St. Ingberker Anzeiger.
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A s00 Donnerstag, den 24. Juni 1880.
Deutsches Reich.
In Münchener Blättern lesen wir, daß demnächst wieder könig—
iche Equipagen nach Kissingen geschickt werden sollen, wo Fürst
Bismarck am 8. Juli zur Cur eintreffen wird.
Ausland.
Die französische Abgeordnetenkammer nahm am Montag
den von der Regierung vorgelegten Amnestie-Gesetzentwurf mit
333 gegen 140 Stimmen an. Gambetta legte in längerer Rede
dar, daß die Amnestie keineswegs eine Politik der Schwäche, sondern
vielmehr eine Politik der Concentrirung bezeichne: man müsse die
Amnestie so lange als möglich vor den Neuwahlen gewähren, da—
mit die feindlichen Parteien aus ihr keinen Nutzen zögen, man
müsse den Grabstein auf die Verbrechen der Commune setzen und
Allen zurufen: ein einziges Frankreich, eine einzige Republik! Ein
Amendement, die Verbrechen gegen das gemeine Recht von der
Amnestie auszuschließen, wurde abgelehnt. Gleichzeitig wurde be—
chlossen, die Rede Gambetta's in allen Gemeinden Frankreichs
öffentlich anschlagen zu lassen. (Gambetta rückt eben dem Vosten
eines Präsidenten immer näher.)
Eine Lloyds-Depesche meldet aus Buenos Ayres (Süd⸗
amerika,) daß daselbst eine Revolution ausgebrochen. die Stadt be—⸗
iagert und der Hafen blokirt sei.
Viälzisches Schwurgericht.
II. Quartal 1880.
(Fall Kolb. Schluß. Siehe Nr. 97 des „Anz.“) Der Angeklagte
peharrt in der Verhandlung auf das energischeste darauf, daß er durch seine
dandlung nur bewirken wollte, daß seine Frau, die ihm immer Alles weg⸗
rage, den Kaffee stehen lassen müsse. Bei dem Verlesen der Frage an die
Beschworenen stellte der Vertheidiger den Antrag, eine Nebenfcage dahin gehend
ju stellen, ob das von der Ehefrau Kolb zu sich genommene Gift im Siand
vaͤre, die Gesundheit derselben zu vernichten. Der Schwurgerichtshof ließ
aber die Stellung dieser Frage dem Antrag des k. Staatsanwalis gemäß nicht
u, da in derselben kein neues, in der Hauptschuldfrage etwa noch nicht ent⸗
jaltenes Thatbestandsmerkmal, das die Strafbarkeit der Handlung erhöhe oder
dermindere (5 295 der Reichsstrafproceßordnung), in Frage gestellt sei.
Der Staatsanwalt hielt die Anklage aufrecht und hielt insbesondere die
Absicht des Angcklagten, seiner Frau das Gift beizubringen und ihre Gesund—⸗
jeit damit zu schädigen, sür erwiesen. Es genüge, daß Gift beigebracht worden
sei; ob die beigebrachte Quantität auch genüge, den beabsichtigien Er olg her⸗
beizuführen oder nicht, das sei vielleicht medicinisch, nicht aber strafrechtlich
on Belang. — Der Vertheidiger betonte in seinem Vortrag vor Allem, daß
die Aufstellung des Angekragten, er habe die Streschhölzer in den Kaffee ge—
vorfen, nur um seiner Frau den Genuß desselben unmöglich zu machen,
venn man dieselbe oberflächlich betrachte, unsinnig und unglüubhaft erscheine.
Wenn muan dagegen die Verhältnisse einzeln vornehme, genau betrachte und
in ihrer Gesammtheit würdige, daun sprächen eben alle Verhältnisse gegen die
Aufstellung des Staatsanwaltes und für die Aufstellung des Angeilagten.
