Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Wie das Sachsewolk die Denkart und Rechtsanschauungen 
seines Konigs Albert kenntdarf es nicht zweifeln, daß seine 
Unterredung mit dem Reichskanzler von wohlthätigen Folgen für 
den Frieden im Reiche gewesen sein wird.“ 
n Dimn Donnerstag sollte der preußische Landtag zu einer 
Nachsession zusammentreten. Auf der Tagesordnung steht außer 
den Verwaltungsorganisationsgesetzen bekannutlich die Vorlage über 
den kirchenpolitischen Ausgleich, odeziehungsweise die Befugniß der 
Regierung, die Maigesetze im diskretionären Wege zu handhaben. 
Das Zentrum hat zu dem Gesetzentwurfe bereits eine ablehnende 
Stellung eingenommen. 
Ausland. 
Paris, 9. Mai, Abends. Die Mehrzahl der in Reims 
anläßlich der Arbeilseinstellung verhafteten Individuen gehört nicht 
dem Arbeiterstande an. Man glaubt, ein geheimes Comite organi⸗ 
firie die Arbeitseinstellung für einen politischen Zweck. 
Die Rachricht der Times“, daß Frankreich wahrschein⸗ 
lich den ersten Schritt thun werde, um von der Pforte die An⸗ 
aahme einer intecnationalen Commission zur Ueberwachung der 
urkischen Verwaltung zu verlangen, wird in Pariser gut unter⸗ 
cichteten Kreisen als unrichtig bezeichnet. 
Die Zustände in der Tarkei gestalten sich immer verworrener. 
In Macedonien, Epirus und Thessalien herrscht Anarchie in der 
dollen Bedeutung des Wortes und auch in Albanien geht Alles 
drunter und drüber. Ebenso kläglich sieht es aber auch in der 
Hauptstadt, in Konstantinopel, selbst aus. In den unteren Volks— 
assen, wie auch bei den Meberen Beamten und Offizieren herrscht 
das furchtbarste Elend. Besoldung haben die Letzteren schon seit 
langerer Zeit nicht mehr erhalten und sie nagen mit ihren Familien 
hatsächlich am Hungertuch. Ueberall zeigen sich die Folgen einer 
einporenden Mißwirthschaft. Von Reformen, welche die Regierung 
so häufig versprochen, ist feine Rede mehr und alle Anzeichen sprechen 
zafür, daß das Reich mit raschen Schritten seinem voölligen Zu— 
ammensturz eutgegengeht. 
Das russische officioͤse „Journal de St. Petersbour g“ 
chreibt in einem Artikel über das Circular Granville's: Die un— 
zeftreitbare Wichtigkeit des von dem englischen Ministerium ge— 
—DD darin, daß er erscheine als Ausgangspunkt 
einer gemeinsamen friedlichen, aber festen und entschlossenen Action 
Furopa's, beruhend auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mächte. 
Der Umstand, daß das lange durch geschickt unterhaltenes Miß⸗ 
trauen geheilte Europa auf der Grundlage des Berliner Vertrages 
die unerledigten Fragen wieder aufnehme, und der allgemeine 
Wunsch, über die Erhaltung des Friedens zu wachen, berechtigte 
zu der Hoffnung auf ein glückliches Resultat. In Konstantinopel 
berde man sich überzeugen, daß das gemeinsame Einverständniß 
mabäanderlich und die Zeit des Ränkespiels vorüber sei. Der Ber⸗ 
iner Vertrag werde ausgeführt und der Orient allmählich in den 
Genuß der Rechte eintreten, welche ihm von den übrigen civilisir⸗ 
sen Staaten zugefallen seien. Juͤzwischen müsie man sich beglück⸗ 
wünschen zu den allseitigen neuen Dispositionen, welche ein glück⸗ 
iches Vorzeichen seien für allgemeinen Frieden und für sriedliche 
Beziehungen der Volker und Regierungen. (Recht schön. Wer 
dar venn aber schuld daran, daß seither die friedlichen Aussichten 
hurch Mißtrauen und Unruhe getrübt waren?) 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 21. Mai. Am Dienstag wurde in 
einem Wirthshause in Elversberg der hier wohnhafte, aber in der 
reußischen Grube beschäftigte Bergmann Peter Berrang von 
Indern Arbeitern, die mit ihm in Streit gerathen waren, durch 
Schläge und Messerstiche lebensgefährlich verletzt. 
