Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

heute mit dem Ausmachen begonnen. Die Waare wird vorerst in 
Korben verfandt; bis dieselben feste Schale haben, um waggon⸗ 
weise versandt werden zu können, gehen noch 14 Tage darauf. 
In Speyer hat sich ein 8ajähriger Veteran, der schon 
die Feldzüge 1813114 unter Napoleon als Tambour mitgemacht 
hatte, erschossen; wie es heißt, aus Lebensmüdigkeit. 
Aus Elsaß. Ein Weißenburger Restaurateur, welcher 
dem Bankhaus Bleichröder in Berlin seine Sammlung 1878er 
Zehnpfennigstücke angeboten hatte, erhielt folgende Antwort: „In 
Erwiderung Ihres gefälligen Schreibens vom 2. ds. theile ich Ihnen 
betreffs der Sammlung von Nickelmünzen mit, daß sich ein Spaß— 
vogel den Scherz gemacht hat, eine derartige Notiz einer Zeitung 
aufzubinden, ich jedoch keineswegs die Absicht habe, mir eine Samm 
lung von Zehnpfennigstücken anzulegen. Berlin, 4. Juni 1880 
Achiungsvoll S. Bleichröder. R. Immelmann. M. Lion. 
p'Frankfurt a. M. Der bis jetzt angemeldete Schulden⸗ 
stand der flüchtig gegangenen „Bankiers“ Gebruͤder Sachs beträgt 
200,000 M., dem nur etwa 15,000 M. Aktiva entgegenstehen. 
Die Schwindler haben früher ihr Unwesen auch in Wien getrieben 
und dort 1872,. vor dem „Krach,“ mit 1 Million Gulden fallirt 
An der Frankfurter Börse hatte die Firma Sachs gleich von vorn— 
herein keinen Kredit. Allmaͤhlich wußie sie sich, von ebenso gewissen⸗ 
(osen Maklern unterstützt, beim Publitum Vertrauen zu erschwindeln 
und nach und nach ist eine große Anzahl Angehöriger aller Stände, 
hom Grafen herab bis zur wenig bemiitelten Witiwe, in ihr klug 
gestelltes Garn gegangen. Ueber den Aufenthalt der Schwindler 
ist noch Nichts ermittelt. 
gZwei wegen Ausgabe von falschen Zwanzigmarkstücken in 
Mannheim verhaftete Amerikaner sind, nachdem sie über Nacht 
im Holzthurm gesessen, Tags darauf wieder freigegeben worden. 
weil sich herausstellte, daß das von ihnen ausgegebene Goldstück — 
echt war. Sonderbar, daß man sich nicht die Mühe gab, das 
Goldstück vorher genau anzusehen, ehe man die Amerikaner einsperrte. 
Letztere haben diese Sonderbarteit krumm genommen und beim 
amerikanischen Konsul Beschwerde geführt. Und Das mit Recht! 
In Erlangen veranstaltet Samstag, 3. Juli, der 
Senioren⸗Convent zur Feier des Wittelsbach⸗Jubiläums einen großen 
Tommers, an welchem sich auch zahlreiche auswärtige „alte Herren“ 
der drei Corps beiheiligen werden. Am Vormittag desselben Tages 
findet aus gleichem Anlaß in der Aula ein Redeakt statt, bei 
welchem Prorector Dr. Frank sprechen wird. 
Nürnberg. Nach vorgängiger Haussuchung ist auf 
Requisition des Landgerichts Fürth, in dessen Sprengel der Ort 
liegt, wo der Forstgehilfe Vogler am Samsiag Morgen erschossen 
aufgefunden wurde, der hiesige Rosolfabrikant Mich. Horn, ein be⸗ 
fannter Jagdliebhaber, durch die hiesige Polizei verhaftet und nach 
Fürth abgeführt worden. 
p Aus Bay ern wird geschrieben: Am 7. Juni 1876 wurde 
der Gürtler Johann Baierl von Kossain vom Schwurgericht der 
Oberpfalz wegen Brandstiftung zu sieben Jahren Zuchthaus ver— 
urtheilt, welche Strafe er sofort antrat. Durch den fraglichen 
Brand war das Anwesen des Baierl nebst 25 anderen Gebäuden 
vernichtet worden. Am 24. September 1879 — also nachdem 
Baierl über drei Jahre im Zuchthause gesessen — meldete sich dit 
Z8jährige Dienstmagd Elise Argauer beun Untersuchungsrichter mit 
dem Geständniß, daß sie das Auwesen des Baierl angezündet habe, 
weil dieser das ihr gegebene Eheversprechen nicht gehalten. Elist 
Argauer wurde zu vier Jahren Gefängniß verurtheilt. Baierl ist 
hoffentlich schon freigelassen, aber wer ersetzt dem Aermsten den 
Zerlust an Ehre, Freiheit und Vermögen? — Niemand, denn die 
Reichsstagsmajorität lehnte anläßlich der Berathung der neuen 
Justizgesetze die Regelung dieser Forderung der Billigkeit und de—s 
offentlichen Rechtsbewußtseins ab. 
