St. Ingberler AAnzeiger.
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A 10O7.
Dienstag, den 6. Juli 1880.
Deutsches Neich.
Nach einer Mittheilung in der „Fr. Z.“ soll die bayerische
Staatsrechnung pro 1879 mit einem Tefizit von nicht weniger
als 15 Millionen abschließen, welches hauptfächlich durch Minder—
erträgnisse im Departement der Forst- und Eisenbahnverwaltung
entstanden ist. Die Richtigkeit dieser Mittheilung vorausgesetzt, so
röffnet sich damit für den Steuerzahler eine recht hübsche Aussicht
auf neue bezw. Erhöhung der bestehenden Steuern.
Das preuß ische Herrenhaus hat am Samstag, wie vor—⸗
auszusehen war, den Kirchengesetzentwurf in der Gestali, in welcher
er aus dem Abgeordnetenhaus hervorgegangen war, mit großer
Mehrheit angenommen.
In Folge der furchtbaren Verwüstungen, welche das Unwetter
der letzten Woche in Sachsen angerichtet hat, sieht sich die sächsische
Regierung veranlaßt, den sächsischen Landtag zu einer außerordent-
lichen Session einzuberufen. Derselbe soll in thunlichster Beschleunig⸗
ung diejenigen Mittel bewilligen, welche nöthig sein werden, um
den heimgesuchten Gegenden zu Hilfe zu kommen. Man glaubt,
daß mehrere Millionen Mark nöthig sein werden, um das Elend
einigermaßen zu lindern.
Ausland.
Die Wiener officiöse, Montagsrevue“ sagt bei Besprechung
der Berliner Conferenz: „Wiewohl der Vermittelungsgedanke die
Verhandlungen der Conferenz beherrschte, kann hieraus nicht ge⸗
schlossen werden, daß die Mächte ihrer Entscheidung eine ausschließ⸗
lich nur platonische Bedeutung zuerkannt wissen wollen. Seit der
Conferenz sollte die Türkei zur Erkenntniß gelangen, daß Europa
entschlossen ist, nicht mehr mit sich markten zu lassen.“
Der französische Senat hat die von der Abgeordneten⸗
lammer angenommmene unbeschränkte Amnestie (der Communards)
»erworfen, dagegen mit 143 gegen 188 Stimmen einen Antrag
angenommen, wonach mit Ausnahme der Mörder und Mordbrennet
den noch nicht begnadigten Communarden Amnestie gewährt
werden soll.
Sämmtliche Ausschüsse katholischer Vereine Belgiens sind
zu einer Generalversammlung einberufen. Zwed derselben ist eine
Verathung des Vorschlages, daß die belgischen Katholiken auf ihre
Kosten einen ständigen Vertreter beim Valikan ernennen sollen.
Diplomatische Berichte aus Konstantinopel schudern die
Aufregung der dortigen Bevölkerung über die Beschlüsse der Berliner
honferenz als sehr tiefgehend; die Softas (Studenlen der Theologie)
drohen mit Revolution, wenn die Pforte nachgeben sollte. Die
Christen fürchteten einen gewaltsamen Ausbruch des muhamedanischen
Fanatismus.
Die ariechische Regierung hat die Armee-Reserve einberufen.
Im Auftrage des k. Staatsministenium ist der J. Jahres⸗
»ericht der 3Z bayer. Fabrit⸗Inspektoren erschienen.
Außer der nicht seltenen Ueberschreitung der gesetzlich zulässigen
Arbeitszeit gab die Art der Beschäftigung, mit welcher die jungen
Leute betraut waren, nur selten Anlaß zur Beanstandung. Einer
ortdauernden, wohlwollend gehandhabten Kontrole wird es sicher
gelingen, den Arbeitgebern zum Bewußtsein zu bringen, daß sie bei
Beobachtung der durch das Gesetz bezweckten körperlichen Schonung
der Kinder sich einen gesünderen und leistungsfähigeren Arbeiter⸗
tamm heranziehen und dadurch nur ihr eigenstes Ineresse fördern.
lusgiebigere Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Thätigkeit und zur
Zammlung interessanter Beobachtungen bot sich den Inspektoren
nei der Prüfung der Fabricken hinsichtlich der Sicherheit des Be—
riebes und des Schutzes gegen schädigende Einflüfse einzelner
Fabrikationszweige dar; in groͤßeren Etablissements finden sich in
er Regel alle möglichen Schutzmaßregeln zum Besten der Arbeiter
nn Kraft; aber auch in kleineren Anlagen lam man Verbesserungs⸗
borschlägen, deren Nutzen allerdings auf der Hand liegt, nicht
insypathetisch entgegen. Die meisten Unfälle kamen vor: durch
invorsichtige Behandlung von im Gange befindlichen Transmissionen
ind Fahrstühlen, sowie durch nicht geschützte Zahnräder und Sägen
Kreissägen). In Bezug auf Abaänderungen, bezw. Einrichtung
»on Schutzmaßregeln werden von den drei Inspektoren Vorschläge
gemacht.