F Des hl. Frohnleichnahmsfestes wegen wird der nächste 
Fruchtmarkt in Zweibrüschen am Mittwoch den 26. Mai ab⸗ 
gehalten werden. 
Zweibrücken. Das zum Nachlaß der zu Paris ver⸗ 
lebten Witiwe Gonnet, geb. Haas, von hier (welche als junges 
ind armes Mädchen nach Amerika auswanderte und dort mit 
inem reichen Mann, dem Vernehmen nach einem amerikanischen 
Heneral, verheirathet war, nach dessen Tod-aber in einer Vorstadt 
von Paris wohnte) gehörige Vermögen im Betrag von ungefähr 
1000,000 Mark wird demnüchst an ihre Erben ausbezahlt wer⸗ 
den. Die Verlebte hat kein Testament hinterlassen. Ihre Erben 
ind ihre vier Geschwister resp. die Kinder von solchen. Eine 
Schwesier, eine bejahrte Wittwe, wohnt hier. Eine Schwester 
wohnt auswärts. Eine Schwestier ist dahier gestorben mit Hinter⸗ 
lassung von 4 Kindern, von denen zwei hier, zwei auswürts woh⸗ 
en, Ein Bruder ist ebenfalls hier gestorben; von demselben 
ind 53 Kinder vorhanden, die sammtlich hier wohnen. Das Ver⸗ 
mögen wird somit unter vier Stämme geiheilt. Die sämmtlichen 
Erben gehören theils dem Handwerker⸗, theils dem Arbeiterstand 
m. Die Versteigerung der zur Nachlaßmasse gehörigen, zu Paris 
jelegenen Anwesen wird in eiwa vier Wochen abgehalten und 
erzuf die Auszahlung der Erbtheile erfolgen. (Pf. P.) 
Nach der „Zw. 3.“ wurde am Mittwoch Abend kurz nach 
1 Uhr in Zweibrücken eine prachtvolle Erscheinung am süd⸗ 
‚stlichen Himmel beobochtet. Während der gerade um diese Zeit 
dit inem umfangreichen Hofe umgebene Mond sein Licht ergoß, 
eeigte sich plötzlich eine Lichtstelle am südöstlichen Himmel, ähnlich 
nem Theile eines Kometenschweifes, welcher auf einige Sekunden 
Tageshelle verbreitete. Wahrscheinlich rührte diese auffallende Er⸗ 
cheinung von einem Meteor her. (Ob auch hier die Erscheinung 
eobachtet wurde, ist uns nicht bekannt5). 
F Im „Pirmasenser Wol.“ macht ein Bürger den wie et 
cheint ernst gemeinten Vorschlag, um dem Mangel an Monumen⸗ 
en in diejer Stadt abzuhelfen, dem — Propheten Daniel ein 
Ddentmal in Gestalt einer Fontaine zu setzen. Welche Verdienste 
ich der Prophet um Pirmasens erworben, wird leider nicht ange— 
jeben. Dem Vorschlag ist— gleichzeitig eine Skizze beigegeben, in 
delcher der Prophet mit Bleistift und Notizbuch ausgerüstet ist 
doffentlich wird sich der Siadtrath von Pirmasens beeilen, diesen 
jenialen Gedanken zur Ausführung zu bringen. 
In Pirmasens kostet das Bier fast allerwärts 13 Pf. 
)er Ue Liter und 7 Pf. per 2. Liter. Die dortigen Biertrinker 
cheinen sich auch gar nicht so sehr gegen diesen Aufschlag zu sträuben. 
