SIt. Ingberler Anzeiger.
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——— Samstag, den 17. Juli 1880.
Deutjches Reich.
Aus München berichtet der „Fränk. Kur.““ Den Herrn
Abg. Xaver Hafenbrädl lassen die Lorbeern, die er sich schon ver—
schiedene Male in großen sozialen und politischen Fragen errungen
jat, nicht ruhen. Es wird versichert, daß er seinen ominösen An—
trag auf Abschaffung des 7. Schuljahres wieder einbringen werde.
An der geschäftsordnungsmäßigen Zuläjssigkeit des Antrags ist nicht
mehr zu zweifeln, nachdem die Kammer in ihrer vorigen Session
den bekannten Zusatz zur Geschäftsordnung beschlossen hat. Eben—
owenig aber auch ist an der Erfolglosigkeit des Ansinnens zu zweifeln.
Die 380,000 M., welche das bayerische Cultusministerium
zum Ausbau des Gebäudes der Akademie der bildenden Künste
fordert, sollen aus dem Antheil Bayerns an der französischen Kriegs-
kosten-Enischädigung gedeckt werden. Wie man aus Abgeordneten-
kreisen beider Parteien vernimmt, besteht aber keine Aussicht, daß
diese Summe bewilligt werden wird.
Bezüglich der militärischen Feier des Wittels—
bacher Jubiläums wurde vom Kriegsministerium angeord⸗—
net, daß sämmtliche Casernen und militärische Gebäude, insoferne
diese als Aufenthaltsort für Armee-Angehörige dienen, wie z. B.
Zeughäuser, Lazarethe, Wachthäuser, alle Amtsgebäude u. s. w.
reichlichtt zu decoriren sind; liegen derartige militärärarialischen
Bebäude in oder in der Nähe von Oertlichkeiten, welche Abends
heleuchtet werden, so sind dieselben gleichfalls zu illuminiren.
Der deutsche Kaifer ist am Dienstag in Konstanz
eingetroffen, vom Großherzog, der Großherzogin von Baden
mpfangen, und fuhr, von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt,
n offenem Wagen nach Mainau, wo derselbe bis Sonntag ver—
oleibt.
Das Spielen in Staatslotterien der deutschen
Bundesstaaten dürfte wahrscheinlich im nächsten Reichstag zur
Sprache kommen. Es heißt, daß Reichstagsmitglieder den Antrag
nachen werden, daß in Beziehung auf die Staatslotterien das
zanze deutsche Reich als Inland betrachtet werde. Diese Frage
vird deshalb zur Erörterung kommen, weil das Reichsgericht eine
Entscheidung gefällt hat, wonach trotz der Reichsverfassung die an—
deren deutschen Reichsstaaten Preußen gegenüber in dieser Beziehung
ils Ausland gelten.
Die officiöse Berliner „Prov.-Corr.“ sagt, daß nach den
»orliegenden Berichten die Ernte-Aussichten in Preußen gut sind,
und in manchen wichtigen Fruchtarten sogar mehr als eine Durch⸗
chnittsernte sich ergeben wird.
Die am 28. d. in Kiel vom Stapel zu lassende neue deutsche
Panzerkorvette wird den Namen „Baden“ erhalten. (Die vier
ilteren Panzerkorvetten heißen bekanntlich Hansa, Bavern. Sachsen
und Württemberg.)
Alle Gerüchte, die Hamburger Handelskammer habe sich
nit großer Mehrheit für den Zollanschluß erklärt oder sei von dem
Senat aufgefordert worden, ein Gutachten abzugeben, und habe
zaraufhin den Anschluß für unumgänglich und ausführbar erklärt,
ind absolut erfunden. Sämmtliche Mitglieder der Handelskammer
tehen auf dem Standpunkt, daß die völlige Freiheit der Elbschiff⸗
'ahrt und die Aufrechthaltung des Freihafens mit einem für alle
Manipulationen des Handels und für die Anlegung von Fabriken
genügenden Terrain im Interesse des hamburgischen und deutschen
Handels unentbebrlich sei. (F. 3.)
Ausland.
Die ganze französische Armee erhielt am 14. Juli, dem
Tag der Erstürmung der Bastille im Jahr 1789, neue Tricoloren.
