Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

der geschlossenen Ehen nur von kurzer Dauer, indem die Eheleute 
sich entweder freiwillig oder in Folge von Ehescheidungsprozessen 
trennen. Haben die Eheschließungen abgenommen, so hat dafür 
in den letzten Jahren die Jahl der Ehescheidungsprozesse in ganz 
bedenklicher Weise zugenommen und di— Gerichte stark beschäftigt. 
EGur Bequemlichkeit des reisenden Pu— 
blikums) beabsichtigt man bei der Anhalter resp. Thüringer Bahn 
die in neuerer Zeit öfter besprochenen Restaurationswagen bei Kurier⸗ 
zügen einzuführen, eine Einrichtung, wie sie auf englischen und 
merikanischen Bahnen zum Theil schon lange existirt. Um eine 
Ueberfüllung der Restaurationswagen zu verhindern, werden beson⸗ 
dere Billets zu 30 Pfennig ausgegeben. Der Reisende kann nun 
wann es ihm beliebt, sein Koupé verlassen und sich während einer 
der bezeichneten Strecken in die Restaurationswagen begeben. Der 
Aufenthalt daselbst ist lang genug bemessen, um in Gemächlichkeit 
Dunger und Durst stillen zu kdanen. Es wird darauf gesehen 
werden, daß die zu liefernden Speisen und Getränke nur in bester 
Qualität dargereicht werden. Die neue Einrichtung soll mit dem 
. Juli zur Einführung gelangen. 
F. In Berlin und auch in anderen Orken siud in der letz— 
ien Zeit falsche Fünfmarkscheine zur Verausgabung gelangt. 
Die Reichsschuldenverwaltung zu Berlin, an welche solche Falsifikate 
zur Begutachtung eingesandt worden waren, hat dieselben mit dem 
Roihstempel Falsch“ zurückgegeben, wobei darauf aufmerksam ge⸗ 
macht wird, daß auf der Vorderseite der Falsifikate innerhalb des 
Datums hinter Berlin das Komma und hinter 11. Juli 1874 die 
Punkte fehlen, — In Frankfurt sind falsche Fünfzig⸗Pfennigstücke 
aus Zink hergestellt im Umlauf. 
. Eine geradezu beispiellose Ru chlosigkeit ist in Ber— 
in während einer der letzien Nächte der vergangenen Woche in 
dem Depot der Großen Beruͤner Pferdebahn in der Brandenburg- 
jtraße verübt worden. Trotz Stallwachen haben Diebe sich wäh⸗ 
cend der Nacht Eingang in die Stallräumlichkeiten verschafft und 
den dort stehenden Pferden, ca. 10 an der Zahl, die Schweife 
ais auf die Schwanzwurzeln abgeschnitten. Einzelne Pferde sind 
dadurch so entstellt, daß sie vom Diensfte ausgeschlossen bleiben 
müssen. 
F.Galauer.) Auf welchen Ton waren die Posaunen 
von Jericho gestinmnt? — Auf D-moll; denn sie haben Alles 
- demolirt. 
F Ein im Landesgerichtsgefängniß zu Wien kürzlich vor⸗ 
genommene Untersuchung ergab das überraschende Resultat, daß 
ðv einzelnen mit den erforderlichen Mitteln versehenen Sträflingen 
schon seit längerer Zeit gelungen war, sich statt der vorgeschriebe⸗ 
nen einfachen Hausinannskost opulente Mahlzeiten aus einer Re— 
tauration, deren Kochbuch einen konfessionellen Anstrich hat, zu 
verschaffen. Man kann sich das Erstaunen der Untersuchungs⸗ 
organe denken, als sie in einer Zelle sogar Champagnerflaschen 
fanden. Fideles Gefängniß! 
FGin Reiterstückchen.) Der bekannte rohalistische 
Abgeordnete Baudry d' Asson hatte am Sonntag in der Pariser 
portliebenden Welt die Ehren des Tages. Er war eine Wette 
von 10 000 Franks eingegangen, der zufolge er sich verpflichtete, 
in der Rennbahn des Industriepalastes, wo seit vierzehn Tagen 
eine mit Reit- und Fahrübungen verbundene Pferdeausstellung 
tattfand, in zehn Minuten über hundert, 80 Zentimeter hohe 
hindernisse, die in einer Entfernung von je drei Metern aufge⸗ 
ttellt werden sollten, hinwegzusetzen, so zwar, daß er nicht üder 
wanzig Schranken umwerfen würde. Eine zahlreiche fashionable 
Zuschauerschaft war schon am frühen Vormittag erschienen, um 
dem ritterlichen Spiele beizuwohnen. Kurz vor zehn Uhr traͤf der 
eunrige Vendeer mit drei Pferden ein, unter denen er seinen Partner 
vaͤhlen ließ. Er bestieg das Thier, das man ihm bezeichnete, und 
hielt mehr, als er versprochen hatte, denn in neun Minuten war 
das angekündigte Reiterstück vollbracht, ohne daß er ein einziges 
Hinderniß umgeworfen hätte. 