Aus dem Kantone Waldmohr. Auch in unserm Kan⸗ 
one ist die AuswanderungsSlust eine sehr große. Bevor jedoch 
diese Europamüden ihre alte Heimath verlassen, kommen noch mancht 
netle Abschiedsheldenthaten vor. So verließ ein Kramer aus Ditt 
weiler seine bisherige Wohnstätte, verkaufte zuerst seine Waaren 
ind Mobilien um einen Spottpreis und sagte aus, er müsse zu 
einer Frau, welche in einer ärztlichen Heilanstalt war. Seine 
Absichten wurden jedoch sofort bemerkt, da er sehr beträchtliche 
Waarenschulden zuruͤckließ. Ein Glaubiger reiste dem Europamüden 
aach und erwischte ihn auch kurz vor Abgang des Schiffes in 
Aniwerpen, wo er ihn sofort mit Hilfe der Poli zei auf das deutscht 
Konsulat verbrachte, woselbst er seine Sünden gestand und dem 
Hläubiger Alles, was er entbehren konnte und Geldeswerth hatte 
im weiteren Unannehmlichkeiten zu entgehen, aushändigte, mi 
Ausnahme von 15 Mtk. Handgeld. Diese Strapazen hatten unsern 
Krämer und dessen Ehefrau, welche sich auch mittlerweile eingestellt 
hatte, so angestrengt, daß diesselben per Droschke an den segel⸗ 
sertigen Dampfer verbracht werden mußten und nun bedeutend 
erleichtert ihrer neuen Heimath zusteuern konnten. — Ebenso wurde 
ine Auswanderungsgesellschaft von Dunzweiler, als sie Wald— 
nohr passirte, am Pfingstsonntage Morgen von dem Herrn Steuer⸗ 
ind Gemeinde-Einnehmer und Sienerboten ein wenig gestbrt, de 
jner der Auswanderer noch seine Steuern, Umlagen ꝛ⁊c. schuldete. 
da es kein Ausweichen mehr gab, bezahlte er und konnte nuu 
rine Reise fortsetzen. (Zw. Ztg.) 
In einem Toulouser Gänseei, welches dieser Tage in 
daiserslautern ausgebrütet wurde, fanden sich zwei voll⸗ 
fändig ausgewachsene Jungen vor, welche aber am hintern Theil 
zusammengewachsen und todt waren. 
Eine in Sachen der Wittelsbach⸗Stiftung vom Verbands 
age der pfälz. Gewerbebereine und dem mit demselben verbundenen 
Handwerkertage einstimmig angenommene Resolution hat nachstehen ⸗ 
Fen Wortlaut: „Der Pfaͤlz. Gewerbevereins uno Verbandstag er⸗ 
lart es als Ehrenpflicht des pfälzischen Handwerkz und seiner 
natürlichen Vertreter, der Pfälz. Gewerbe-Vereine, einzutreten in 
die Agilation für die Sammlung der Wittelsbach'schen Stiftung 
zur Foͤrderung des bayerischen Handwerks in Stadt und Land und 
hei der Bethätigung der Sammlungen mitzuwirken durch Gabe 
und Wort,, damit die Anregung seines königlichen Gönners und 
Förderes in wirksamer Weise zur Durchführung gelange und die 
Wittelsbach⸗Stiftung erblühe und erstarke als dauerndes Zeichen 
hochgemutheten Fürstensinnes und unvergänglich segenspendend wirkt 
jur Förderung des bayherischen Handwerlks in Stadt und Land.“ 
Auf ein vom Gewerbe⸗ und Handwerkertag an Se. Maj. den 
König Ludwig abgegangenes Dank⸗ und Huldigungs-Telegramm 
zing folgende Antwort ein: „Se. Majestät der Koͤnig haben von 
dem Inhalte des gestern Namens des Verbandstages der pfälz. 
Fewerbebereine und des pfälz. Handwerkertages eingesendeten 
Dantkestelegrammes huldvollst Kenntniß genommen und lassen der 
Versammlung königlichen Gruß entbieten. Im Allerhöchsten Auf⸗ 
trage: Regierungsrath v. Müller.“ 
Das Vermögen des Retschervereins, mit dem eine pro⸗ 
testantische Denkmalskirche, sogen. Reischerklirche, in Spehyer ge⸗ 
haut werden soll, war zu Ende des Jahres 1879 auf 184,607 
M. angewachsen, um 21,635 M. mehr als zu Ende des Jahres 
—1878. 
p In der am Sonntag zu Fram kfurt a. M. stattgehabten 
Generalversammlung der Volkspartei demokratisch⸗ national) war 
die Pfalz durch 5 Mitglieder, 3 aus Kirchheimbolanden und je! 
aus Kaiserslautern und Zweibrücken vertreten. 
p München. Wie von Seite der kath. und prot. Geist⸗ 
lichkeii, so hat auch der Rabbiner der hiesigen israelitischen Kultus 
geineinde mit Bezug auf die bevorst ehende Wittelc bacher Jubiläums