Weiter führte der Vertheidiger aus, daß, selbst wenn die verbrecherische Ab⸗
icht des Angeklagten nachgewiesen wäre, eine Bestrafung nicht erfolgen könne,
‚»a die Quantität des beigebrachten Giftes im gegebenen Fall durcaus nichit
geeignet gewesen wäre, die Gesundheit der Frau zu zerstören; das sei aber
iothwendig, wie aus den Motiven zum deutschen Strafgesetzbuch und aus
iiner Reihe der angesehensten Commentare dazu erhelle.
Die Geschworenen verneinten nach kurzer Berathung die Schuldfrage,
vorauf der Angeklaute freigessproochen und sofore in Freiheit gesetzi
vurde. Auch er erhielt von einem der Geschworenen Reisegeld.
16. Juni. Vormittags. Verhandlung gegen Philippeurohr, 28
Jahre alt, Tagner von Muͤnchweiler, wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen
nit Gewalt. Die Anklage vertritt Staatsanwalt Dr. Krell, Veriheidiger ist
Rechtscandidat Schuck. Die Verhandlung entzieht sich ihrer Natur nach der
aäheren Besprechung; der Angekirgte ist vollständig im Sinne der Anklage
zeständig. Nur das sei, um irrige Lluffass.ingen fern zu halten, bemerkt, daß
»er Umstand, daß in dieser Session drei solche Verbrechen zur Verhandlung
ramen, keineswegs auf eine Vermehrung derselben schließen laäͤßt; dieselben
vurden nämlich früher — vor dem ie October 1879 — von den Zuchtpoli⸗
eigerichten abgeurtheilt und kamen deshals weniger zur öffentlichen Kenntniß.
Die Geschworenen sprachen den Angeklagten unter Annahme mildernder Um⸗
tände schuldig, worauf derselbe zu einer Gefängnißstrafe von 9 Monaten ver⸗
artheilt wurde.
16. Juni. (Nachmittags) Verhandlung gegen 1) Johann Schach,
32 Jahre alt, Ackerer, 2) Anna Margaretha Scha ch, 38 Jahre alt, ledig.
deide von Dreisen, wegen Meineids. Die Anklage vertcilt Staalsanwau
Betri, Vertheidiger ist Rechtsanwalt Kieffer.
Der Vater der beiden Angeklagten, Konrad Schach, starb am 4. October
877 mit Hinterlassung von sechs Kindern. Unter diesen entstand über die
Theilung des Nachlasseß Streit, die Hauptwidersprecher gegen den Vertheil⸗
ingsplan waren die beiden Angellagten. Es kam zum Proceß und den beiden
Angellagten wurde ein Haupteid zugeschoben, den sie in der Siztzung des kul.
Landgerichts Kaiserslautern vom 29. October 1879 leisteten.
Nach der Aufflellung der Anklage wurde dieser Eid von den Angeklagten
wissentlich falsch geleistet, während die Vertheidigung dieses bestreitet. In der
Rechtsbelehrung setzte der Vorsitzende auseinander, daß die Angeklagten nur
dann für den Inhalt des von ihnen Beschworenen nicht verantwortlich gemacht
verden könnten, wenn fie sich in einem wirklichen Irrthum darüber befunden
Jätten, was nach allem Vorangegangenen der wirkliche Inhalt des Eides sei;
ob sich die Kngellagten in einem Irrthum über diesen Gegenstand hätten be⸗
inden können, das mußten die Geschwoͤrenen entscheiden. Diese sprachen nach
urzer Berat hung ihr Schuldig über beide Angeklagte, worauf dieselben zu
iner Zuchthausstrafe von je 3 Jahren verurtheilt wuͤrden, verbunden mil den
esetzlichen Folgen deßs Meineids
Vermischtes.
