Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

man Reisender im Zwischendeck gewesen ist, noch nicht sofort in die neue 
Weit eingelassen, sondern halb in gezwungener Weise zu einer kurzen Rast 
noch in ber sozusagen alten Welt eingeladen. Die Pafsagiere nämlich, welch 
erster oder zweiter Kajüte gefahren sind, haben einen Freischein, welcher 
ihnen gestattet, ohne Weiteres nach der Landung sich zu entfernen. In New⸗ 
Hortk aber, wo so viele Deutsche landen, hat sich das Bedurfniß herausge⸗ 
sellt, über die ürmeren Einwanderer eine schirmende Hand zu halten, und 
dieses menschenfreundliche Werk besorgt die dortige deutsche Dampfergesellschaft 
Wenn die Pafsagiere des Zwischendecks ausgestiegen sind, so werden sie mit 
einem besondern Schiffe nach New⸗PYork gebracht in *4 Stunden. Außerdem 
ist dort auf dem Vast Rivwer (Ost⸗Fluß) ein fortwährender Verkehr von 
Booten, ein lebhaftes Treiben: fur 2 Tenis lömmt man von einem Ufer zum 
andern. An der Südspitze der In sel Manhattan (New⸗Porlk) ist ein rundes 
Gebaude in alterthümlichem Style aufgeführt, der sogen. Vurggarten, Castle⸗ 
Barden, der einst eine Vertheidigung sein sollite der Holländer gegen die 
ẽrnglander. Am Anfang dieses Jahrhunderts war dort das Theater. Die 
Passagiere konnen sich bier aufhalten und werden von der Gesellschaft einige 
Zeu uͤnterhalien. Dort find Kommissionäre, deren Aufgabe es ist, Einge⸗ 
dvanderien mit Rath und That beizustehen. Es wird Auskunft ertheilt über 
alle Verhältnisse, die dem Einwanderer anliegen, wie Arbeitsmarlt, Lander⸗ 
fauf, Reisegelegenheit u. s. w., hauptsächlich wird dem Einwanderer das Be⸗ 
fanntwerden mit dortiger Verkehrsweise erleichtert. Man wird auch gefragt, 
o man Berwandte im Land hat, und auf jeden Fall mit Rathschlägen, 
wohl auch mit Mitteln versehen, dieselben zu erreichen. Es find auf diesem 
Gebiete sehr nützliche Maßregeln ergriffen worden, weil unter den Einwande⸗ 
rern aus Deutschland oft unwissende Menschen sich befinden, die mit großem 
Zeichtfinn ihr Vaterland verlassen, ohne die Verhältnisse des fremden Landes 
ju kennen, ja, die fich nicht einmal die Muhe gegeben, in der dortigen 
Sprache sich zu unterrichten. Diese fallen meist schlechten Leuten, den soge⸗ 
nannten Rowdies, Tagdieben, zur Beute, die ihre Unwissenheit recht auszu⸗ 
nühen verstehen. Wehe Dem, der solchen Leuten anheimfällt. Da kommt 
einer der verrufensten Art daher mit den traulichen Worten im zutraulichften 
Ton: „Landsmann, wo kummscht her?“ — um ihm sein Geld aus der 
Tasche zu locken. Die Auffassung des Worles Landsmann ist leider im 
gegentheiligen und verlehrten Sinne genommen. Es ist nicht angenehm, es 
zu sagen, die Erfahrung hat es aber, leider zu oft bewährt, doß nämlich die 
Deutschen, wenn sie einmal auf schlechte Wege gerathen, sehr häusig auf die— 
sem Wege bis zu den tiefsten Stufen gelangen. Zu diesem Urtheil gelangt 
man sofort, wenn man beobachtet, was in Hafenstädten, wie Liverpool, Rot⸗ 
lerdam, Antwerpen, auch Hamberg, Alles an Gesindel fich herumtreibt. Auj 
beklagenswerthe Weise haͤngt Dies damit zusammen, daß die Deutschen durch⸗ 
gehends intelligente Leute find, daß aber gerade intelligente Menschen, wenn 
fie die besseren Pfade verlassen, auch in gegentheiliger Hinsicht Bedeutenderes 
ieisten. Wenn einer gesunken ist, ist er ief gesunken. Solcher gibt es 
denn auch eine bedauernswerthe Zahl in New-York. Diese Raudis scheuen 
sich denn auch nicht, ihre eigenen Landsleute zu berauben und ins Elend zu 
bringen. Es gibt ferner, wie in Europa, so auch dort genug Veranlassungen, 
allzujunge und unerfahrene Mädchen ins Verderben zu locken und fie felbft 
wieder zur Einwirkung auf andere Einwanderer auszunützen. Wer einmal 
ohne Kenntniß dieses Treibens sich dort einfindet, muß oft mit schwerem 
Feld, manchmal mit seiner ganzen Habe seine Unkenntniß bezahlen. Die 
ee Gesellschaft scheut es nun nicht, hier schützend einzugreifen. Freilich 
ann sie das nur in beschränktem Maaße. — Doch kommen wir zu einem 
weniger unangenehmen Bild, indem wir uns die Stadt New⸗Yorl ansehen. 
