Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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AM 1II7. Samstag, den 24. Juli 
183880. 
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Deutsches Reich. 
Das Ergebniß der Sammlung für die Wittelsbacher 
Stiftung ist bis jetzt in den 8 Kreisen Bayerns Folgendes: 
Oberbayern 193,761 M. 96 Pf., Niederbayern 47,253 M. 82 
Pf., Schwaben und Neuburg 73,879 M. 63 Pf., Oberpfalz und 
Regensburg 32,230 M. 24 Pf., Oberfranken 50,593 M. 8 Pf., 
Mittelfranken 64,0607 M. 87 Pf., Pfalz 52,932 M. 13 Pf., 
Unterfranken bisher 21,471 M., jedoch fehlt noch das Ergebniß 
des Sammlung in den Bezirken Lohr, Haßfurt und Alzenau. Mit 
Rücksicht hierauf dürften etwa 538,000 M. als Gesammtergebniß 
anzunehmen sein. 
Am Dienstag Nachmittag hielt die bayerische Abgeordneten⸗ 
kammer wieder eine Sitzung. Präsident v. Ow forderte dazu auf, 
daß aus der Kammer ein Antrag auf Erlaß einer Huldigungs⸗ 
adresse an den König anläßlich des Wittelsbach-Jubiläums einge— 
bracht werden möge. Referent Dr. Mayer leitete die Generalde— 
batte über das Richterdisziplinargesetz ein. Herz spricht gegen den 
Entwurf. Besser als ein Disziplinargesetz wäre eine Aufbesserung 
der Gehalte der Richter und Beamten. Die Regierung soll darauf 
dringen, um eine Korruption des Richterstandes zu verhindern. 
Reiffel (Speyer) beantragt Vertagung der Berathung bis zur Winter⸗ 
session. Schmidt (Zweibrücken) beantragt ein Disziplinargesetz für 
alle, nicht bloß die richterlichen Beamten und eine bessere Bezahlung 
der Richter. Der Justizminister tritt entschieden für das Gesetz 
ein, bestreitet, daß dasselbe eine strengere Disziplin beabsichtige, 
und protestirt gegen den Vorwurf, daß er gegenüber der Beamten— 
besoldungsfrage indifferent sei, indem er an die Regierungsvorlagen 
von 1876 und 1879 erinnert, welche der Landtag abgelehnt habe. 
Wenn man das Schichsal des Richterdisziplinargesetzes an ein all⸗ 
gemeines Beamten-Disziplinargesetz hänge, vertage man die Sache 
auf unbestimmte, weitentfernte Zeit. Henle spricht für, Senestrey 
gegen den Entwurf. Vöolk bemerkt, daß, wenn das Gesetz nicht zu 
Stande komme, die Reichsgesetzgebung einzutreten haben werde. 
Die Richter würden jedenfalls den bayerischen Entwurf vorziehen. 
Er bitte daher dringend um Annahme. Schels wird so lange 
gegen Alles stimmen, bis die Regierung mit einer Revision des 
Wahlgesetzes Ernst mache. Zum Schlusse spricht nochmals der 
Referent für Annahme des Entwurfes. Die Spezialdiskussion über 
den Gesetz- Entwurf wurde in der Mittwochssitzung eröffnet und 
geschlossen. 
Abg. Reiffel beantragt in derselben eine präcisere Fassung des 
Art. 1. Referent Dr. Mayer, der Justizminister und Frankenburger 
sprechen gegen diesen Antrag. Der Justizminister erklärt, daß er 
bezüglich des Art. 6 auf Ausmerzung der Worte „unsittlich oder 
entehrend, bestehe; mit diesen Worten könne er das Gesetz der 
Krone nicht zur Sanction vorlegen. Art. 1 wurde nach Ablehn⸗ 
ung des Amendements Reiffel angenommen in der Ausschuß-Fassung, 
ebenso Artikel 2 und 3. Bei Artikel 4 wird gegen den Wunsch 
der Regierung Schriftlichkeit der zu ertheilenden Warnungen be— 
stimmt. Art. 53 wird gleichfalls angenommen. Bei Art. 6 behält 
die Kammermehrheit die Worte „unsittlich oder entehrend“ bei. 
Artikel 7 bis 12 werden hierauf angenommen. Bei Art. 17 be— 
kämpfte der Minister die Bestimmung, daß die Mitglieder des 
Diszlplinarhofs auf 3 Jahre zu bestellen seien (statt auf die Dauer 
hres sonstigen Amtes). Die Kammer nimmt dennoch diese Be— 
stimmung an. Schließlich nahm die Kammer das ganze Gesetz 
mit 104 gegen 42 Stimmen an. Am Donnerstag sollte der An— 
trag Hafenbrädl's, das siebente Schuljahr abzuschaffen. berathen 
werden. 
Die gegenwärtig wieder verbreiteten Nachrichten don einer im 
bevorstehenden September erfolgenden Berufung des deutschen 
Reichstages sind unbegründet. Es ist nichts vorgefallen, was 
zu einer solchen Maßregel veranlassen könnte. 
Der Gesundheitszustand des Fürsten Bismarck wird von 
Denjenigen, welche in letzter Zeit Gelegenheit hatten, den Reichs⸗ 
anzler in Friedrichsruh zu sehen, als ein vortrefflicher geschildert. 
