Hl. Ingberler Nuzeiger.
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104.
Donnerstag, den . I27*
1885.
Deutsches Reich.
München. Se. Maj. der König hat genehmigt, daß für
den Dienst der vereinigten Zoll- und Aufschlagsverwaltung Steuer⸗
aufseher ernannt und daß die Malzaufseherstellen im Erledigungs—
fall in Steueraufseherstellen umgewandelt werden.
Die von der Münchener Generaldirection der Verkehrsan—
stalten zu einer Conferenz berufenen Vertreter der bayerischen Handels—
und Gewerbe-Kammern und des landwirthschaftlichen Vereins ver—
warfen einstimmig das von der Tarifcommission der deutschen
Eisenbahnen vorgeschlagene neue Gütertarifschema.
Für die Entscheidung der Berliner Botschafter⸗Conferenz,
welche durch die Schluß-⸗Acte am Montag die Grenze zwischen der
Türkei und Griechenland festgestellt hat, ist der Gesichtspunkt maß-
gebend gewesen, keinem Theil eine strategisch dominirende Stellung
gegenüber dem anderen zuzuweisen. Geltend gemacht wurde für
die Nordwestgrenze, möglichst zu verhindern, daß sich die Griechen
mit den Albanesen berühren. Für den von Griechenland zu über⸗
nehmenden Schuldenantheil bildet die Einwohnerzahl den Maßstab.
Die Feststellung der Summe ist für später vorbehalten. Die in
dem abzutretenden Theil belegenen kaiserlich türkischen Schlösser
und Güter sind durch eine angemessene Geldentschädigung der Türkei
zu vergüten.
Die Entscheidung in der preußischen Kirchenvorlage ist
am Montag gefallen. Dieselbe wurde, nachdem eine ganze Reihe
von Artikeln, darunter auch jener, welcher den Bischöfen die Rück—
kehr ermöglichen sollte, abgelehnt worden waren, mit 206 gegen
202 Stimmen angenommen.
Der „Reichs-Anzeiger“ enthält folgende Verordnung, betreffend
das Verbot der Einfuhr von Schweinefleisch und Würsten aus
Amerika, vom 25. Juni 1880:
Wir Wilhelm u. s. w. verordnen im Namen des Reichs, nach
erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt: 8 1. Die Ein—
fuhr von gehacktem oder auf ähnliche Weise zerkleinertem oder sonsl
zubereitetem Schweinefleisch und von Würsten aller Art aus Amerika
ist bis auf Weiteres verboten. Auf die Einfuhr ganzer Schinken
und Speckseiten bezieht sich das Verbot nicht. 8 2. Der Reichs⸗
tanzler ist ermächtigt, Ausnahmen von dem Verbote zu gestatten
und die deßhalb erforderlichen Kontrolmaßregeln zu treffen. 8 3.
Hegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündung
in Kraft.
Wie das „Deutsche Montags⸗Blatt“ erfährt, werden im Jahre
1881 die zur Ersatzreserve erster Klasse bestimmten Mannschaften,
welche bisher in Friedenszeiten von allen militérischen Uebungen
befreit waren, in Folge des in Kraft tretenden neuen Reichs—
Militärgesetzes zu einer zehnwöchentlichen Uebung einberufen
werden. Um indessen den geschäftlichen und ökonomischen Verhält—
nissen Rechnung zu tragen, wird voraussichtlich die Zeit zu den
Uebungen bestimmt werden, in welcher die meisten landwirthschaft—⸗
lichen Arbeiten beendet sind.
Fürst Bismarck ist mit seiner Gemahlin und seinem Sohne,
dem Grafen Wilhelm Bismarck, am Dienstag von Berlin nach
Friedrichs ruh abgereist.
Ausland.
Gestern (Mittwoch) sollte in Frankreich die Ausführung
der Märzdekrete, deren Frist vorgestern abgelaufen ist, gegen die
nichterlaubten Ordensgemeinschaften ihren Anfang nehmen. Für
die damit beginnenden kritischen Tage haben die Befehlshaber aller
Garnisonen der Städte in welchen solche Ordensgemeinschaften sich
befinden, besondere Weisungen erhalten für den Fall, daß Auf-
lehnungen oder Unordnungen vorkommen sollten.
Der französische Senat hat den Gesetzentwurf betr. die
Aufhebung des Instituts der Feldprediger mit 175 gegen 100
Stimmen angenommen.
In Pariser parlamentarischen Kreisen glaubt man, der
Senat werde die Amnestievorlage nur mit einem Amendement,
hetreffend die Ausschließung der gemeinen Verbrether von der
Amnestirung, annehmen.
die „Times“ erfährt, bereits zu Anfang Juni sei dem Vati—
can die Abberufung der belgischen Gesandschaft notificirt worden
ind seien alle Bemühungen, einen Aufschub dieser Maßregel zu er—
wirken, erfolglos geblieben.