(Fortsetzung jolgt.) 
4 Das „Kreisamtsblatt der Pfalz“ veröffentlicht den Ab⸗ 
schied für den Landrath der Pfalz. Derselbe setzt 
die Kreisumlage auf 380/10 ds0 fest. Auf die Anträge und Be— 
schlüsse des Landraths sind u. A. folgende Entschließzungen ertheilt 
worden: „Der Bitie des Landrathes, unter Aufhebung der obli⸗ 
gatorischen Sonntags- und dortbildungsschule die Verlängerung 
der Werktagsschulpflicht bis zum vollendeten 14. Lebensjahre her— 
beizuführen, koönnen Wir eine Berücksichtigung nicht angedeihen 
lassen, da durch eine solche Neuerung die Aufgabe des Lehrper⸗ 
sonals, welches dermalen schon die Kinder von sieben Jahrgängen 
zusammen zu beschäftigen und zu unterrichten hat, erheblich er⸗ 
schwert und deshalb behufs der Erzielung eines gedeihlichen Un— 
errichtserfolges vielfach die Aufstellung neuer Lehrkräfte nöthig 
würde, abgesehen hievon aber auch schon wegen der erhöhten 
Schülerzahl an vielen Schulen eine Vermehrung des Lehrerperso⸗ 
nals, sowie die Beschaffung neuer oder die Erweiterung bestehender 
Schulräume sich als unvermeidlich darstellen würde, eine solche 
Maßregel aber besonders bei den zur Zeit bestehenden Verhält— 
nissen und bei der eingreifenden Einwirkung derselben auf die 
wirthschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Bevölkerung vor⸗ 
aussichilich nur mit größtem Widerstreben Eingang finden könnte. 
— Mit Rücksicht auf den Umfang, welchen der Postverkehr in 
Pirmasens gewonnen hat, ist eine dem erweiterten Dienste dort⸗ 
selbst entsprechende Aenderung der Diensteinrichtungen in Erwägnng 
gezogen, zur Beseitigung der Klagen wegen ungenügender und 
verspäteter Bestellung der Postsendungen ist aber bereits von der 
Generaldirektion der k. Verkehrsanstalten eine angemessene Ver—⸗ 
mehrung des Bestellpersonals veranlaßt worden.“ 
Kaiserslautern, 4. Mai. Die „Pf. Volksztg.“ 
berichtet: Der mit einer Niederlage geendete Versuch eines Bier— 
aufschlags in hiesiger Stadt hat auch ein blutiges Opfer verlangt. 
Eine Rotte Strolche, aller Wahrscheinlichkeit fuselbeladen, erschien 
am Sonntag Morgen auf dem Bremerhofe. Dort herrscht bekannt⸗ 
lich zwischen den beiden Wirthschaften eine bittere Fehde, als wei⸗ 
land zwischen den Montecchi's und Capuletti's. Natürlich ver— 
zapfte der eine Wirth (ein Kunde der „Lowenburg“) das Bier zu 
12 Pf. wahrend der andere (ein Kunde der J. Mayer'schen 
Brauerei, welche zur Zeit schon wieder von dem Preisaufschlage 
zurlickgekommen war) 13 Pf. per Schoppen verlangte. Dies sollte 
einem der Familienglieder des letzteren Wirthes verhängnißvoll 
verden, indem obenbemerkte Bande von Sirolchen, weil man ihr 
nicht ebenfalls das Bier zu 12 Pf. verabfolgte, die Tochter des 
Wirthes lebensgefährlich verletzte. Der Kerl — es soll ein hie— 
iger Drehergeselle sein — schlug sein Opfer mit der scharfen 
Schneide einer Schippe über den Kopf, und als die wehrlose Frau 
blutüberströmt niedersank, schlug der Unhold wiederholt auf deren 
Arm, welcher Schlag durch das Fleisch bis auf den Knochen drang. 
Die Bedauernswerthe liegt nun schwer krank darnieder. Hoffent 
lich wird den Strolchen ein derber Denkzettel angehängt werden. 
FSpeyer. Das „Kreisamtsblatt“ enthält die vom Bun⸗ 
»esrath zur Ausführung des Gesetzes vom 16. Juli 1879 über 
die Besteuerung des Tabaks erlassenen Vorschriften. 
'Speher, 4. Mai. (pfälzische Aussteuer-Anstalt.) Um 
der Anstalt eine möglichst große Verbreitung zu geben, hat die 
ietzte General-Versammlung auf Vorschlag des Ausschusses den 
Beschluß gefaßt, den Jahresbeitrag von 5 Mk. auf 8 Mk. und 
benfso die Gewinne von 500 M. auf 300 M. herabzusetzen. 
