Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

anwesen mit sämmtlichem dazu gehörigem Mobiliar um 85,700 M. an sich. 
Außerdem verkaufte Michael Tillmann seinem Bruder Karl am 23. October 
i877 fein gesammtes Mobiliar um 8564 yt. Die Anklage stellt nun auf, 
daß dieser letztere Mobiliarverkauf kein ernsthafter gewesen, vielmehr nur in 
der Absicht geschlossen worden sei, die Glaͤubiger des Michael Tillmann am 
Zugreifen zu hindern. Bezuglich des Verkaufs des Brauereianwesens ist die 
Antlage der Ansicht, daß dadurch der Betrieb und die Verwaltung und das 
Eigenthum desselben nicht an den Käufer vollständig Ubergegangen sei, sondern 
daß shatjächlich durch den Kaufvertrag zwischen den beiden Brüdern ein Ge⸗ 
sellschaftsverhältniß begründet wurde “auf Grund dessen die Brauerei mit 
hren Einkunften beiden Vrudern gemeinschaftlich gehöre. Letztere Anschau⸗ 
ung bezeichnet insbesondere der Angeilagte Michael Tillmann als falsch, indem 
er aufsiellt, er habe an der Brauerei gar keinen Antheil mehr gehabt. Die 
Anklage deduciri weiter aus dem großartigen Betriebe des Geschafts der Ge⸗ 
bruͤder Tillmann?“ — wie die Brauerei auf ihrea Rechnungen ⁊c. hieß —, 
daß beide Theilhaber der Gesellschaft, Karl und Michael Tillmann, Vollkauf⸗ 
leuse im Sinne des Gesetzes und deshalb zur ordnungsmäßigen Führung von 
dandels buchern verpflichtet seien. Tie vorgefundenen Geschäftsbücher sind 
mangelhaft und unüberfichtlich gefuhrt, und es sen dies — wenigstens theil⸗ 
weise — in der Absicht geschehen, die Gläubiger zu schädigen, so behauptet die 
Antlage. Dieselbe verweist in diejer Hinsicht auf eine Reihe von falschen und un— 
vperständlichen Einträgen kurz vor Ausbruch der Gant, auf welche wir uns jedoch 
nicht näher einlassen wollen. Rach Aufstellung der Antlage hat der Ange⸗ 
klagte Hermann Fischer als Buchhalter in genannter Brauerei diese falschen 
Buchungen, wissend, daß sie falsch seien und zur Benachtheiligung der Gläu— 
biger dienen, vorgenommen. Der Ganlausoͤruch war bei dem beständigen 
Ruückgeng des Geschäfts und dem bis auf's Aeußerste angespannten Credit 
in demselben unvermeidlich und irat denn auch am 7. Juni 1878 ein, an 
welchem Tage auch von dem lal, Tandrichter von Speyer Siegel angelegt 
wurden. 
Dem Gantausbruch vor⸗ und nachgängig werden nun von der Anklage 
den einzelnen Angeklagten außer der erwähnten falschen und mangelhaften 
Buchführung noch mehrere in der Absicht, die Gläubiger zu benachth iligen, 
vorgenoͤmmenen Handlungen aur Laft geiegt. (Forts. folgt.) 
Vermischtes. 
In der Schöffengerichtssitzung zu Pirmasens vom 4. 
d. M. wurde u. A. ein Ackerer von Salzwoog wegen Thier— 
quälerei in eine Haftstrafe von 5 Tagen und in die Kosten ver⸗ 
artheilt. Derselbe hatte sein durch Arbeit abgetriebenes Pferd da⸗ 
durch am Umlegen im Stalle verhindert, daß er demselben Ketten, 
welche an der Decke des Stalles defestigt waren, um den Bauch 
og. O) Ein Gensdarme kam eben dazu, als das arme Opfer bar⸗ 
datischer Roheit unter diesen Qualen verendete. 
Das Ergebniß der am Montag in Kaiserslautern 
vorgenommenen Sammlung für die Wittelsbach-⸗Stiftung liegt nun 
vor. In den 29 Sammelbezirken ist die Summe von rund 2300 
M. eingegangen. 
Die „Ksrsl. Ztg.“ schreibt: Die Vertrauensmänner der 
freisinnig⸗nationalen Partei des Wahlkreises Kaiserslsutern, welche 
am8. Juni in Langmeil versammelt waren, haben den Beschluß 
gefaßt, es sei von iner Betheiligung der Partei als solcher an 
der nächsten Sonntag zu Kaiserslautern stattfindenden (von der 
demokratischen Partei einberufenen) Versammlung Umgang zu nehmen, 
dagegen eine allgemeine pfälzische Versammlung der Partei⸗ und 
GefinnungsGenossen demnächst zu veranlassen. Die Vorkehrungen 
hierzu wurden sofort getroffen. 
