Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberlker Anzeiger. 
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M 121. 
Samstag, den 31. Juli 1880. 
Deutsches Reich. 
Aus München wird unterem 28. Juli dem „Pf. K.“ ge— 
meldet: Das Comiie zur Entwerfung der von der Abgeordneten— 
kammer an S. M. den König zu richtenden Huldigungs-Adresse 
hat seine Berathungen heute beendet und es wird der Entwurf am 
Samstag in geheimer Sitzung der Kammer zur Berathung ge— 
langen. — Der Finanzausschuß der Kammer der Reichsräthe hat 
den Militär-Etat berathen und demselben nach den Beschlüssen der 
Abgeordnetenkammer beistimmt. 
(Bayerischer Landtag.) Der Kultusminister zog im 
Allerhöchsten Auftrage den Gesetzentwurf, betreffend einen Kredit 
zum Ausbaue des Akademiegebäudes, wieder zurück. (Der Finanz- 
ausschuß der Abg.-K. hatte bekanntlich die Mittel zum Ausbaue 
des Akademiegebäudes vertagt.) 
Den Schluß der bayerischen Landtagssession erwartet man 
im Anfang der nächsten Woche, da noch eine Sitzung nothwendig 
ist, für welche auch die Anwesenheit des Finanzministers v. Riedel 
zerechnet wird. 
Officiss wird aus Berlin geschrieben: Es ist in letzter Zeit 
viel von der Einführung einer Abänderung des Modells 71 als 
neuer Zukunftswaffe gefabelt worden. Es handelt sich einfach um 
eine praktische Prusung, welche u. A. auch im Herbst von dem 
Garde⸗Schützen⸗Bataillon unternommen werden wird. 
Wie aus Berlin berichtet wird, sollen in Preußen die 
militärischen Veranstaltungen zur Erinnerung an den letzten Krieg 
zegen Frankreich nunmehr in Wegfall kommen. In dähnlichem 
Sinne haben die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft beschlossen, 
zwar in diesem Jahre, als dem Schlusse des ersten Jahrzehnts 
nach dem Kriege, die Börse am Sedantage noch zu schließen, aber 
vpom Jahre 1881 an keinerlei Ausnahme mehr fuͤr diesen Tag zu 
tatuiren. 
Wenn man aus einer Reihe von Einzelheiten, von denen jede 
iür sich nicht schwer ins Gewicht fällt, die aber in ihrem Zusam— 
menhang sich gegenseitig an Bedeutung steigern, einen Schluß ziehen 
darf, so wird sich der Reichstag in der abgelaufenen Session 
nicht zum letzten Male mit der Samoavorlage beschäftigt haben, 
sondern einer Wiederkehr derselben in anderer Form gewaͤrtig sein 
müssen. Zwar das Unternehmen selber ist liquidirt und hernach 
angeblich auch rekonstruirt worden, ohne daß es der Reichshilfe be— 
durft hätte. Aber die Letztere ganz zu verschmähen, dieses Opfer 
ber Entsagung wollen sich die Ünternehmer denn doch nicht aufer⸗ 
legen, und sie haben es auch nicht nöthig, wo ihnen in der Reichs- 
cegierung selber der bereiteste Wille zur Unterstützung entgegenkommt. 
Wie man hört, will die Regierung dem Reichstage die Bösr⸗ 
sensteuer als besondere Vorlage unterbreiten und zwar nach 
Analogie der vom Abgeordneten v. Wedell-Malchow in der Kom⸗ 
mission gestellten Anträge, der die Steuersätze fünf- bis zehnfach 
erhöhte. Hierüber dürfie den Finanzministern in Koburg Mit— 
cheilung gemacht werden. 
Wie das „Berl. Tagebl.“ hört, ist die Mittheilung, daß die 
Frage der obligatorischen Invaliden⸗ und Alterversorgungskassen 
für Fabrikarbeiter, dem bekannten Antrage Siumm ent⸗ 
sprechend, in negativem Sinne entschieden und Anordnungen ge—. 
troffen seien, Normativbestimmungen für die zu errichtenden Inda⸗ 
lidenkassen festzustellen, jedenfalls als verfrüht zu bezeichnen. In 
dieser wichtigen Angelegenheit ist seitens der Reichsregierung bislang 
noch keine definitive Entscheidung getroffen, doch scheint nach den 
bis jetzt beim Reichsamt des Innern eingegangenen Gutachten der 
einzelnen Bundesregierungen kein Zweifel darüber obzuwalten, daß 
von einem Zwange zur Betheiligung an den gedachten Kassen ab— 
gesehen werden soil. 
