Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberker Anzeiger. 
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Donnerstag, den 27. Mai 
1o. 
Deutsches Reich. 
Berlin. Ueber den Gesetzentwurf, betreffend Abänderung 
der Maigesetze, sagt die „Tribüne“ kurz: „So, wie der Ent— 
wurf vor uns liegt, enthält er nichts mehr und nichts weniger 
als die Forderung an die preußische Landesvertretung, der Re— 
gierung für alle Fälle die Pässe nach Canossa zu visiren und 
ihr zu überlassen, ob, wann und wie weit sie von diesen Pässen 
Gebrauch zu machen gedenkt.“ 
Die orientalische Nachkonferenz mit dem Sitze in 
Berlin und unter dem Vorsitze des Fürsten Hohenlohe ist so 
zut wie eine vollendete Thatsache. Dieselbe wird aus den in 
Berlin aceredidirten Vertretern der Großmächte zusammengesetzt sein. 
Das wäre also für das mit dem Vorschlag zu jener Nachkonferenz 
borgegangene England Lord Odo Russel, für Frankreich Graf 
St. Vallier, für Italien Graf Launay, für Oesterreich Graf Szechenyi, 
endlich für Rußland Herr v. Saburow. Die Vertreter der Türkei, 
Griechenlands u. s. w. werden wohl nur eine berathende Stimme 
haben. Gleichzeitig soll die Pforte durch eine Kollektivnote zur 
endlichen Erfüllung ihrer in Berlin gegen Montenegro und Grie— 
chenland eingegangenen Verpflichtungen, wie bezüglich der klein— 
asiatischen Reformen aufgefordert werden. Allgemein beachtet man 
dieses Vorgehen als das Signal zum Anfang vom endlichen Ende 
der Türkei. 
Der älteste Sohn des deutschen Kronprinzen, Prinz 
Wilhelm, wird, wie es heißt, nach seiner offiziellen Verlobung 
ine größere Reise durch Europa unternehmen. Die Hochzeit muů 
Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein wuͤrde alsdann 
im Frühling des Jahres 1882 stattfinden. 
Ausland. 
Die Arbeiter-Strikes im Norden Frankreichs nähern sich 
zwar ihrem Ende, aber die dabei zu Tage getretenen Erscheinungen 
zeigen deutlich, daß man es nicht mit vereinzelten, durch örtliche 
Ursachen hervorgerufenen Kundgebungen, sondern mit einer social— 
politischen Bewegung zu thun hat, welche von den socialistischen 
Arbeitercomites in den großen Städten geleitet wird. Ueberall, 
wo Arbeiterzusammenrottungen stattgefunden, wie in Rheims, Robiax, 
Rouen u. s. w., waren aufrührerische Placate angeschlagen, in 
denen die Verbrechen der Pariser Commune verherrlicht und die 
Arbeiter aufgefordert wurden, die Waffen gegen die „Bourgeois 
und Opportunisten“ zu ergreifen. Hand in Hand mit diesen Kund⸗ 
gebungen, die nur durch die bewaffnete Macht unterdrückt worden 
sind (die polizeilichen Kräfte haben sich überall als unzureichend 
erwiesen), geht die ultraradicale Bewegung in Paris, Lyon, Mar— 
seille, wo die exorbitanten Forderungen der Abschaffung der Präsi- 
dentschaft, des Senats, volle Preßfreiheit, Trennung' der Kirche 
bom Staate u. s. w. auf die Tagesordnung gesetzt sind. Daß 
die Bewegung immer größere Dimensionen annehmen wird, ist 
unzweifelhaft, da sie von den Clericalen und den Bonapartisten 
geschürt wird, und die Regierung nur mit außerordentlichen Mit⸗ 
heln die Bewegung niederhalten könnte, zu denen Gambetta seine 
Zuflucht nicht nehmen will. Die Autorität dieses letzteren ist bei 
den Socialisten und Ultraradicalen derart gesunken, daß diese den 
Erdictator täglich mit den ärgsten Schmähungen überhäufen und 
seiner Herrschaft ein nahes Ende verkünden. Inzwischen scheinen 
die Verbindung Gambettas mit den einflußreichsten und tüchtigsten 
Generalen sich intimer zu gestalten; es ist kein Geheimniß, daß die 
Revanche⸗Idee den Kitt zwischen dem Kammerpräsidenten und den 
Corpsführern bildet, denen wie Gallifet eine hervorragende Rolle 
zugedacht ist. Thatsache ist, daß das rachedürstige Element ange⸗ 
sichts des immer kecder hervortretenden Radicalismus und Socialis⸗ 
mus mehr und mehr in den Vordergrund tritt, während die Aristokratie 
des Landes sich von der Regierung größtentheils zurückgezogen und 
die hervorragenden Manner der Kunst und Wissenschaft wie La⸗ 
boulaye, Simon, Broglie, Wallon Sardou u. s. w. die erklärten 
Gegner der gegenwärtigen Regierung geworden sind. 
imposant zu werden. Nicht weniger als 17 Vereine mit beinahe 
500 Sängern wollen sich an demselben betheiligen. 
F Auf der Kirchweihe in Großniedesheim wurde ein 
junger Mann von Beindersheim durch einen Messerstich lebens⸗ 
gefährlich verwundet. 