F Das Landgericht in Zweibrüden hat einen langjährigen
Streit wegen der Simultankirche in Nieder bexb ach zu Gunfien
der Protestanten entschieden und diesen unter Berufung auf den
westphälischen Frieden von 1648 und den Ryswicker Frieden von
1697 die Kirche zugesprochen.
F Der Stadtrath von Homb urg beschloß in Betreff des
dortigen Wochenmarktes, daß künftig nur solche Gegenstände feil⸗
gehalten werden sollen, welche ausdrücklich nach der Reichs-Gewerbe⸗
oxdnung 2c. für diese Märkte vorgesehen sind. Alle anderen Gegen⸗
tände sollen für die Folge nicht mehr zugelassen werden, weil da⸗
durch die Gewerbetreibenden und Kaufleuie der Stadt geschädigt
verden.
Als ein Zeichen außerordentlicher und seltener Ueppigkeit
vurde dieser Tage dem „Pirm. Anz.“ von einem Waldhüter aus
dröppen eine Kornähre gebracht an deren Seiten 7 kleinere
Aehren herausgewachsen sind, don denen drei fast die halbe Länge
der Hauptähre erreichen. Sämmiliche 8 Aehren enthalten schon
räftig entwickelte Körner.
F Der Stadtrath von Kaiserslautern beschloß, daß
hom 1. Januar 1881 an der Anfangsgehalt der städtischen Volks-
chullehrer von 1200 auf 1400 M. erhoͤht werde und der Schluß⸗
oder Höchst-Gehalt, der nach 25 Dienstjahren in der Stadt erreicht
wird, 1700 M. (bisher 1628 M. 57 Pf.) betragen soll.
In Neustdt stürzte am 1. d. Mts. ein 4jähriger Knabe
nus dem dritten Stockwerk auf die Straße, ohne sich im mindesten
zu beschädigen.
F In Minfeld versuchte während des Gottesdienstes ein
Handwerksbursche, der sich beim Opfergange den Andächtigen an⸗
Jeschlossen hatte, das auf dem Altare liegende Opfergeld zu ent⸗
wenden. Er wurde festgenommen. Bei dem Verhoͤre gab er an,
er hätte sich etwas Geld wechseln wollen. (S. W.)
F Im Bahnhof zu Lehrte merkte man am 30. Juni
norgens, daß ein starker häßlicher Geruch von der im Feuer be⸗
indlichen Locomotive „Aller“ kam. Der Maschinist stieg
auf die Maschine, um nachzusehen, kam aber im seiben
Momente leichenblaß heruntergestürzt mit dem Rufe: „Ein
Mensch! ein Mensch! ein Mensch liegi in der Feuerliste.“ Sofort
vurde die Sache untersucht und da fand man, daß der Tischler
Bottfried Könneke, als Maschinenputzer dort beschäftigt und Vater
von sieben Kindern, mit den Beinen zuerst durch die kleine Feuer⸗
ingsthür bei acht Athmospharen Dampfdrud in das Feuer gektochen
ind dort lebendig verbrannt war. Köonneke scheint diesen Tod in
zinem Anfall von Irrsinn gesucht zu haben, da er schon langere
Zeit schwermüthig war.
Vermischtes.
*St. Ingbert, 6. Juli. Dem Knaben Georg Ssch u⸗
macher, Sohn von Joh. Schumacher, Walzer von Ren—⸗
trisscch, welcher am 14. Juni in der Nähe des Spitals von
einer Sandfuhre überfahren worden war, mußte gestern das verletzte
Bein bis zum Knie abgenommen werden.
*— Gesitzwechsel. Das neben Hrn. Thiery an der Kai—
lerstraße gelegene Haus des Hrn. Reutner Fe. J. Schwarz in
For bach ging durch Kauf für 19000 Mark in den Besitz des
Hrn. Kaufmann Jos. Beer über.
*— Der Mangel einer Perron-Ueberdachung am hiesigen
neuen Bahnhofsgebaude hatte sich wohl vorher noch nicht in so
jühlbarer Weise geltend gemacht als am Sonntag Mittag, um
welche Zeit die Mitglieder unseres Kriegervereins von einem Aus—
fluge nach Schwarzenacker und Wersscchweiler mit dem Zuge
hier eintrafen, aber wegen eines Platzregrns, der das Aussteigen
unmöglich machte, mit anderen Personen, die ebenfalls aussteigen
wollten, in den Coupoͤs verbleiben mußten, bis der Regen eiwas
aachließ. Unser neuer Bahnhof ist durchaus nicht stiefmütterlich
bedacht und es ist darum um so mehr zu hoffen, daß er auch die
hm jetzt noch fehlende Perron⸗Ueberdachung, die man heute an fast
allen großeren Bahnhöfen der Pfalz hat. erhalten wird,