Nach der dem Bundesrathe unterbreiteten Uebersicht der Er⸗ 
ebnifsse des Heeresergänzungs-Geschäfts im 
Reichsgebiet für das Jahr 1879 wurden fuͤr die 15 Armeekorps 
in den Listen geführt 1,185,292 Mann, darunter für die groß- 
herzoglich hessische Division 22,153, für das königl. sächsische Ar— 
meekorps 69,332, für das königl. württembergische Armeekorps 
14,486. für das 14. Armeekorps 38.906 und für das 15 
11,774 Mann. Als unermittelt blieben in den Listen 88,062, 
ohne Entschuldigung blieben aus 95,260, zurückgestellt wurden 
430,8357, ausgeschlossen 1126, ausgehoben 114,529 Mann. Es 
blieben überzählig 15,541 Mann, freiwillig traten ein 16,815. 
Von den ausgehobenen Mannschaften tralen in das Landheer 
112,515 Mann, in die Flotte 2014. Wegen unerlaubter Aus— 
vanderung wurden verurtheilt 12,780, und in Untersuchung blie⸗ 
vben 11,8860. In den baherischen Armeekorps wurden von den 
in den Listen geführten 103,368 Mann ausgehoben 17,059. 
(Von der deutschen Marine.) Die schnellsegelnde 
Glattdeckcorvette, Victoria“ — 8 Geschütze, Corvettencapitän Valois 
— welche eine Fahrt nach der Westküste von Südamerika antreten 
vollte, erhielt plötzlich in Plymouth, wo sie Kohlen einnahm, durch 
Telegramm den Befehl, nach Malta zu segeln, und hat die Fahrt 
dahin bereits angetreten. Ein größeres deutsches Kriegsschiff wird 
vahrscheinlich bald nach dem Mittelmeer foigen. Augenblicklich 
iegt vor Konstantinopel zur Disposition des deutschen Botschafters 
nur der kleine Aviso-Dampfer „Loreley“. In den chinesischen und 
den japanischen Gewässern ist die deutsche Kriegsflagge augenblick- 
lich durch die beiden großen Volldeckcorvetien Vineta“ und „Freya“ 
und die beiden Kanonenboote erster Classe Cyklop“ und „Wolf“ 
»ertreten. Sollte es, wie es jetzt allen Anschein hat, daselbst zu 
einem Seekriege zwischen Rußland und China bommen, so ist der 
Plan, diese vier Fahrzeuge zu einem besonderen Geschwader zu ver⸗ 
ꝛeinigen, um auf solche Weise das bei kriegerischen Wirren etwa 
daselbst geführdete deutsche Eigenthum kräftiger schützen zu können. 
Als Geschwaderchef bezeichnet man den Capitän zur See Grafen 
Nonts, zuletzt Commandant der untergegangen Fregatte „Großer 
durfürst“, der früher schon längere Zeit in den chinesischen Ge⸗ 
vässern stationirt war. Die Befehlshaber aller in fernen Gewässern 
tationirten deutschen Kriegsschiffe sollen neuerdings wieder die Weisung 
erhalten haben, alle Wünsche und Anordnungen der österreichischen 
Consulate, soweit es österreichische Interessen zu beschützen gilt, 
mit allen Kräften möglichst zu unterstützen. 
Die Mannheimer Handelskammer hat gegen das mehr⸗ 
erwähnte Vorgehen der kaiserlichen Tabakmanufactur in Straßburg 
un ebenfalls Verwahrung eingelegt und sich deßhalb mit einec 
Vorstelling an das großh. badische Handelsministerium gewendet. 
Zugleich hat sie dann an alle deutsche Handelskammern, einerlei 
ob dieselben specielle Tabab-Interessen verlreten oder nicht, die Auf⸗ 
forderung ergehen lassen, sich ihrem Protest anzuschließen. 
Ausland. 
Dem Pariser „Temps“ zufolge wäre die Entsendung von 
französischen Offizieren nach Griechenland aufgeschoben 
vorden. 
Kaum sind die Worte verhallt, mit denen der englische 
Unterstaatssecretär Lord Hartington im Parlament ankündigte, daß 
iun, nachdem Abdurrahman als Emir von Afghanistan einge⸗ 
etzt sei, die englischen Truppen das Land raͤumen könnten, so 
'ommt überraschend eine Nachricht, welche die Räumung in unab⸗ 
ehbare Ferne rückt. Am Mittwoch verlas im englischeu Unterhaus 
dord Hartington folgendes Telegramm aus Kandahar: Generai 
Burrow's Streitmacht ist vernichtet. Die Besatzung von Kandahar 
ieht sich zurück. Payre telegraphirte, man solle alle verfügbaren 
Truppen sammeln und nach Kandahar marschiren lassen. Nach 
An 
Brigade zu schicken.“ — Genauere Angaben über diese Vorgange 
ehlen noch. Allem Anschein nach war es Ejub Khan (dessen An— 
narsch von Herat her gemeldet wurde), welcher den General Burrow 
iberwältigt hat. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 30. Juli. Gestern Nachmittag hatten 
wir ein lang andauerndes Gewitter mit starkem Regen, vermischt 
mit Schlossen. 
„Blieskastel, 29. Juli. Gestern Nachmittag fand 
dahier im Gartensaale des Hrn. K. König die erste diesjährige 
VBersammlung des Bezirkslehrervereins Blieskastel-St. Ingbert san.