FDer, Bierpreis wurde am Samstag in sämmtlichen 
Kaiserslauterer Brauereien und Wirthschaften von 13 
auf 12 Pf. herabgesetzt. 
F In Kaiserslautern wurde am Sonntag Mittag 
im Saale der „Eintracht“ die feierliche Vertheilung der Preise an 
die Lehrlinge vorgenommen, deren ausgestellte Arbeiten die Preis⸗ 
richter als preiswürdig erkannt hatten. Als Vertreter der kgl. 
Kreisregierung war zu diesem Act Regierungsrath Späth erschienen. 
Professor Dr. Medicus hob in seiner Ansprache hervor, daß die 
Preisrichter bei ihrem Urtheil streng zu Werke gegangen seien bei 
Feststellung des Ursprungs der Arbeiten, und daß eben in dieser 
Strenge die vorgekommenen Beanstandungen ihren Grund gehabt 
zätten; allein durch die gelieferten Nacharbeiten seien auch hiet 
zrößtentheils befriedigende Resultate erzielt worden. Mild und 
reigebig hingegen seien die Preisrichter gewesen in Hinsicht der 
Zahl der Preise, sie hätten auch die Mittel dazu gehabt, Dank den 
Spenden hochherziger Geber. Es mögen nun die Prämiirten und 
Nichtpraämiirten eifrig darauf bedacht sein, sich weiter in ihrem Ge⸗ 
verbe auszubilden. Regierungsrath Späth betonte in seiner Er⸗ 
viderung, daß man an seine Ausstellung von Lehrlingsarbeiten be⸗ 
greiflicherweise einen anderen Maßstab anlegen müsse, als an Aus—⸗ 
tellungen, auf denen Meister sich produciren; dessen mögen auch 
die Preiseträger eingedenk sein; fie sollten nicht glauben, sie hätten 
nun nichts mehr zu lernen. Die anderen aber sollten sich zusam⸗ 
mennehmen, damit man einst sagen könne, die Anregung, welche 
die Ausstellung bezwecke, sei bei ihnen nicht umsonst gewesen. Die 
vertheilten Preise waren zum Theil Geldpreise (bis zu 20 Mark), 
heils Reißzeuge, Werkzeuge, Bücher und dergl. Nach der Preis⸗ 
nertheilung schloß Regierungsrath Spaäth die Ausstellung mit einem 
reifachen Hoch auf Se. Maj. den König, in das die Versammel— 
en freudig einstimmten. 
F.Im Kaiserslauterer Spital ist am Samstag Nacht 
in voriges Jahr aus der Irrenanstalt Klingenmünster Entlassener 
Namens Jacob Day verbrannt. Der Todte brachte, jedenfalls in 
einem Anfall von Tollheit, sämmtliches Bettzeug, Kleider ꝛc. zu⸗ 
ammen und entzündete dies. Wie er jedoch“ zu Zündhölzern 
1. dgl. kam, ist ungewiß. Durch den sich entwickelnden Rauch er⸗ 
tickte auch eine alte Frau Nameus Steidel in einem anstoßenden 
zimmer. 
T. In Großffischlingen sind in diesem Jahre bis jeht 
fieben Fälle von Zwillingsgeburten — bei Kühen vorgekommen, 
vas gewiß einzig in seiner Ärt sein dürfte. 
f.In Freinsheim war am Samstag und Sonntaq 
die Polizei hinter einem gewissen Valentin Reicher her, gegen welchen 
die Anschuldigung der Falschmünzerei vorliegt. Es soll bei dem— 
selben eine betraͤchtliche Menge falscher Zweimarkstücke gefundeu 
vorden sein, fast ganz aus Blei, fehr schlecht hergestellt. In 
Freinsheim und in Mardorf hat er daen ausgegeben. 
FEdenkoben. Schon wieder ein Selbstmord! Ein 
Metzgerlehrling hier, Namens Philipp Hellmann, 16 Jahr alt. 
rüher in Gerinersheim wohnend, hat sich an einem Wingerksstiefel 
nn der Forstgewann, Rhodter Bannes, erhängt. Derselbe war dem 
Vernehmen nach heute wegen Unredlichkeit von seinem Meister ent⸗ 
assen worden, und es dürfte hierin wohl das Moliv der schreck⸗ 
ichen That zu suchen sein. Ggwt.) 
F Die Einweihung des Denkmals für die bei Rinuthal 
Gefallenen wird unter enisprechender Feierlichkeit am 2. September 
. J. vor sich gehen. 
Die diesjährige Kreisversammlung des pfãlzischen Lehrer⸗ 
dereins wird am 15. und 16. Sepiember ds. Is. u Speyer 
abgehalten, am ersten Tag die Delegittenversammlung, am zweiten 
Tag die Hauptversammlung. 
Auf der am 19. Mai zu Homburg v. d. H. abgehal · 
lenen Versammlung mittelrheinijcher Aerzte hat Prof. Czjerny von 
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Vermijchtes. 
Das Bezirks⸗San gerfest, welches am 13. Inni 
adchsthin m Einod abgehalten werden soll, scheint diesmal rech⸗