Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

SfIngberker Anzeiger. 
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Mß 114. Sonntag, den 18. Juli 
18859. 
m—— 
Deutsches Reich. 
München, 14. Juli. Die projectirte Steuerreform rief 
heute Abend eine stark besuchte Versamml ung des Vereins der Grund⸗ 
und Hauseigenthümer Münchens zusammen, wobei beschlossen wurde, 
an die Steuerausschüsse des Landtags eine Petition zu richten, 
welche folgende Punkte enthält: 1) Für die Haussteuer soll vor— 
behaltlich etwaiger revisorischer Feststellung die für je eine Finanz— 
periode abzugebende Fassion des Steuerpflichtigen maßgebend sein. 
Demnach wünschen die Petenten Beseitigung der Taxatoren und 
der Musterhäuser.) 2) Zur Besteuerung soll nur die dem Steuer⸗ 
oflichtigen verbleibende reine Rente abzüglich aller Lasten und einer 
zilligen Amortisationsquote kommen. 3) Die möglich erzielbare 
Rente soll blos in solchen Fällen der Besteuerung zu Grunde ge— 
legt werden, wo sich die wirkliche Rente nicht nachweisen läßt, 
während, wenn der wirkliche Miethertrag nachgewiesen ist, von 
Einschätzung der möglichen Rente Umgang zu nehmen ist. 
In der bayerischen Abgeordnetenkammer hat der Abgeord— 
nete Fz. Xv. Freiherr v. Hafenbrädl jetzt wirklich von Neuem seinen 
die Aufhebung des 7. Schuljahres betreffenden Antrag eingebracht. 
In Berliner diplomatischen Kreisen wird angenommen, 
daß die Türkei die Kollektivnote der Mächte in unbestimmter Weise 
zeantworten und Zeit zu gewinnen suchen werde. Auch hört man, 
daß die Pforte an der Umgestaltung ihres Heeres arbeitet. 
Seit Jahren steht die Frage des Erlasses eines Reichs-Ver—⸗ 
icherungsgesetzes für das deutsche Reich auf der Tagesordnung. 
Ungefähr vor Jahresfrist sind seitens des Reichsamts des Innern 
ehr eingehende Fragebogen an die Behörden und betheiligten Per— 
onen abgesandt worden, um daraus Material für die in's Leben 
zu rufende Gesetzgebung zu beschaffen. Wenn auch bislang das 
Reichsamt des Inneren über diese Angelegenheit recht reichhaltiges 
Material empfangen hat, so ist der Erlaß einer Versicherungs-Ge⸗ 
jetzgebung doch mit so vielen Schwierigkeiten aller Art verbunden, 
daß wohl noch eine längere Zeit wird verstreichen müssen, ehe der 
Reichstag mit dieser Sache sich zu beschäftigen haben wird. 
Am Verbandstage der Schulze'schen Kreditgenossenschaften ver— 
vahren sich einmüthig gegen die Beschränkung der Wechselfähigkeit. 
Nuch der preußische Staatssekretär der Justiz widerstrebt jener 
Beschränkung. 
Zum französischen Nationalfest vom 14. Juli bemerkt die 
afficiöse , Nordd. Allg. Z.“ am Schluß eines Leitartikels: „Deutsch⸗ 
land kann nur den Wunsch hegen, mit allen Nationen in Frieden 
und Freundschaft zu leben. Es empfindet bei dem heutigen Fest— 
age seines westlichen Nachbars weder Voreingenommenheit noch 
Mißgunst. Je behaglicher sich die Franzosen in ihrer eigenen 
däuslichk eit einrichten, desto vortheilhafter ist es für die Erhaltung 
ind Befestigung des allgemeinen Friedens, der auf Frankreich als 
einen unentbehrlichen Factor rechnet.“ 
Der „Els.Lothr. Ztg.“ zufolge ist der Staatsrath von Elsaß⸗ 
Lothringen behufs seiner Constituiriung auf den 28. Juli 
inberufen. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 14. Juli. In heutiger Schöffensitzung 
kamen folgende Fälle zur Aburtheilung: 19 Ein Mann von hier 
erhielt wegen Berufsbeleidigung 5 Tage Gefängniß. 2) Eine 
Frau von Hassel hatte gegen einen Strafbefehl Einspruch erhoben 
uind wurde in Folge dessen von der Anschuldigung der Feldent⸗ 
wendung von Gras freigesprochen. 
*St. Ingberl. Das Schöffengericht Sulzbach ver— 
urtheilte in seiner Sitzung vom Donnerstag wegen Laubdiebstahls 
unter erschwerenden Umständen acht Frauen von hier zu je 5M. 
Geldbuße und Werthersatz; drei derselben außerdem zu 1 Monat, 
resp. 8 Tagen Gefängniß wegen Rückfalles. 
F Die für die Wittelsbacher Stiftung bis heute aus der 
Pfalz eingegangene Gesammtsumme beträgt 52,932 M. 13 Pf. 
F. Am Donnerstag sind zwei Knaben 9 und 12 J. alt, Söhne 
des Ackerers Josef Ullrich von Bierbach in der Nähe des Ortes 
in der Blies ertrunken. 