F Ein rührendes Beispiel von Hundetreue wird aus dem 
Coburgischen gemeldet. Ein reicher Engländer hatte einen 
Jagdhund für 1500 Mk. gekauft; der treue „Leo“ ging aber seinem 
neuen Herrn bei dessen Enschiffung in Havre durch und traf vor 
einigen Tagen mit blutenden Fuͤßen wieder bei seinem alten unge⸗ 
lreuen Herrn auf Karolinen⸗Höhe (bei Lichtenfels-Coburg) halb 
verhungert ein. 
In Herzberg (Hannover) verstarb vor kurzem im 99. 
Lebensjahre der Postmeister Frande. Er marschirte mit den ehe— 
mals westfälischen Truppen 1812 als Offizier nach Rußland und 
sam beim Rückzuge in hartes Gedränge mit den Kosaken; seine 
Kameraden ringsum wurden niedergemetzelt; aber ein gütiges Ge⸗ 
schick hatte ihn mit einer kolossalen Nase bedacht, nach welcher er, 
um ihn näher zu bezeichnen, oft genannt wurde und dieser rettete 
ihm sein Leben. Als die Kosaken nämlich seiner ansichtig wurden, 
brachen sie in ein schallendes Gelächter aus, nahmen ihn gefangen 
und führten ihn als Sehenswürdigkeit ins Hauptquartier, wo er 
übrigens wohlwollend aufgenommen wurde. Nach manchen Müh— 
salen langte er in seiner Heimath wieder an, trat in hannover'sche 
Dienste und wurde, nachdem er feinen Abschied erbeten, Postmeister 
n Herzberg 
In Freiburg i. Br. wurden neuerdings falsche Mark⸗ 
stücke entdeckt, die als ganz besonders gefährlich bezeichnet werden 
müssen, weil sie nahezu untadelhaft hergestellt sind und insbesondere 
bden scharfgekerbten Rand zeigen, der die echten Silbermünzen aus⸗ 
zeichnet. Auch im Klang und in der Farbe sind die falschen Stücke 
hon den echten kaum zu unterscheiden, so daß eine betrügerische 
Täuschung mit jenen nur durch große Aufmerksamkeit verhindert 
werden kann. Rur durch den eiwas fettigen Griff lassen sich diese, 
die Jahreszahl 1878 und das Münzzeichen A tragenden falschen 
Markstücke als solche erkennen. 
FDas namlose Unglück, das durch die an 14. d. M, statt⸗ 
gehabten Wolkenbrüche über die preußische und sächsische Lausitz, 
bwie die Harzdistrikte hereingebrochen ist, hat, wie die —XRVV 
hört, eine Zahl von Männern veranlaßt, im Verein mit hervor— 
lagenden Persoͤnlichkeiten Ber lins und dortiger Zeitungen zum 
Besten der ihrer Ernährer und ihrer Habe beraubten Sammlungen 
zu veranstalten. Ein darauf bezüglicher Aufruf ist erschienen und 
st zu hoffen, daß auch in diesem Falle der bekannte Wohlthätig- 
eitssinn des deutschen Volkes sich bewähren und so den Tausenden 
ichwer Bedrängter eine Erleichterung Aihres traurigen Looses zu 
Theil werde. 
—Welchen Umfang die Eisenbahnbauthätigkeit in Preußen 
gegenwärtig erreicht, mag aus folgenden Angaben ersehen werden. 
Für Rechnung des Staates werden 8233 Kilometer mit einem 
Kostenuufwand von 201,604,000 Mk. gebaut, während unter Ver⸗ 
waltung des Staates stehende Privatgesellschaften 87.9 Kilometer, 
die 133630,000 Mt. beanspruchen, ausführen lassen. 