Auch Frankent hal wird seinen Amselproceß bekommen! 
Ein in der Speiererstraße wohnender Wirth hält eine Amsel und 
erhielt gestern einen Strafbefehl mit 8 Mark event. einen Tag 
Haft, dafür „weil er sie (die Amsel nämlich) pfeifen läßt!“ Gutem 
Vernehmen nach wird der Bestrafte Berufung einlegen. (F. T.) 
In ganz Bayern betrug heuer die Zahl der jungen 
Juristen, welche die praktische Prüfung für den Staatsdienst 
mitmachten, nicht mehr als 67, wovon 531 auf das rechtsrheinische 
Bayern, 16 auf die Pfalz treffen. In früheren Zeiten überstieg 
die Zahl der Kandidaten in dem einzigen Kreise Oberbayern die 
heurigs Gesammtzahl oder tam ihr wenigstens nahe. 
p Voriges Jahr wurde bekauntlich zur Weihnachtszeit zwischen 
Frankfurt und Darm stadit ein bedeutender Postdiebstahl 
Ferubt. Wie man jetzt hört, soll der Dieb in Mannheim in einem 
Postunterbeamten entdedt sein. 
Mainz, 8. Juni. Gestern fanden auf verschiedenen 
Linien der Hess. Ludwigsbahn Probefahrten mit dem Thomasschen 
Dampfwagen siatt. Denselben wohnten Vertreter des Reichseisen⸗ 
bahnamtes, der hessischen Regierung, ber Main⸗Neckar⸗Bahn, der Ober⸗ 
hessischen Bahn, des Verwaltungsrathes und der Spezialdirection 
der Hess. Ludwigsbahn bei. Zunächst wurde ein fahrplanmäßiger 
Zug von Darmstadt nach Erbach im Odenwald (derselbe, welcher 
seit Anfang April Jl. J. durch diesen Dampfwagen befördert, bezw. 
ersetzt wird) gefahren. Sodann wurde eine Extrafahrt nach Darm⸗ 
stadt gemacht und nach dieser eine solche von Darmstadt nach 
Aschaffenburg und eben so zurück, so daß circa 191 kmdurchfahren 
worden sind. Alle Fahrten gingen vortrefflich von statten und es 
wird anerkannt, daß selten ein Eisenbahnfahrzeug einen ruhigeren 
Gang bietet. Die Fahrgeschwindigkeit, welche von der Behoͤrde 
bis ju genügender Erprobung auf 30 kmepro Stunde begrenzt 
worden vat erreichte und überstieg bei den genannten Fahrten 
50 kvmn meistens. Besonders günstig erwies sich auch der geringe 
sohlenverbrauch. Ohne Zweifel wird nunmehr eine groͤßere Fahr⸗ 
geschwindialeit für den Wagen gestattet werden, wodurch die Vor⸗ 
theile, welche durch Dampfwagen als Ersatz von Zügen mit ver⸗ 
zältnißmäßig schwacher Frequenz erzielt werden, erst völlig zur 
Heltung kommen koönnen. (Mz. Tgbl.) 
4 Bei dem Grubenunglück auf der Zeche Neu⸗sIserlohn bei 
Dortmund blieben 22 Todte und 4 Verletzte. Ursache: Schla⸗ 
gende Wetter. Eine Betriebsstörung ist nicht eingetreten. 
pKatzhütte in Thüringen. GGom eigenen Vater er—⸗ 
schlagen.) In dem freundlich gelegenen Katzhuͤtte in Thüringen 
vohnie ein fleißiger Glasarbeiter Namens Tischler, der sich durch 
seine bisherige Unbescholtenheit die Achtung sämmtlicher Bewohner 
erworben haue. Vor mehreren Tagen war der Alte auch wieder 
in gewohnter Weise bei der Arbeit, als plötzlich der Sohn in sehr 
ingetrunkenem Zustande hereintritt und den Alten auf alle Weise 
Helaͤstigt. Der Vater verweist ihm dies ernfstlich und heißt ihn gehen. 
Der Sohn geht auch, — um schon im nächsten Augenblicke mit 
⸗einem Beil zurückzukehren und auf den Vater loszugehen. Kaum 
wber hatte ersterer einige Schritte gethan, als er plötzlich wie eines 
Besseren sich besinnend, stehen bleibt, gleich darauf aber Tisch und 
Stuhl zertrümmert; hierbei fällt ihm ein Gewehr in die Augen, 
velches er sofort ergreift und auf den erschrockenen Vater anlegt. 
Der Alte, Alles befuͤrchtend, flieht vor dem wahnwigtigen Sohne, 
dieser aber folgt ihm mit dem Gewehre. Draußen sieht der Alte 
inen Knüppel stehen, er ergreift ihn und führt einen so unglück— 
ächen Schlag nach seinem Verfolger, daß derselbe mit zerbrochenem 
Hirnschädel zusammenbricht. Der unglückliche von Schmerz zerrissene 
ZDater hat sich selbst dem Gericht gestellt. 