Die neue von der Berliner Konferenz festgesetzte grie⸗
hische Grenze spricht dem Königreich Griechenland einen über—
nus fruchtbaren Landstreifen zu mit ungefähr 350,000 Einwoh—
nern, darunter ungefähr ein Sechstel Muhamedaner und ca. 7000
Juden.
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Vermischtes.
*St. Ingbert, 30. Juni. In heutiger Schöffen—
sätzuung kamen folgende Fälle zur Verhandlung: 1) Zwei
Burschen von Rohrbach erhielten wegen Korperverleßung Gefäng—
nißstrafen von je 1 Monat. 2) Wegen desselben Reates erhielten
3 Burschen von Rohrbach und ein solcher von Spiesen Gefäng—⸗
nißstrafen von 1 Monat bis zu 10 Tagen. 3) Ein fremder
Handwerksbursche wurde wegen Verübung groben Unfugs zu 8
Tagen Haft verurtheilt. 4) Eine Privatklage wegen Beleidigung
wurde vertagt.
* St. Ingbert. Wir hören, daß der in der letzten Stadt⸗
rathssitzung gewählte städtische Einnehmer schon mit dem 15. ds.
Mts. seine Stelle dahier antreten wird. (Anläßlich der hier und
unlängst in Weidenthal stattgehabten Wahl eines Gemeindeeinneh⸗
mers plaidirt im „Pf. K.“ ein Correspondent aus der Vorderpfalz
jür unsere frühere pfälzische Gemeindeordnung, nach welcher der
Bemeinderath drei Candidaten vorzuschlagen hatte, wovon dann
einer durch kgl. Entschließung ernannt wuͤrde. Jetzt braucht die
Wahl des Gemeinderathes nur angezeigt zu werden)
* Die Gemeindekasse von Rohrbach leistete noch nachträg⸗
lich zur Wittelsbacher Landesstiftung einen Betrag von 15 M.
m. Aus dem Kanton Waldmohr. Im Wiesenthal
bei Sand spielte sich am Montag Mittag eine recht ergreifende
und Mitleid erregende Scene ab. Der Ackerer Johann Ohliger
don Sand war um diese Zeit mit seinen Kindern in den Wiesen
mit Heuumwenden beschäftigt; plötzlich stürzte er, mitten in der
Arbeit von einem heftigen Blutsturz befallen, nieder und war nach
wenigen Minuten eine Leiche.
— In der letzten Schöffengerichtssitzung in Zweibrücken
wurde ein Metzgerbursche wegen Thierquälerei zu 10 Tagen Haft
verurtheilt.
Zweibrücken. Vor einigen Tagen stürzte sich ein
Handwerksbursche in den Hallbach, in der Absicht, seinem Leben
ein Ende zu machen, wurde aber durch in der Nähe beschäftigte
Arbeiter an der Ausführung seines Vorhabens, das er mit er—
staunenswerther Energie durchzuführen suchte, verhindert. Der Arme
hatte in der Frühe an seine Eltern um Geld telegraphirt und, da
pis Mittag noch keine Antwort eingetroffen war und er seine Zu—
Aucht zum Fechten nicht nehmen wollte, den Selbstmord dem Hunger
dorgezogen.
FZweibrücken. Nach der „Zweibr. Zig.“ ist die von
einigen pfälzischen Blättern gebrachte Nachricht, daß unter den
Pferden der hier liegenden Schwadron des 5. Chevaurlegers⸗Regi⸗
ments die Rotzkrankheit ausgebrochen sei, ganz grundlos.
FBurrweiler. Montag Abend gegen 6 Uhr waren der
Bemeindeschreiber und Weinhändler Vaader' ünd dessen erwachsene
Tochter mit brennendem Licht beim Auffüllen eines 3500 Liter
haltenden Weinfasses beschäftigt, als dasselbe mit furchtbarem Knall
explodirte, alle in der Nähe befindlichen Gegenstände zerstörend.
Die Trümmer des Fasses zerschmetierten Baader das Bein und ver—
letzten ihn schwer am Rücken und am Kopf; seine Kleider sowie
die seiner Tochter brannten lichterloh. Aerztliche Hilfe war jofort
zur Stelle, ebenso war die Feuerwehr rasch am Platze. Ein im
Keller liegendes Faß mit Sprit wurde durch Zudecken mit Mist ge⸗
schützt und dann der Brand rasch gelöscht. Baader ist feinen
Wunden erlegen; seine Tochter liegt ebenfalls schwer danieder und
man bezweifelt ihr Aufkommen.
F In Grünstadt wurden am 27. Juni Morgens social⸗
demokratische Flugblätter ausgestreut