. Hr. Friedrich Sander jun. aus Kaiserslautern 
z. Z. Zögling der Münchener Mußfikschule, erhielt in derselben für 
eine Komposition einen Ehrenbreis. Hr. Sander ist ein tüchtiger 
Violinspieler. 
— Gegen die „Pfälz. Post“ wurde unterm 18. Juli Straf⸗ 
antrag gestellt wegen Verbreitung unwahrer und ehrenrühriger Nach— 
richten in Nr. 179 gedachten Blattes. 
. In Goöllheim wird die Branntwein⸗Nachsteuer sehr 
drückend empfunden. Dieselbe erreicht dort den Betrag von 4000 
Mark, der sich auf nur wenige Branntwein-Brennereien vertheilt. 
Zudem ist der Absatz an Spiritus ein sehr ungünstiger. 
Wie gefährlich es ist, bei heißem Wetier beim Baden so⸗ 
fort nach dem Auskleiden ohne vorherige Abkühlung in's Wasser 
zu gehen, zeigt folgender Fall, der sich in Oppenheim zuge— 
tragen hat. Ein Bäckerlehrling wollie ein Bad nehmen und stürzte 
iich, naß geschwitzt, wie er war, sofort nach dem Auskleiden in's 
Wasser. Kaum war er drinnen, da war er verschwunden und 
vurde nur als Leiche wiedergesehen. 
F Aus Nußdorf, 16. Juli schreibt der „Eilboten: Ein 
ragisches Ereigniß setzte heute früh unsern Ort in Aufregung. 
Ein Liebespaar, dessen ehelicher Verbindung ein fester Elternwille 
entgegenstand, suchte den Tod durch Erschießen. Die Lebensmüden 
erreichten jedoch ihren Zweck nicht vollständig. Beide liegen schwer 
derwundet darnieder und wird an ihrem Aufkommen gezweifelt. 
Die „Frankenthaler Ztg.“ schreibt, ob im Ernst oder im 
Scherz, wissen wir nicht: „ünseren Eisenbahnbeamten 
dürfte wie ich von gut unterrichteter Seite höre, demnächst eine 
angenehme Ueberraschung bevorstehen; dieselben sollen abwechsel— 
ungsweise einen längeren Urlaub erhalten, damit es ihnen mög— 
lich ist, sich in freier Luft bewegen zu können. Außerdem sollen 
in nächster Zeit noch tief in das Beamtenleben eingreifende, jedoch 
denselben zum Vortheil gereichende Anordnungen und Verfügungen 
eitens der Direktion bevorstehen, deren Zweck es sei, den gegen⸗ 
värtig noch vielfach auftretenden Klagen über den zu streugen 
Dienst, karge Besoldung und Beförderung für immer die Spitze 
abzubrechen.“ (727) 
Der Stadtrath von Speyer bewilligte zur Feier des 
Wittelsbacher-Jubiläums einen Kredit von 1000 Maärk. 
— Ueber recht gemüthliche Verhältnisse zwischen Jägern und 
Wilderern berichtet die „Donauztg.“ aus Niederbayern: 
In der Klosterwaldung bei Schwarzenberg stießen in der letzten 
Woche mehrere Jäger des Prämonstrater Klosterstiftes Schlögl auf 
Wilderer. Die Jäger wurden angegriffen und es entspann sich 
ein Kreuzfeuer, in welchem zwei Jäger todt auf dem Platze blieben 
und zwei Wilderer schwer verwundei von ihren Spießgesellen fort⸗ 
geschleppt wurden. Bisher hat man keinen der Uebelthäter erwischt. 
FIn Niederbayern ergab die Sammlung für die 
Wittelsbacher Stiftung den Betrag von 47 253 M. 
fF In Mittelfranken hat die Sammlung für die Wit— 
elsbacher Stiftung im Ganzen 64,147 M. 87 Pf. ergeben, dar⸗ 
unter aus der Stadt Nürnberg 17,052 M. 75 Pf 
Ausland. 
In der französischen Deputirtenkammer und im Senat 
wurde am Donnerstag die Sitzung geschlossen. Leon Say, Präsident 
»es Senats, sagte in seiner Ansprache: Sie haben gestern mit 
patriotischem Gefühl die französische Armee, vertreten durch alle 
hrer Führer und Fahnen, an sich vorüberziehen gesehen. Stolz 
nuf sie, denen Frankreich die Sorge für seine Ehre und seine 
Sicherheit anvertraute, können Sie Sich mehr als jemals mit Ruhe 
den Arbeiten der friedlichen Wiedergeburt des Landes hingeben, welche 
der Gegenstand Ihrer Gedanken sind und welche der republikanischen 
Regierung so sehr am Herzen liegen müssen. 
Der Sultan hat vom deutschen Kaiser mehrere tüchtige 
Finanzbeamte ausgebeten, welche das zerrüttete türkische Finanz— 
wvesen wieder in Ordnung bringen sollen. Ob dieses möglich ist, 
teht zu bezweifeln. 
Rußland hat über das Dulden von Nihilisten in Rumänien 
Vorstellungen nach Bukarest gerichtet und die Ausweisung derselben 
erlangt.