*St. Ingbert. Das Ergebniß der Sammlung für die
Wittelsbacher Landesstiftung beträgt im Kanton St. Ingbert
735. M. 74 Pf. Diese Summe vertheilt sich auf die einzelnen
hemeinden des Kantons wie folgt: St. Ingbert 5528 M. 7 Pf.,
EEnsheim 96 M. 3 Pf., Ommersheim 30 M., Hassel 87
M. 90 Pf., Rohrbach 25 M. 75 Pf., Heckendalheim 14M.,
IAberwürzbach 11 M., Eschringen 7 M. 99 Pf. —
zm Kanton Zweibrücken gingen ein 2548 M. 56 Pf., im Kan—
on Blieskastel 573 M. 84 pf. und im Kanton Hornbach
317 M. 55 Pf. Für den Amtsbezirk Zweibrücken beziffert
ich sonach das Ergebniß der Sammlung auf 9175 M. 69 Pf.
*St. Ingbert, 24. Juni. In der gestern Nachmittag
tattgehabten Stadtrathssitzung wurde unter 7 Bewerbern mit 15
von 23 abgegebenen Stimmen Hr. Alt, bisher erster Bezirksamts⸗
chreiber in Kaiserslautern, zum städtischen Einnehmer dahier ge—
oählt. 8 Stimmen fielen auf Einnehmereiverweser Müller in
domburg.
M St. Ingbert. Der „Sängerchor“ des Arbeiter—
ßildungs-Vereins dahier wird am nächsten Sonntag
iber acht Tage, also am 4. Juli, den passiven Mitgliedern aber
nals eine musikalisch-theatralische Abendunterhaltung geben. Zu
»erselben soll ausnahmsweise auch „Nichtmitgliedern“ gegen ein
entree von 25 Pfg. à Person der Zutritt gestattet werden. Die.
venehmigung zur Erhebung genannten Eintrittsgeldes ist vom
dönigl. Bezirksamte gütigst ertheilt worden. Ven Ertrag der
twaigen Einnahme gedenkt man, nach Abzug der Unkosten, der
Wittelsbacher Landesstiftung“ zuzuweisen, welche aus Anlaß des
zubiläums des erlauchten Wittelsbacher Königshauses ins Leben
jerufen wurde und nach dem Willen Sr. Majestat des Königs
ner Hebung und Förderung des bayer. Handwerkes zu dienen hat. —
Es ist diese Absicht des „Süngerchores“ gewiß eine sehr lo—
jenswerthe, und sie liefert wiederholt den Beweis, wie der Arbeiter—
Zildungsverein immerfort bestrebt ist, seinen Theil zur Pflege und
entwicklung des Handwerkes beizutragen. —
Der erwähnten Abendunterhaltung wird darum ein zahlreicher
Besuch zu wünschen sein.
F In einer Pirmasenser Schuhmacherfamilie spielte sich
um Montag Abend eine häusliche Szene ab, die für die Betreffen—
den wohl von schweren Folgen begleitet sein dürfte. Der Vater
var mit seiner Tochter in Streit gerathen, welcher schließlich so
rusartete, daß letztere fich den Nachstellungen ihres Vaters, der sie
nit offenem Messer verfolgte, nur durch einen Sprung ans dem
Fenster ihrer im 2. Stocke gelegenen Wohnung retten konnte.
Schwerverletzt wurde sie vom Platze getragen. während der Vater
ofort inhaftirt wurde.
.Der zwischen der Gemeinde Otterberg und dem kgl.
lerar seit langer Zeit schwebende Waldprozeß wurde durch Vergleich
)eendigt; Otterberg erhält 309590 M. Entschädigung und wie früher
»as Recht auf das Stock- und Windfallholz und das Stammhoiz,
velches unter 40 em ist. Die Kosten zahlt, der „K. 3.“ aufolge.
das Aecar.
F In Neustadt wurde am 24. d. Mis. ein Falschmünzer
n der Person des Photographiegehülfen Manz aus Wachenheim
erhaftet. Derselbe hatte in mehreren Wirthschaften selbstgefertiqte
alsche 5 Markstücke ausgegeben.
f Es sind nunmehr der 14., 15. und 16. August definitiv
ils die Tage bestimmt, an welchen in Ludwigshafen das
Ffälzische Sängerfest abgehalten wird. Samstag 14. Augqust Nach-—