Der Fürst fühlt sich wohler denn je und macht täglich mehrstündige 
Spazirqänge 
Ausland. 
Ein offenbar von der österreichischen Regierung inspirirter 
Artikel des „Fremdbl.“ tritt den englischen und französischen Aus⸗ 
ührungen über die Berufung deutscher Beamten nach Konstantinopel 
intgegen. Der Artikel versichert, hiesige maßgebende Kreise seien 
ehr erstaunt über die abfällige Beurtheilung, welche die Absendung 
olcher Beamten in England und Frankreich finde. Deutschland 
gebe, da es an den Orientwirren nicht direct betheiligt sei, den 
venigsten Anlaß zu Eifersucht; die deutschen Beamten seien ver— 
rauenswürdig und namentlich tüchtig, wo es sich um Wahrung 
materieller Interessen handele. Nichtsdestoweniger zweifelt das Blatt 
in dem vollen Gelingen der deutschen Sendung; die Gefahr liege 
aahe, daß die Früchte ihrer Thätigkeit im Danaidenfaß des Serails 
nerschwänden. Der Artikel verwahrt schließlich Deutschland und 
Dest.rreich gegen den Vorwurf, daß sie sich von den anderen Mächten 
rennen wollten und keinen Werth auf Ausführung der Conferenz⸗ 
zeschlüsse legten. Der Artikel schließt: „Will man von der Türkei 
auf gütlichem Wege Opfer erhalten, so muß man ihr Mittel und 
Wege anweisen, die es ihr ermöglichen, sich auch mit verengerten 
Grenzen in geachteter Machtstellung zu behaupten. Das geschieht 
von Deutschland.“ 
Paris. Nach einer statistischen Uebersicht, welche heute im 
„Journal officiel“ erscheint, haben die Abgaben und indirekten 
Steuern der letzten sechs Monate die Voranschläge um 76 Mil— 
ionen überstiegen und sind 4312 Millionen Steuern anticipando 
ntrichtet worden. Die Getränksteuer trug z. B. 216 Millionen 
ein, während nur 201 in Vorschlag gebracht waren, und ebenso 
überstieg der Ertrag der Tabaksteuer den Voranschlag von 161 um 
7 Millionen. Für Enregistrement und Hypothekengebühr hat der 
Staat 276 Millionen eingenommen, 102 Millionen mehr als im 
Vorjahr und 273 Millionen über den Voranschlag hinaus. Die 
Stempelgebühr beziffert sich mit 693 Millionen gegen 6794 im 
Vorjahr, und die Posten und Telegraphen ergaben ihrerseits 5*3 
Millionen mehr als im Jahr 1879. 
Es bestätigt sich, daß der französische General Thomassin 
mit einer Anzahl Offizieren aller Waffengattungen nach Griechen— 
land geht. 
Vermijschtes. 
* St. Ingbert, 22. Juli. Gestern Nachmittag 1 Uhr 
hrach auf dem Speicher des Wohnhauses von Bergmann Johann 
Schihle zu Rohrbach Feuer aus, welches so rasch um sich griff, 
daß in wenigen Augenblicken das von ihm ergriffene Gebäude ein 
Raub der Flammen war. Nur ein Theil des Mobiliars konnte 
rrotz rasch herbeigeeilter Hilfe gerettet werden. Die Entstehungsur— 
ache des Feuers ist zur Zeit noch unbekannti. 
50 St. Ingbert, 22. Juli. Vor etwa 2 Jahren be— 
chloß schon der Stadtrath, daß nur Viktualien auf dem Wochen— 
narkt verkauft werden dürften. Dieser Beschluß wurde in heutiger 
Stadtrathssitzung nochmals erneuert und der Polizei strengstens 
Auftrag ertheilt, künftig nur solche Gegenstände zum Verkause auf 
dem Wochenmarkte zuzulassen, welche ausdrücklich nach der Reichs— 
Bewerbeordnung für diese Märkte vorgesehen sind. Alle andere 
Begenstände sollen nicht mehr zugelassen werden, weil dadurch die 
Hewerbetreibenden und Kaufleute der Stadt zu viel geschädigt wer⸗ 
»en. EEinen ähnlichen Beschluß faßte vor kurzem auch der Stadt- 
rath von Homburg.) 
*St. Ingbert, 23. Juli. In seiner gestrigen Sitzung 
bewilligte der Stadtrath für die am 25. August stattfindende Wit- 
lelsbachfeier 250 Mark. 
*— Von dem hiesigen Arbeiterbildungs-Verein wurden 
dieser Tage an das kgl. Bezirksamt Zweibrücken als Beitrag zur 
Wittelsbacher Landesstiftung 11 M. 25 pf. (die nach Abzug der 
Unkosten verbleibende Einnahme bei einer Abendunterhaltung abge— 
iefert. Mit diesem Posten hat das kgl. Bezirksamt im Amtsbezirk 
Zweibrücken die Sammlung für genannte Stiftung mit einer 
vesammt-Einnahme von 9396 M. 25 Pf. abgeschlossen. 
*Ans Rirmasens schreiht man der Pfälz. Roste“ doe