St. Ingberker Anzeiger.
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M89.
Samstag, den 5. Juni 1880.
Deutsches Reich.
Müuünchen, 8. Juni. Se. Maj. der König ertheilte dem
bayerischen Gesandten v. Rudhart in Berlin einen zweimonatlichen
Geschäftsurlaub und beauftragte mit der interimistischen Führung
der Geschäfte der Gesandtschaft den Gesandtschaftssecretär Legations—
cath Frhrn. von der Pfordten.
Das bayerische Cultusministerium hat unterm 18. v. M.
folgende Entschließung erlassen: „Es ist zweifellos wünschenswerth,
daß es nicht allzulange währe, bis die Schüler, namentlich der
deutschen Schule, in den Besitz von Lehrbüchern, in denen die
neue Orthographie durchgeführt ist, gelangen; ebenso aber er—
Jeischen es die Rücksichten auf die finanziellen Interessen der Eltern
und der Buchhändler, daß nicht alsbald die vorhandenen Vorräthe
don Schulbüchern unbrauchbar und werthlos werden. Das k.
Staatsministerium findet jedoch hierin keinen Anlaß, jetzt schon
einen Präclusivtermin festzustellen, nach dessen Ablauf Bücher mit
der alten Orthographie überhaupt nicht mehr in den Schulen ge⸗
zuldet werden dürfen, vor dessen Eintritt aber auch der Besitz eines
Buches, das noch die alte Rechtschreibung hat, bei keinem Schüler
beanstandet werden soll, zumal Lehrbücher in den Schulen nicht zu⸗
rückgewiesen werden dürfen, blos weil sie die neue Rechtschreibung
nicht haben, insolange sie nicht ausdrücklich aus dem Verzeichniß
der gebilligten Lehrmittel gestrichen sind.“
Am 2. Juni hat in Berlin im Thiergarten die feierliche
Enthüllung des Goethedenkmals stattgefunden. Der Kaiser, der
Kronprinz, Prinz Wilhelm, der Erbprinz und die Erbprinzessin
dvon Meiningen, die Prinzen August von Württemberg und Frie—
drich von Hohenzollern wohnten der Feier von einer Tribüne im
Barten des Hausministeriums bei. — An demselben Tag Nach—
mittags fand auf Schloß Babelsberg Hoftafel statt, wobei der Kaiser
die Verlobung des Prinzen Wilhelm mit der Prinzessin Victoria
Augusta von Schleswig-Holstein-Augustenburg proclamirte.
Der Berliner Nach-Kongreß soll sich allein auf die
griechische Frage beschränken. Montenegro fällt wegen der öster⸗
ceichisch⸗ italienisch-russischen Gefährlichkeit jener Lokalfrage aus.
Auch Rußland hat der Beschränkung des Kongresses auf die grie—
hische Grenzfrage zugestimmt.
Das Reichsgesetz über den Wucher lautet: Artikel 1.
Hinter den 8 302 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich
verden die folgenden neuen 88 302a, 302b, 3026, 8024, einge—
tellt: F 302a. Wer unter Ausbeutung der Nothlage, des Leicht⸗
sinns oder der Unerfahrenheit eines Anderen für ein Darlehen oder
im Falle der Stundung einer Geldforderung sich oder einem Dritten
Vermögensvortheile versprechen oder gewähren läßt, welche den
aͤblichen Zinsfuß dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen
des Falles die Vermogensvortheile in auffälligem Mißverhältnisse
zu der Leistung stehen, wird wegen Wuchers mit Gefängniß bis
zu sechs Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreitausend
Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden. 8 302b. Wer sich oder einem Dritten die wucher⸗
ichen Vermögensvortheile (Fß 3024) verschleiert oder wechselmäßig
»der unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder
unter ähnlichen Verficherungen und Betheuerungen versprechen läßt,
vird mit Gefängniß bis zu einem Jahr und zugleich mit Geld—
trafe bis zu sechstausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust
der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. F 8302e. Dieselben
Strafen (5 3022, 8 3026) treffen denjenigen, welcher mit Kennt—
niß des Sachverhalts eine Forderung der vorbezeichneten Art erwirbt
und entweder dieselbe weiter veräußert oder die wucherlichen Ver—
mögensvortheile geltend macht. F 302d. Wer den Wucher gewerbs⸗
oder gewohnheitsmäßig betreibt, wird mit Gefängniß uicht unter
drei Monaten und zugleich mit Geldstrafe von einhunderi bis zu
rünfzehntausend Mark bestraft. Auch ist auf Verlust der bürger⸗
lichen Ehrenrechte zu erkennen.
Artikel 2. Der 8 360 Nr. 12 des Strafgesetzbuches in der
vurch das Gesetz vom 26. Februar 1876 fesigestellten Fassung
vird durch nachstehende Bestimmung ersetzt: F 360 Nr. 12.
Wer als Pfandleiher oder Rückkaufshändler bei Ausübung seines
ewerbes den darüber erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt.
