Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberker Amzeiger. 
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AMñ 72. Donnerstag dere 
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1885. 
Deutsches Reich. 
(Neichstag.) Das Haus beginnt am 3. Mai bei An— 
wesenheit von nur 217 Mitgliedern die dritte Berathung des Ge⸗ 
setzentwurfs betreffend den Theatergewerbebetrieb. v. Schlieckmann 
bekämpft das Bedenken, daß man damit der Polizei eine zu weit 
gehende Befugniß einräume. — Lasker spricht gegen das Gesetz 
das so mangelhaft formulirt sei, daß es der Polizei die willkür— 
lichste Handhabung gestatte. — Gneist erklärt: Die Gewerbeord— 
nung bestimme, daß das Theatergewerbe nicht frei sein solle; deß—⸗ 
halb müsse der Gesetzgeber den Behörden eine gewisse Directive 
geben, wie die Konzessionen zu ertheilen seien. Die jetzige Fassung 
erfülle diese Bedingung aber nicht. Man solle die Ertheilung der 
Konzession in die Hand des Regierungspräsidenten legen. Der 
Antrag Lasker, zu z 32 der Gewerbeordnung hinzuzufügen, das 
Beschränkungen auf bestimmte Kategorieen von Darstellungen un⸗ 
zulässig seien, wird abgelehnt. Der vorgeschlagene Gesetzentwurf 
(welcher die Theaterfreiheit aufhebt) wird angenommen. 
Die dritte Berathung des Gesetzentwurfs betreffend die 
Rüstenfrachtschifffahrt wird ausgesetzt. Das Haus 
erledigt ohne Debatte in erster und zweiter Berathung den Aus— 
lieferungsvertrag mit Uruguay. Die provisorische Handels-Ueber— 
einkunft zwischen Deutschiand und Oesterreich wird nach einiger 
Berathung in erster und zweiler Lesung angenommen. Delbrück 
erklärte sich dafür, Bamberger u. A. dagegen, indem er den Ver—⸗ 
rrag als schön eingerahmte Null bezeichnete. 
Auf der Tagesordnung der am 3. Mai stattgehabten Sitzung 
des Bundesraths stand der Antrag Hamburgs, die Beschlußfassung 
über den Antrag Preußens betreffend die Einverleibung St Pauli's 
in den Zollverein so lange auszusetzen, bis entschieden ist, ob der 
Bundesrath nach Art. 34 der Reichsverfassung hierfür competent 
ist. Vorläufig unterbleibt die Stellung des Antrages im Reichstag 
in dieser Hamburger Frage. 
Die Nordd. Allgem. Ztg.“ bezeichnet die von der fortschritt⸗ 
lichen Presse verbreiteten Gerüchte über den angeblich bald bevor— 
stehenden Rücktritt des Fürsten Bismarck als unbegründet. Der 
Reichskanzler, sagt sie, habe in der durch seinen Gesundheitszustand 
ihm auferlegten Zurückhaltung Veranlassung gefunden, sich den 
eigentlichen ministeriellen Berufsgeschäften in auswärtigen und inne⸗ 
ren Angelegenheiten anhaltender zu widmen, als es ihm zu anderen 
Zeiten wegen der Betheiligung an den paramentarischen Arbeiten 
möglich gewesen. Er habe selbst erklärt, täglich größeres Interesse 
und größere Arbeitslust für die ministeriellen Geschäfte zu gewinnen. 
Seine sonstige Neigung, jede Gelegenheit zum Landaufenthalt zu 
benutzen, sei vor dem gesteigerten Interesse an der dienstlichen Thä— 
tigkeit in den Hintergrund getreten. (Eine kuriose Motivirung.) 
Das lautet ja fast so, als wäre Fürst Bismard früher nicht allen 
Pflichten seiner verschiedenen Aemter in vollem Maß nachgekommen. 
Das officiöse Blatt hat sich von seinem Byzantinismus etwas zu 
weit fortreißen lassen. D. R. d. „Pf K.“ 
Ausland. 
Die englische Regierung hat die 
grönländischen Küste nach Spuren des 
„Atalanta“ forschen zu lassen. 
Zwischen einigen Banden Albanesen und türkischen 
Truppen haben am Skutari-See Gefechte stattgefunden, weil die 
Letzteren das Uebersetzen der Albanesen über den See zu verhin— 
dern suchten. 
Das Pariser Journal „L'Europe diplomatique“ hat beun—⸗ 
cuhigende Nachrichten aus Shanghai erhalten. Danach herrsche 
in China eine den Fremden feindliche Gesinnung vor. Alle in 
Peking residirenden Gesandten hätten die Absendung von Kriegs⸗ 
schiffen nach Shanghai bei ihren Regierungen beantragt. 
tatten jetzt, ein Bad rasch und ohne Zeitverlust herzurichten; auch 
oll, wie wir hören, für aufmerksame Bedienung Sorge getragen 
ein. Der neu angelegte Garten mit Fontaine und schönem Gar— 
enhaus bietet sowohl vor als nach dem Bade einen angenehmen 
Aufenthalt. Möge Hrn. Peters zu seinem schönen Unternehmen 
»as Glück nicht fehlen! 