F Neunfacher Mord. In das Wirthshaus des Schenlers 
und Kaufmanns Haskel Goldenreich im Dorfe Wysokowysnie 
an der galizischrungarischen Grenze kamen Abeuds sechs ungarische 
Vauern aus der benachbarten Ortschaft Miskanobit und zechten 
dort bis gegen 10 Uhr Nachts. Gleichzeitig waren noch zwei 
jüdische Salzfuhrleute mit ihren Wagen dor eingekehrt, um zu 
ibernachten. Die Familie des Wirthes und einer der Salzhändler 
waren bereits zur Ruhe gegangen und der Wirth forderte die dem 
Branntwein fleißig zusprechenden Bauern zum Aufbruche auf. 
Fünf derselben entfernten sich, nur Einer, der die Zeche zu begleichen 
ibernommen hatte, blieb zurück. Der zweite Salzhändler, dem die 
Entfernung der fünf Bauern und das Zurücbleiben eines derselben 
verdächtig vorkam, trat, einen Diebstahl befürchtend, an das Fenster, 
um nach seinem vor dem Hause auf der Straße stehenden beladenen 
Wagen zu sehen. Kaum war er zum Fenster getreten, als er von 
rüchkwärts einen wuchtigen Hieb mit einem Beil⸗ auf den Kopf er⸗ 
hielt, so daß er blutüberstrͤmt und röchelnd umsank. Gleichzeitig 
drangen die fünf Bauern mit Schaufeln und Beilen bewaffnet in 
die Wohnstube und richteten unter den Anwesenden ein entsetzliches 
Blutbad an. Nur zwei von den elf im Hause befindlich gewesenen 
Bersonen kamen mit dem Leben davon Ein Hauslehrer, ein 
Zalzhändler, die Mutter des Schenkers und drei Kinder blieben 
ogleich todt, der Hausknecht verschied nach wenigen Stunden und 
die Schankwirthin, sowie ein übernachtender Reisender wurden so 
zugerichtet, daß deren Tod stündlich zu erwarten und ein Aufkommen 
unmöglich sei. Die Verwundungen sind furchtbare; die Todten 
und Verwundeten sind durch die Hiebe mit den scharfgeschliffenen 
Beilen und Schaufeln förmlich zerhackt. Der Schenker war im 
ersten Augenblick durch das Fenster des Schlafzimmers entsprungen 
und eilte hilfeschreiend ins Dorf, ein zehnjaäͤhriger Knabe reilete 
sein Leben dadurch, daß er uͤnler das Bett kroch, wo ihn die 
Mörder nicht bemerklen. Als die Bauern die Fluchi des Wirthes 
entdeckten, verließen sie, ohne den jedenfalls beabsichtigten Raub 
ruszuführen, den Schauplatz ihres Verbrechens. Der Umsicht und 
dem Pflichteifer sämmtlicher dortiger Sicherheitsorgane gelang es 
noch im Laufe des Tages die Uebelthätet festzunehmen. Der 
Rädelsführer ist ein 70jähriger Greis uͤnd ehemaliger Pandur. 
Hleich beim ersten Verhöre gestanden die Verbrecher ihre Absicht 
der Beraubung des Wirthes, von dem sie gehört haben wolllen. 
daß er Tags zuvor gegen 1000 fl. für veriauftes Gehreide umd 
VKieh eingenommen habe; doch seien sie an der Ausführung des 
Raubes durch die Furcht gehindert worden, daß der entflohene 
Wirth mit zu Hilfe gerufenen Bauern sie überrasche. 
x Aus Banjaluka schreibt man der „Deutschen Zeitung“: 
Die Einwanderung nach Bosnien scheint in Fluß zu kommen. 