J
insbesondere den durch Landesge setz oder Anordnung der zustän—
digen Behörde bestimmten Zinsfuß überschreitet.
Artikel 8. Verträge, welche gegen die Vorschriften der 88
3024, 302b des Strafgesetzbuches verstoßen, sind ungillig. Sämmi—-
iche von dem Schuldner oder für ihn geleisteten Vermögensvor⸗
heile (G302a) müssen zurückgewährt und vom Tage des Em—
pfanges an verzinst werden. Hierfür sind Diejenigen, welche sich
des Wuchers schuldig gemacht haben solidarisch verhaftet der
nach ;8 3020 des Strafgesetzbuches Schuldige jedoch nur in
döhe des von ihm oder einem Rechtsnachfolger Empfangenen. Die
Zerpflichtung eines Dritten, welcher sich des Wuchers nicht schuldig
zemacht hat, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen
stechts. Das Recht der Rückforderung verjährt in fünf Jahren seit
dem Tage, an welchem die Leistung erfolgt ist. Der Gläubiger ist
herechtigt, das aus dem ungiltigen Vertrag Geleistete zurückzufordern;
ür diesen Anspruch haftet die für die vertragsmäßige Forderung
zestellte Sicherheit. Die weiter gehenden Rechte eines Gläubigers,
velchen nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts die Un—
ziltigkeit des Vertrages nicht entgegengesetzt werden kann, werden
jierdurch nicht berührt.
Ausland.
Paris, 3. Juni. Nach hier eingegangenen Nachrichten be⸗
etzten die Albanesen am 31. Mai eine von den Montenegrinern
erlassene Verschanzung bei Tusi. Die Montenegriner bezogen eine
yefestigte Stellung bei Golobosnic, entschlossen, eine Entscheidungs⸗
chlacht zu liefern. Den Albanesen mangelt es an Lebensmitteln.
die Miriditen wollen Prenk Doda zum Fürsten von Albanien
proclamiren und verlangen Verstärkungen.
Bei dem großen Meeting der Anhänger Grant's in Chicago
»mpfahl Senator Conkling Standhaftigkeit und Ausdauer. Die
ẽrnennung Grant's sei in diesem Falle gewiß. Grant sei der
tärkste Kandidat und werde nuch von den Deutschen unterstützi.
Senator Logan empfahl ebenfalls Festigkeit. Die Ernennung
ürant's sei in der ersten oder zweiten Abstimmung zu erwarten
Vermischtes.
— Hafsel, 4. Juni. Die Sammlung für die Wittels
dacher Landesstiftung ertrug in unserem Orte die Summe von 29
M. 10 pf.
. Die Einladung zu der am 13. Juni im großen Frucht⸗
jallsaale zu Kaiserslautern Statt findenden, von dver
eutschen Volkspartei (Demokraten) veranstalteten Versammlung ist
interzeichnet von den Herren: C. Becker, Oekonom in Kirchheimbo—
anden. F. Catoir, Kaufmann in Göllheim. G. Curschmann in
irchheimbolanden. J. J. Gottrand, Redakteur in Kaiserslautern.
F. Hohle, Kaufmann in Kaiserslautern. Chr. Kobelt, Kaufmann
n Kirchheimbolanden. Ph. Rohr, Buchdrudereibesitzer in Kaisers⸗
autern. C. Stern, Fabrikani in Zweibrücken. Ad. Waaner,
Rentner in Kaiserslautern.
t In Ludwigshafen fand am Abend des 2. Juni in
iner Herberge eine Schlägerei statt, bei welcher Messer und Re⸗
poloer die Hauptrolle spielten. Zwei Zimmergesellen wurden ver⸗
vundet, der eine durch einen Schuß in das Bein, der andere durch
inen solchen in die Brust. Letzterer liegt bereits im städtischen
Spital, wohin Beide gebracht wurden, am Sterben, da die Kugel
den einen Lungenflügel durchbohrt hat. Thäter ist der Wirth der
Zerberge, auf welchen diese Burschen mit Messern eingedrungen sind,
nachdem sie Tische, Stühle und Fenster demolirt haiten.
F In Worms fiel vor einigen Tagen ein Kind aus dem
3. Stocke eines Hauses herab und blieb todt. Ein Fräulein aus
der Nachbarschaft kam, um das Todtenbett des Kleinen auch mit
ꝛeinem Blumenbouquet zu schmücken. Ploßlich fiel das Fraulein
m Zimmer um und war alsbald todt, ein Herzschlag hatte ihr
Leben geendet.
. 3Die kaiserl. Tabakmanufactur in Straßburg scheint
etzt die Chancen der hohen Tabakstenern und der allgemeinen
Beschäfteflaue für sich nutzbar zu machen und den Detailhandel
u cultiviren. In einem an eine Reihe von Privaten versendeten
Fircular, in welchem, wenn auch etwas verblümter Weise die