Daß diese Maßnahme von richtigen Erwägungen ausging, zeigt 
zer Umstand, daß schon jetzt, obgleich die Ziehung der Loose erst 
'm Dezember stattfindet, eine gesteigerte Theilnahme des Publikums 
jei den Agentiuren wahrzunehmen ist, und so wird denn ohne 
Zweifel beim Jahresschluß die Anstalt einen namhaften Zuwachs 
bdon Mitgliedern zu verzeichnen haben. 
Speyer, 4. Mai. Im benachbarten Berghausen ereig⸗ 
aete sich bei Gelegenheit des Maifestes gestern frühe */238 Uhr in 
der Wirthschaft von Grammer ein bedauerlicher Unglücksfall. Nach 
zeendigter Tanzmusik wollte die Magd des Wirthes, ein Mädchen 
yon 18 Jahren, eine brennende Petroleumlampe über den Hof 
ragen. Aus der beim Tragen in's Schwanken gerathenen Lampe 
ergoß sich brennendes Petroleum auf die Kleider des Mädchens, so 
daß dasselbe sofort in hellen Flammen stand. Auf dem Heimwege 
»egriffene Musikanten eilten der Unglücklichen zu Hilfe und erstickten 
die Flammen indem sie das Mädchen im Sande wälzten. Sie 
hat am Unterkörper so bedeutende Brandwunden davongetragen, 
daß ihr Leben gefährdet ist. (Sp. 3.) 
In Spenyer ist eine Wittwe durch Kohlendunst erstickt. 
Am 30. v. Mis. Abends machte dieselbe Feuer in ihrem Ofen 
in und legte sich zu Bette. Das Ofenrohr muß indessen in der 
Racht auseinandergegangen sein, so daß das Zimmer sich mit 
dohlendunst füllte, welches der alten Frau den Tod brachte. 
F Dürkheim, 3. Mai. Herr J. G. Zumstein dahier 
hat aus Veranlassung des Ablebens seiner Frau Mutter zum An⸗ 
zenken an seine seligen Eltern dem Sechserfonds 2000 Mk., dem 
Waisenhause Marstift 1000 Mk. und dem hiesigen Spitale 1000 
MNark übersandt. 
Schweigen, 4. Mai. Ein dem Bäcker Theilmann 
hier gehörizes Mutterschwein hat heute früh 22 junge Ferkel ge— 
wocfen. Gewiß unerhoört! 
Die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank hat 
am 1. Mai die 31. öffentliche Verloosung ihrer Pfandbriefe vorge— 
nommen. Es wurde hiebei eine Nominalsumme von 1400 000 
M., nämlich 9 000 M. (56 000 fl.) in Gulden- und 1344 000 
M. in Marlkpfandbriefen aus den ersten 16 Serien (Jahrgänge 
864 bis intlus. 1879) zur Heimzahlung im Nennwerthe verloost. 
fSäumige Schößfen. Das sechste Schöffengericht des 
Berliner Landgerichts J. war am 3. Mai in der Lage, wegen 
Ausbleibens eines Schöffens die Verhandlungen während des gan— 
jen Vormittags nicht beginnen zu können und einen Boten auf 
zie „Schöffensuche“ aussenden zu müssen. Der Richter verhängte 
iber den säumigen Laienrichter eine Geldbuse von 300 Mark. 
Kleinigkeit!) 
Amerikanisch. Ein Wiener, Namens Popp, der in 
ziesen Tagen zum Besuche seiner Verwandten nach Hause kam, er⸗ 
zählt folgende seltsame Geschichte: Er lebte als Apotheker schon seit 
gjeraumer Zeit in Charlestown, und sein Geschäft ging ziemlich gui. 
kines Tages im vorigen Jahre kamen plötzlich aus der Stadt und 
Imgegend ungeheuer viel Leute in die Apotheke. Der massenhafte 
Zuspruch dauerte mehrere Tage, und der Apotheker machte brillante 
Beschäfte. Die Sache schien ihm jedoch auffällig, er hielt Umfrage 
ind zu seiner großen Ueberraschung hörte er, daß mehrere ameri⸗ 
anische Zeitungen die Nachricht verbreitet hatten, er sei der be⸗ 
üchtigte Rosza Sandor und unter dem falschen Namen Popp 
nach Amerika geflüchtet. Der Schrecken des harmlosen Apothekers 
äßt sich denken. Er mußte sich aus Wien gerichtliche Zeugnisse 
ommen lassen, um nachzuweisen, daß er mit dem Räuberhaupi⸗- 
nann nichts zu schaffen habe. Offenbar hatte ein Konkurrent die 
Zache ausgehedtt, um sein Geschäft zu Grunde zu richten. Er 
jatte sich aber verrechnet. Das Renomme eines Räuberhauptmanns 
chadete unserem Manne in den Augen der Amerikaner nicht das 
gyeringste, im Gegentheil, es trug ihm mehrere tausend Dollars ein. 
FParis, 2. Mai. Hr. Rozenraad, Unterdirektor der 
Zanque d'Escompte de Paris, hat den gestern in Wien gezogenen 
haupttreffer der österreichischen 1860er Loose von 300, 000 fl. er— 
alten. Er hatte das gezogene Serienloos acht Tage vorher von