Wir haben längs der Grenze bereits hannoveranische und tyrolische 
Colonieen, jetzt erhalten wir auch eine schwäbische. Um Robi 
kauften Bauern aus dem Schwarzwald große Grundcomplere, andere 
Bründe wurden von den Begs gepachtet und es sind bereits einige 
Familien auf ihrem neuen Besitzthum eingetroffen, denen gegen 60 
weitere folgen follen. Auch in der Schweiz macht sich eine Agi⸗ 
tation bemerkbar, die Auswanderung nach Bonien zu leiten; meh⸗ 
rere Agenten aus Bern und Zürich bereisten vor einigen Tagen 
die Gegend um Priedor und Berbir, um Grundkäufe abzuschließen. 
Aus der Licca ist die Einwanderung bedeutend, doch können die 
armen Liccaner kein Besitzthum käuflich an sich bringen, sondern 
sie schließen mit den Begs (große Grundbesizzer) Pachlverträge ab. 
Die Regierung begünstigi die Colonisten. Unsere Muhamedanet 
Derkaufen und verpachten den Deutschen mit Vorliebe ihre Befitzungen, 
vie sich überhaupt ein freundnachbarlicher Verkehr zwischen den 
Lingeborenen und den fremden Ansiedletn entwickelt.“ — 
F Menschenopfer in Birma. Schlimme Nacheichten kommen 
aus Birma. Die Haupistadt des Reiches befindet sich in großer 
Aufregung. Englische Blaͤfter berichten, daß dortselbst groze Men⸗ 
schenopfer stattgefunden haben. Hier ein Auszug. Vorecst meldete 
der Standard, die Astrologen in Mandalay behaupteten zir „Be⸗ 
eitigung übler Einflüsse“ bedürfe es eines großen Menschenopfers. 
100 aus allen Klassen der Gemeinde sollen gewählt werden. Die 
Phoongyen oder Priester, sollten 100 Personen liefern, und die 
übrigen 300 sollten gleichmäßig aus Männern, Frauen und Kindern 
hestehen. Es waren zahlreiche Verhaftungen vorgenommen worden, 
um eine hinureichende Anzahl von Personen zu haben, aus deren 
Mitte die beabsichtigten Opfer gewählt werden koͤnnlen. Die 
Phoongyhen. welche bisher von der Opferung befreit waren, ver⸗ 
ießen höchlich beunruhigt schaarenweise Mandalay. Vor einigen 
Tagen wurde dem romisch⸗ katholischen Konvent in jener Stadt ein 
Besuch abgestattet, augenscheinlich in der Absicht, um unter den dort 
untergebrachten Mädchen einige Opfer zu haschen. Glücklicherweise 
vurde der Versuch vereitelt. Ein späteres Telegramm der Daily 
NRews aus Rangoon weiß bereils von dem Vollzug der Opferung 
zu berichten. Danach wären nicht vierhundert, sondern siebenhunderi 
Menschen geopfert worden. Das betreffende Telegramm vom 11. 
d. datirt, lautet: „Im Folgenden gebe ich eine Erklärung der Nie⸗ 
dermetzelungen in Mandalah: Als die Staͤdt gebaut wurde, brachte 
man Menschenopfer dar. Ein neuer Monarch wählt sich gewöhn⸗ 
lich eine neue Hauptstadt. Die bösen Geister sind gereigi, daß bei 
dem Regierungsantritte des Konigs Thebaw lein Wechsel der 
Hauptstadt statigefunden hat, da vie alten Sühnopfer zu wirken 
iufgehört haben, Sie haben die Stadt mi den Blattern heimge- 
ucht. Um sie ju besänftigen, erklärten die Asttrologen die Opfer⸗ 
uing von 700 Menschenleben für nothwendig, Maͤnner, Frauen, 
dnaben, Mädchen, Pounhas, Priester und Auslaͤnder. Von allen 
vurden je 100, allen Klassen angehörig, unter den Thürmen der 
Ztadtmauern lebendig begraben. Ein auf das römisch-⸗ katholische 
Konvent ausgeführter Angriff schlug fehl. In Mandalay herrscht 
eine schredliche Panik; die Lente verlassen den Ort zu Hunderten. 
f Ein eleganter Flaschen verschluß wird mit Thierblase 
hergestellt, die man mit einem Firniß überstreicht, nachdem bereits 
das Fläschchen damit verbunden, nach wenigem Trocknen des An— 
triches mit Bronce — verschiedenster Farben — bestäubt und nach 
ölligem Trocknen mittelst eines kleinen Bäuschchens Baumwolle die 
iberflüssige Bronce herunterwischt. — E. u E —