bis zu 18,000 M. bedroht
ind das Kennzeichen des Wuchers darein gelegt daß der übliche
Zinsfuß unter Benützung des Leichtsinns, der Unerfahrenheit oder
der Nothlage derart überschritten wurde, daß die dadurch erlangten
Vermogensvortheile in auffallendem Mißverhältniß zu den Leistungen
stehen. Durch Art. 2 wird mit der Strafe des 8 360 des Straf⸗
gesetzbuchs (Geldstrafe bis zu 150 M. oder Haft) bedroht, wer
als Pfandleiher oder Rückkaufshändler den behördlichen Anordnungen
zuwiderhandelt, insbesondere den behördlich festgesezten Zinsfuß
überschreitet.
Im Präsidium des Reichstages sind alle Anordnungen
getrofsen, um die vorliegenden Arbeiten bis zum 8. Mai erledigen
zu können.
Ausland.
Der Gesandte v. Radowittz überreichte am 19. April dem
Prasidenten der französifchen Republik sein Beglaubigungs—
schreiben als Vertreter des Deutschen Reiches während der Abwe⸗
jenheit des Fürsten Hohenlohe.
Times“ veröffenilicht ein Rundschreiben Freycinet's an die
Vertreter Frankreichs im Auslande, Der Minister führt darin
aus: Die franzosische Regierung wünsche keineswegs die Politik
von Thiers zu andern. Sie habe stets die Ausführung der Ver⸗
trüge zu beschleunigen und eine friedliche Losung der schwebenden
Fragen herbeizuführen versucht. Die Regierung hoffe, daß ein
Einverständniß zwischen England und der Pforte bezüglich der
Thätigkeit der internationalen Kommission zur Regelung der grie—
chischen Grenze hergestellt werden und dieses zur baldigen Lösung
der bez. Fragen fuͤhten würde. Orloff dürfte ein bedauerliches
Mißverständniß bezüglich der Hartmann'schen Angelegenheit aufge⸗
klärt haben. Die Regierung that alles Mogliche, um Rußland zu
beweisen, daß nur Gründe der bestehenden Gesetzgebung für die
Verweigerung der Auslieferung bestimmend gewesen seien. Hoffent-
lich wütden die Bemühungen der Regierung eine ruhige Beurtheil⸗
ing der Thatsachen seitens des großen Landes, dessen Freundschaft
Frankreich werthvoll sei, herbeiführen.
Das Repräsentantenhaus der vereinigten Staaten Nordameri⸗
kas hat den Gesetzentwurf betr. die Veranstaltung einer internati⸗
onalen Ausstellung in New-York im Jahre 1883 angenommen.
Verm ischtes.
* St. Ingbert, 21. April. In heutiger Sitzung des
ziesigen Schöfsengerichits kam nur ein einziger Fall zur
Verhandlung. Ein Bergmann von Hassel hatte nämlich gegen
zinen Strafbefehl Einspruch erhoben und wurde unter Verwerfung
des Einspruchs wegen verbotenen Schießens zu 8 Mark Geldstrafe
oerurtheilt.
x* St. Ingbert, 22. April. Am gestrigen Tage, dem
ogen. „kalten“ Mittwoch, der in Preußen als Buß- und Bet⸗
ag gefeiert wird, hatte sich unsere Stadt eines ziemlich zahlreichen
Besuches aus der preußischen Nachbarschaft zu erfreuen.
—* Wir erfahren über den schon in vor. Nr. erwähn⸗
ten Brand auf dem Ensheimer Hofe, daß derselbe im
Wohngebäude zum Ausbruche kam. Von Vorübergehenden wurde
er zuerst bemerkt. Die Feuerwehren von Ensheim und Heckendal⸗
heim eilten rasch zur Hilfe herbei. Ihrem thätigen Eingreifen ist
s zu danken, daß das Feuer auf das Wohnhaus beschränkt werden
konnte und die Oekonomiegebäude von ihm verschont blieben. Das
Wohnhaus hat übrigens stark gelitten. Der Dachstuhl ist nieder—
Jebrannt und der größte Theil des Mobiliars ist zerstört. Gebäude
und Mobiliar sind versichert. Pächter des Hofes ist Herr Guth.
*— Herr Assistent Neumann zu Schnappbach wurde
zum Hüttenmeister in Bodenmais im bayerischen Wald (Nieder—
hdayern) ernannt.
F Die diesjährige, am Ostermontag in den protest. Kirchen
der Pfalz erhobene Kollekte für die Zwecke des evangelischen Dia—
tonissenhauses dahier hat nach den Berichten der Dekanate
2947 M. 3 Pf. gegen 2275 M. 68 Pf. im Vorjahr ertragen.
Im Kartoffelgeschäft sieht es gegenwärtig flau
uus und gehen die Preise immer mehr zurück.
fRentrisch, 17. April. Vorgestern Nachmittag ent⸗
zleiste auf der Bahnstrecke St. Johann-Saarbrücken-St. Ingbert
zei unserm Orte der zweitletzte Wagen eines Arbeitsmaterialzuges.
Derselbe wurde eine Strecke weit geschleift, der Zuug alsdann zum
Stislftand gebracht und die Störung beseitigt. Ein Mann, der
iich in demselben befand, rettete sich durch einen Sprung aus dem—
selben. Der Unfall blieb ohne weitere Folgen. Ein Glück, daß
nicht der letzte Wagen entgleiste; der Zug wäre sonst Gefahr ge—
laufen, die steile Böschung hinabzustürzen.
F Der 24 Jahre alte Friedrich Schwarz in Webenheim
wollte am Montag einen Wagen mit Dung auf das Feld fahren.
In kurzer Entfernung vom Hause fingen die zwei Pferde an zu
aufen. Schwarz, der sie am Leitseil führte, wollte sie anhalten,
wurde aber zu Boden gerissen und vom schwer beladenen Wagen
überfahren. Den erhaltenen Verletzungen ist er noch am Abend
desselben Tages erlegen.
In Kaiserslautern haben 535 Lehrlinge Arbeiten
zur Ausstellung von Lehrlingsarbeiten angemeldet.
Kaserstautern. Die „Pfälz. Volksztz.“ schreibt:
„Wie uns mitgetheilt wird, soll sich das bis heute noch unbekannte
Komite, welches den Druck des vielversprochenen Pamphlets gegen
den Bürgermeister und Stadtrath in der Offizin der „Pfälzischen
Post“ veranlaßte und von dem Geschäftsführer der letztern aufge—
jefordert wurde, die Geldstrafe, zu welcher dieser verurtheilt wurde,
su zahlen, weigern, dieser Aufforderung nachzukommen. Die be—
reffende Strafe mit Kosten beläuft sich auf die Summe von 356
M. 60 Pf.
4 Der Stadtrath von Kaiserslautern hat beschlossen, an
die Direction der Pfälzischen Eisenbahnen eine Eingabe zu richten
des Inhaltes, daß bei Feststellung des Sommerfahrplanes der Stadt
Kaiserslautern ein Anschluß an den Schnellzug Köln-Basel und
eine bessere Verbindung mit der Rhein-Nahe-Bahn verschafft werde.
4 Ein schreckliches Unglück ereignete sich gestern in Boden⸗
heim. Ein Bauersmann war mit einem Wagen, woran eine
Kuh gespannt war, aus seinem Haus gefahren. Unter dem Thor⸗
hogen wollte der Bauersmann eine Wendung machen, die Kuh