Einschlechtes Geschäft. Zu einem Bäckermeister 
in Berlin kam am 1. d. M. eine unbekannte Frauensperson, welche 
ür fünf Pfennige Semmel kaufte und einen Hundertmarkschein 
dafür in Zahlung gab. Aus Versehen gab der Bäckermeister eine 
Rolle Goldstücke, 10900 Mark enthaltend, heraus in der Meinung, 
daß die Rolle 80-Pfennigstücke enthalte, und außerdem 49 M. 
35 Pf. in verschiedenen Münzen. Die Goldrolle enthielt 48 
Zwanzigmarkstücke, und 4 Zehmnarkstücke, so daß die Unbekannte, 
die fich bis jetzt im Laden nicht wieder hat sehen lassen, 1049 M. 
35 Pf. zurückerhielt. 
4 Auf einem Gute bei Stettin brach vor einigen Tagen, 
Abends 11 Uhr, ein Feuer aus. Das ganze Gut wurde ein Raub 
der Flammen. In dem Wohnhause, in welchem das Feuer zum 
Ausbruch kam, verbrannten der Gutsbesitzer, dessen Ehefrau und 
drei Kinder. 
— An den schweizerischen Hochschulen, namentlich Zürich 
uind Bern feiert das ewig Weibliche glänzende Triumphe, und 
die Schwachen erweisen sich oft stärker als die Starken; dies gilt 
desonders von Damen aus Rußland, Oesterreich, Ungarn, Serbien ꝛtc., 
velche meist die medicinische Doctorwürde erwerben, nachdem sie 
trenge (7) Prüfung bestanden. Bemerkenswerth ist, daß eine 
Russin am eidgenössischen Polytechnikum das Diplom eines tech⸗ 
uschen Chemikers erlangte. Den Vogel hat aber eine Dame ab⸗ 
geschossen, welche sowohl in der medicinijschen als in der philosophischen 
Facultät doctorirte. (Wir möchten solch' ein Doctor⸗Examen ein⸗ 
al nüt auhören und ansehen! Uebrigens — Gedanken sind ja 
zollfrei.) 
'Eine neue Methode zur Ermittelung von Tri⸗ 
hinen hat, wie das Aerztliche Int.Blatt als Kuriosum erwähnt, 
ein holsteinischer Bauer ersonnen. Hat er ein Schwein geschlachtet, 
io schickt er ein Stück desselben, einen Schinken, eine Wurst u. dgl. 
einem Pastor und wartet dann ruhig 14 Tage lang den Erfolg 
ib. Bleibt der Pastor gesund, so fuͤhlt auch das Bäuerlein sich in 
cinem Gewissen vollkommen beruhigt über die allen hygienischen 
Anforderungen entsprechende Beschaffenheit seines Schweins und 
nacht sich mit Appetit darüber. 
4 Am 2. Juni war es ein Jahr, daß im Kapland in Süd⸗ 
ifrika der einzige Sprosse Napoleon's III. unter den Speeren der 
zulukaffern als englischer Offizier sein junges Leben aushauchte. 
Für die Mutter des Gefallenen, die Erkaiserin Eugenie, war dieser 
hr das Theuerste raubende Schlag geradezu niederschmetternd. 
stachdem sie sich einigermaßen in das herbe Schicksal, durch das 
hre wer weiß wie hochfliegenden Hoffnungen und Pläne jählings 
erstört worden, gefunden, that sie das Gelöbniß, an der, Stelle, 
vo ihr Kind den Tod erlitten, am ersten Jahrestag des für sie 
io furchtbaren Ereignisses ein Gebet zu verrichten. Es wird wohl 
»in Aufschluchtzen aus jammervoll zerrissenem Mutterherzen gewesen 
ein! Det Gang der Geschichte sorgt mitunter füe gewaltige Kon⸗ 
raste. Kaiserin Eugenie vor zehn Jahren und heute! Man braucht 
veide Daten nur fluͤchtig im Geist zu berühren, um sich, mag die 
Frau unsres Widersachers von 1870 auch manche große Schuld 
reffen, Angesichts Dessen, was ihr die Vorsehung innerhalb eines 
Jahrzents Schweres auferlegt hat, von Mitleid bewegt zu fühlen. 
— Welche Mittel die Amerik aner anwenden, um ein „volles 
daus“ zu erzielen, dafür möge folgendes Beispiel sprechen. Ein 
MNenageriebesitzer zeigt an, daß sein gelehriger Elephant zu seinem 
Zenefün auf einem prachtvollen Erard einge Klavierstücke vortragen