Die Kosten unserer Panzerschiffe. Welches 
tostbare Material die Panzerschiffe der Deutschen Flotte zur Zeit 
repräsentiren, geben nachstehende Zahlen an. Es betrugen die Ge⸗ 
ammtkosten des „König Wilhelm“ 10 102 829 M., „Deutsch⸗ 
and'“ 8240450 M., „Kaiser“ 8 226 032 M., „Friedrich der 
Hroße“ 7303417 M., „Preußen“ 7 038 097 M., „Friedrich 
Zarl“ 6453296 M., „Kronprinz“ 6 296 721 M., „Sachsen“ 
7803 475 M., „Bayern“ 6 930 338 M., „Hansa“ 3 665 412 
M., „Württemberg“ 3517 952 M. Bisher erwuchsen als Re⸗ 
„araturkosten für König Wilhelm“ 1692 156 M., „Deutschland“ 
348 559 M., „Kaiser“ 679 971 M., „Friedrich der Große“ 
260 301 M., „Preußen“ 316 776 M.,„Friedrich Karl“ 2 265 090 
M., „Kronprinz“ 1221965 M., „Hansa“ 265 189 M. Die 
untergegangene Panzerfregatte „Großer Kurfürst“ hatte etwas über 
7 Millsonen Mark gekostet. Die Gesammttosten dieser aufgezeich- 
neten Panzerschiffe betragen also nicht ganz 90 Millionen Mark. 
ꝓ' Aus Iglau Giähren) wird der „D. Ztg.“ geschrieben: 
„Vor wenigen Tagen wurde von unserer Polizei eine aus mehreren 
schulpflichtigen Burschen bestehende „Räuberbande“ eingefangen. 
Die aͤltesten der „Raͤuber“ stehen im Alter von 13 Jahren, der 
„Hauptmann“ war ein 11-jähriger Bursche. Die kleine Bande 
war wohl organisirt und veruͤbte ihre schlechten Streiche meist am 
Abend: während des Tages wurde, statt die Schule zu besuchen, 
lott gelebt oder in der Nähe der Stadt der Actionsplan berathen. 
Die Burschen hatten es besonders auf die Schwimmschule besuchen⸗ 
)en Knaben israelitischer Abkunft abgesehen, diese überfallen und 
hnen unter Androhung von Mißhandlungen die Baarschaft abge⸗ 
nommen. 
4 Man schreibt aus Ung var (Ungarn): Am 183. d8. ist 
hier eine Frau Namens Marie Lische, nachdem dieselbe einige Tage 
borher über Unwohlsein geklagt hatte, im Alter von 115 Jahren 
gestorben. Im vergangenen Jahr, gelegentlich der Ueberschwemmung 
durch die kleine Ung, wäre die Greifin nahezu verunglackt; sie wusch 
nämlich Wäsche bei'm Fluß, wurde von den Wogen erfaßt, jedoch 
durch einen Telegraphenaufseher glücklich gerettet. Jhrem Sarg 
folgte eine siebzigjährige Tochter, deren Schmerzensrufe: „Maͤtter, 
Muͤtter, wie hasi Du' mich als arme Waise hinterlassen!“ einen 
eigenthümlichen Eindruck machten. 
Ein Schwiegersohn des Andreas Hofer. Der 8ojährige 
Josef Holzknecht, Vrühwirth in St. Leonhard im Passeyer, 
Schwiegersohn Andreas Hofer's, hat sich, einem Tiroler Blatte zu— 
jolge, bereit erklaͤrt, die Trroler Schützen zum österreichischen Bundes- 
Schießen nach Wien als Fähnrich mit der Hoferfahne zu begleiten. 
F Die Eisen- und Stahlproduction Frankreichs stellt 
ich im Jahre 1879, wie folgt: Von Gußeisen wurden 1,3344,758 
Tonnen, von Schmiedeeisen 838,706 T. und von Stahl 339, 410 T. 
hergestellt. Gegen 1878 wurden von Gußeisen 72,314 T. oder 
5 pCt. weniger; von Schmiedeeisen 70,371 T. oder 9 pCt. mehr; 
von Stahl 87,609 T. oder 20 pCt. mehr fabricirt. Die Her⸗ 
stellung von Eisenschienen, von denen im Jahre 1875 125,000 T. 
zewalzt wurden, ist im Jahre 1879 auf 43,029 T. zurückgegangen; 
die Stahlschienenproduction hat sich dagegen sehr gehoben; im 
vorigen Jahre wurde 247,264 T. hergestellt. 
F die Zahl der in England beschäftigten Arbeiter stellt 
sich für die Eisenindustrie auf zusammen 570,000 und zwar 
140,000 bei Hohöfen und Walzwerken, 169,000 in der Maschienen⸗ 
Abrifation. 35.500 bei der Stahlfabrikation, 48,000 im Eisen—