F St. Ingbert. (Auszug aus Dr. Waltemath's Vortrag: 
deben und Wirken der Deutschen in Nordamerika.) Die dritte Auswander⸗ 
ung findet statt jeit dem Jahre 1816, aus Deutschland sowohl als auch aus 
England. Der Umfang derselben ist der Zahl nach weit bedeutender als 
alle Ubrigen. Diese Wanderung wurde hervorgerufen durch allerlei uner⸗ 
zuickliche Verhältnisse, welche kurz mit den Worten Reaktion und politische 
VLerfolgung zu verzeichnen sind. Dazu kam noch, daß die Verkehrsmittel in 
ener Zeit rasch erleichtert wurden und es in Folge dessen einer großen Schaar 
möglich wurde, Europa, die alte Welt, mit der neuen zu vertauschen. Die⸗ 
ses Mittel, neue Menschen in die neue Welt zu bringen, war die Dampf⸗ 
fraft. Es geschah im Jahre 1807, daß — unter dem Gelächter einer thö⸗ 
richten Menge, die so leicht geneigt ist die Wissenschaft zu verachten, — der 
zeniale Robert Fulton auf dem Hudsonsstrom das erste Dampsschiff nach 
Paltimore sührte, und 1819 schon ging ein Dampfer über das große Welt⸗ 
meer nach Europa. Von ungeheuerm Einfluß auf die Verhältnisse Deutsch⸗ 
lands war die neuͤe Erfindung. Die durch die Freiheitskriege geschaffene 
dage änderte sich bald, als intelligenie Leute verfolgt wurden, weil fie den 
Bedanken deutscher Einheit zu hegen und zu pflegen wagten. In großer 
Unzahl verließen diese Leute ihre Heimath, gingen über den Ocean und tru⸗ 
gen ihre Ideen und ihre Kräfie in die Republik hinein. Sie drangen wei— 
ter nach Westen vor als die früheren Ansiedler und breiteten sich jenseit der 
blauen Berge aus zwischen dem Ohio und dem Mississippi, und wo in diesen 
der Missouri sich ergießt, dort hauptsächlich faßten fie Faß. Dort fanden fie 
deutsches Klima. Die Auswanderer aus dem Westen Deutschlands, die von 
der Mosel, dem Rheine, dem Neckar, der Saar fühlten sich angenehm be⸗ 
rührt durch das Klima, und dorthin verpflanzten sie die Rebe und kelterten 
den Wein. Das ganze Gebiet zwischen dem Missouri und dem Michigansee 
vurde von den Deutschen in Besitz genommen, und im Kampfe mit der Ur⸗ 
wildniß mochten die vielfach Verfolglen wohl nicht ahnen, daß der Gedanke, 
der fie aus der alten Heimath fortgetrieben, die Einheit des Baterlandes 
später von den Zurückgebliebenen in Deutschland würde ausgeführt werden. 
(Gorifetzung jolgt.) 
F Bei dem am 2. Mai in Kusel abgehaltenen Turntage 
varen fast sämmtliche Bundesbereine vertreten. Die Rechnungs⸗ 
iblage ergab einen Ueberschuß von 187 M. 48 Pf. Die Jahres⸗ 
eiträge wurden auf 25 Pf. festgesetzt. Auf dem Turnfeste in 
Frankfurt werden sich nach den bisherigen Anmeldungen 185 
»fälzische Turner betheiligen. Die Abhaltung eines pfälz. Turner⸗ 
»estes im Jahre 1881 wurde abgelehnt und als Ort für den 
nächsten Turntag Germersheim bestimmt. 
F Ein bedauernswerther Unglücksfall ereignete sich in dem 
Dorfe Schellweiler bei Kusel. Das acht Jahre alte Kind 
des Herrn Gillenberger daselbst wollte das Feuer schüren, dabei 
äel ein glühendes Stückchen Kohle auf sein Kleidchen, welches auch 
sofort Feuer fing. Das Kind, welches zufällig allein im Zimmer 
var und sich leider vergeblich mit Wasser zu helfen suchte, wurde 
o verletzt, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. 
FNach einer der „Pf. Pr.“ aus Alsenz zugehenden Cor⸗ 
espondenz betr. den verunglückten Müller Jutzi aus Obermoschel 
oll der Vater desselben vor Jahren an derselben Stelle auch er—⸗ 
roren aufgefunden worden sein. 
- Nach den Kaiserslauterern Blättern ist der Versuch, den 
Zchenkpreis des Bieres in Kaiserslautern von 12 auf 13 
ßfennig zu erhöhen, mißglückt. Es zeigte sich im Publikum ein 
olcher Widerstand gegen die ominöse Zahl, verbunden mit obliga— 
er Enthaltsamkeit, daß noch am Samstag Abend eine Anzahl 
Zäpfler zu den 12 Pfennig zurückkehtte. Dann ging's. 
F In Ohmbach hat sich ein bedauerliches Unglück zuge— 
ragen. Ein junger Mann, ledig, von etwa 23 Jahren, in einem 
dalksteinbergwerke arbeitend, minirte daselbst einen großen Stein. 
Ohne, daß er noch daran dachte; löste sich derselbe plötzlich los 
ind fiel auf ihn. Seine Mitarbeiter eilten auf seinen Hilferuf 
war sofort herbei, und mit großer Anstrengung gelang es den⸗ 
elben, auch den Stein zu entfernen. Leider hatte die Last aber 
dem Unglücklichen den Kopf gräßlich zerquetscht und die Brust ein— 
gedrückt. Zwei Tage darauf erloöste ihn der Tod von seinen furcht⸗ 
zaren Schmerzen. 
f In Haß loch wurde in der Nacht vom 3. Mai der 76 
Jahre alte Polizeidiener Pflüger von dort, gelegentlich des Mai— 
Vermischtes. 
St. Ingbert. Eingesandt.) Fäür ein badelustiges Pu— 
blikum hiesiger Stadt wird es gewiß angenehm sein, zu hören, daß 
Hetr Jos. Peters beabsichtigt, nächster Tage seine neu und auf's 
Beste eingerichtete Badeanstalt zu eröffnen. Eine neue, größere 
Kesselanlage, verbunden mit anderen praktischen Einrichtungen ge