Es soll damit symbolisch angedeutet werden, daß die durch die Er—
eignisse von 1870,71 nothwendig gewordene Reorganisation der
Armee ausgeführt ist (vollendet doch noch nicht.) Der Pariser
Figaro“ ist zu diesem Tag in einer großartigen Festnummer er—
chienen, welche in Farbendruck sämmiliche französische Fahnen bis
1870 zeigt. Außerdem bringt die Nummer die Geschichte sämmt—
licher Fahnen der Armee, welche mit dem Kreuz der Ehrenlegion
decorirt worden sind, und eine Schilderung aller großen Fahnen⸗
verleihungen seit 1804. Die neue republikanische Tricolore zeigt
n den vier Ecken des Fahnentuches die Nummer des Regiments
in einem Lorbeerkranz, in der Mitte des Fahnentuches die Devise
„Honneure et patrie“ und die Ruhmestage jedes Regiments. Der
Adler auf der Fahnenstange ist durch eine einfache Spitze mit der
segimentsnummer ersetzt. Gegen die napoleonischen Fahnen mit
ihren in das Fahnentuch eingestickten Bienen, ihren Kronen und
‚ahlreichen von Lorbeerkränzen umrahmten „N“ nehmen sich die
ieuen republikanischen Fahnen sichtlich einfach aus. Das amtliche
Blatt bringt das Gesetz, welches die Regierung ermächtigt, aus⸗
iahmsweise am Tag, da die Fahnen ausgegeben werden, außer
»er durch frühere Gesetze bestimmten Anzahl von Ordenszeichen der
Ehrenlegion noch 10 Großofficier⸗, 50 Commandeur⸗, 180 Officier⸗
und 700 Ritterkreuze, sowie 600 Militärmedaillen zu verleihen.
Die Rede des Präsidenten Grevy bei der Uebergabe der Fahnen
in die Armee brachte die Befriedigung desselben, eine wirklich na—
ionale Armee vor sich zu sehen, zum Ausdruck. Die in der Schule
»er militärischen Disziplin erzogenen Franzosen würden die Acht—
ing vor der Autorität und das Gefühl der Pflicht in das bürger—
iche Leben mit hinübernehmen. Die Armee sei für Frankreich eine
Harantie der ihm schuldigen Achtung und des Friedens geworden,
den es bewahren wolle. Die Rede Grevy's wurde durch die Rufe:
Es lebe die Republik, es lebe die Armee, es lebe Grevy!“ erwidert.
die Menschenmenge war eine ungeheure. Das Wetter war ausge—
eichnet; die Physiognomie der Stadt eine vollkommen ruhige.
luch die Revue verlief in größter Ordnung bei großem Enthusias-—
nus der Zuschauer. Während der Festlichkeiten Nachmittags und
Abends sind nirgends Ruhestörungen vorgekommen. Volksmassen
zurchzogen die Straßen, die Marseillaise und andere patriotische
rieder singend und auf die Republick Hochs rufend. Auf den
ffentlichen Plätzen wurden Tanzbelustigungen abgehalten, die Illu—
nination war glänzend. Gambetta besuchte zu Wagen mehrere
nnere Stadttheile und wurde überall mit Ovationen empfangen.
Der französische Senat genehmigte gestern die Vorlage
iber den Steuernachlaß bei Zucker und Wein. Der Finanzminister
erklärte, die Hilfsquellen des Staatsschatzes flößen reichlich und liege
ür das Jahr 1880 kein Bedürfniß vor, amortisirbare Rente aus—
zugeben; der Staatsschatz werde noch 167 Millionen Francs Schatz-
ccheine einlösen können.
Der französische Präsident Grevy hat die Mittheilung er—⸗
halten, daß der Gemeinderath von Athen (Griechenland) beschlossen
jabe, das französische Nationalfest durch Illumination mitzufeiern.
Da sich die Pforte neuerdings geneigt zeigt, die April⸗
donvention mit Montenegro zur Ausführung zu bringen, so fand
in starker Zuzug von Albanesen nach Tusi statt. Es kam bereits
u mehreren Vorpostengefechten zwischen Montenegrinern und Al⸗
hanesen.
Vermischtes.
Die Einnahmen auf den pfälz. Eisenbahnen be—
rugen im Monat Juni ds. Is. 1,037,275 M. 92 Pf. Gegen
en gleichen Zeitraum des Vorjahres ergaben die bereits abgelaufenen
ʒ Monate dieses Jahres eine Mehreinnahme von 662,331 M 15 Pf.
F Aus Bieskastel wird der „Zw. Ztg.“ geschrieben:
die Verheerung des sibirischen Winters an unseren Obstbäumen
eigt sich von Tag zu Tag mehr. Während sich dieselbe im Früh—
ahre nur an den Apfelbäumen und hin und wieder nur an einer
ehr beliebten Sorte, den Siebenschläfern, besonders zeigte, sieht
nan jetzt, daß auch viele Zwetschen und manche Kirschbäume welken,
ind absterben. Nach dem Urtheile vieler Pomologen beträgt in
Ddeutschland und in Frankreich der Schaden an den Obstbäumen
nehr, als die Kriegsentschädigung von Seiten Frankreichs an Deutsch⸗
and im Jahre 1871. (Manche größere pomologische Institute
vaben einen Schaden von 30 und mehr Tausend Mark.) Viele
härten und Baumstücke sind durch das Erfrieren der darauf be—
indlichen Obstbäume sehr in ihrem Werthe gesunken. Nehmen
odir hier nur ein Beispiel an. Ein hiesiger Bürger versteigerte
m Februar eine Feldwiese um den respektablen Preis von 1200
Nk. Dieselbe war mit mehreren Apfelbäumen bepflanzt, welche
zem früheren Besitzer durchschnittlich eine 8500ige Rente von ge—
zannter Summe abwarfen. Welchen Werth hat wohl jetzt noch