Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Leider war dieselbe verhältnißmäßig schwach besucht. Die Haupt⸗ 
ursache hierzu mag wohl darin zu suchen sein, daß die Präpa— 
randenschule bis nächsten Mittwoch das Fest der Wittelsbachfeier 
begeht, welchem Feste die meisten Lehrer des Bezirks anwohnen 
verden. Nachdem der Vorstand die Versammlung eröffnet hatte, 
referirte Hr. Lehrer Hagenbucher von St. Ingbert über 
die Frage: „Wo liegt der Schwerpunkt der Kindererziehung?“ 
In seinem mit großer Sorgfalt ausgearbeiteten Referate beant⸗ 
wortele er, gestützt auf Autoritäten im Gebiete der Pädagogik, die 
Frage dahin, daß der Schwerpunkt der Kindererziehung aus ver— 
chiedenen Gründen in der Familie liege und liegen müsse. 
Feineswegs sei jedoch damit gesagt, daß die Schule sich ihrer 
hohen Verantwortung in Betreff der Erziehung entschlagen dürfe. 
HFering aber sei der erzieherische Einfluß derselben, wenn in der 
Familie das Bewußtsein von den Pflichten dieser hinsichtlich der 
Kindererziehung verloren gegangen sei; wenn die Familie sich so— 
zusagen auf den Kriegsfuß zur Schule stelle. Möge darum in 
einer Familie die Einficht fehlen, daß sie die erste nnd wirksamste 
Stätte aller Kindererziehung umschließt! — Als Delegirte des Be— 
zirksvereins zur Kreisversammlung in Speyer wurden gewählt die 
5.H. Leibii gsBlieskastel, Der u m meSt. Ingbert, Drescher— 
Wolfersheim, als eventuelle Ersatzleute für die Genannten die HH. 
Wolf-Riederwürzbach, Kauf mann-St. Ingbert, Roth -Blieskastel. 
Die Mitgliederzahl des Vereins ist im letzten Jahre auf 60 ge— 
tiegen. Die nächste Versammlung findet im Oktober ds. Is. in 
St. Ingbert statt. 
FDer Düsseldorfer „Ausstellungs-Zeitung“ entnehmen wir 
folgende Stelle: „Im Mittelraume der Halle gelangen wir recht 
igentlich ins große technische Getriebe des Bergbaues. Zwei hübsche 
Maschinenmodelle lassen die großartige Kraftenfaltung erkennen, 
deren der Bergbau mit seinen wachsenden Tiefen zum Heben der 
imterirdischen Schätze benöthigt. Das eine der Modelle stellt die 
1000pferdige Zwillings-Fördermaschine des Camphausen-Schachtes J 
der Grube Dudweiler-Jägersfreude, konstruirt von der Dingler'⸗ 
schen Maschinenfabrik in Zweibrücken, das zweite eine 
was schwächere gleiche Maschine der Maschinenfabrik Ehrhardt & 
Sehmer zu Malstatt-Saarbrücken für den Kreuzgräben— 
schacht in der Grube Sulzbach-Altenwald dar. Beide Maschinen 
sollen aus Schachtiefen von 5300 - 700 m bei jedem Zuge 6 Wagen 
zu je 10 Ztr. Kohlen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 
lo'm in der Sekunde heben, Leistungen, wie sie wohl bisher beim 
Bergbau kaum erreicht worden sind.“ 
pAus der Pfalz. An der Ausstellung der deutschen 
Wollen-Industrie in Leipzig hatte sich auch eine Anzahl Lambrechter 
Fabrikanten mit einer Kollectiv-Ausstelling von Tuchen und Bur— 
üns betheiligt. Die Fortschritte, welche die Lambrechter in der 
Buxkinfabrikation gemacht, erwiesen sich als unberkennbar. 
p' Nächsten Sonntag wird der „Pfälz. Schreibgehilfenverein 
auf der „Augustahöhe“ in Neustadt a. d. H. seine 9. General⸗ 
—XWDD—— 
pAlbersweiler. Am 26. JInli, als die meisten der 
hiesigen Bewohner sich theils auf dem Feld, theils auf dem St. 
Annaberg befanden, brach in einem Haus ein Brand aus und ein 
Zimmer, in dem sich ein Kind befand, stand in Flammen. Einige 
zum Löschen herbeigeeilte Männer scheuten vor der Rettung dessel⸗ 
ben zurück, die Frau des Pferdehändlers Machol Kahn dagegen 
)rang muthig in das Haus ein und rettete das Kind. wobei theil⸗ 
weise die Flammen ihre Kleider verbrannten. 
Der Postanweisungs-Verkehr im Oberpostamlsbezirk Speier 
ergab in der Zeit vom 1. Januar bis 1. Juli l. J. a) interner 
Verkehr: Stuͤckzahl der eingezahlten Postanweisungen 114,189; 
der ausgezahlten 116,709; Einzahlungs-Summa: 6,237,018 M.; 
Auszahlings-Summa: 6,359,797 M.; Mehr-Auszahlung 121,879 
M. b) Wechselverkehr: -Stückzahl der eingezahlten Postanweisungen 
128,382 M.; der ausgezahlten 124,667 M.; Einzahlungs-Summa 
3,271,114 M.; Auszahlungs-Summa 7.246.322 M.: Mehr— 
Finzahlung 1,024,792 M. 
4Vom 1. August ab sind Postkarten mit Rückantwort 
anuch im Verkehr mil Oesterreich-Ungarn zulässig. Es finden in 
der Richtung nach Oesterreich Ungarn dieselben Formulare und 
dieselbe Taxe Anwendung, wie bei Postkarten im innern deutschen 
Verkehr. Antwortkarten dürfen aber nur zu Antworten entweder 
nach Oesterreich oder nach Ungarn verwendet werden, je nachdem 
die Freimarke eine österreichische oder eine ungarische ist. 
— Die diesjährige Generalversammlung des Vereins deutscher 
Eisenbahnverwaltungen wird sich unter anderem mit der Frage der 
Beförderung der Passagiere bei verfehltem Zuganschlusse 
heschäftigen. Die betreffende Commission schlägt in dieser Beziehung 
dor, „daß die Passagiere bei verfehltem Zuganschluß auf einer 
Unterwegsstation ohne Gebühren⸗Nacherhebung bei einem zu erhöhtem 
Tarifsatze fahrenden Zuge für Gepäck u. s. w. eine andere nach 
demselben Bestimmungsorte führende Route benutzen können, wenn 
uber dieselbe directe Billets bestehen, und der Reisende bei Benutz⸗ 
uing dieser Hilfsroute seinen Bestimmungsort früher erreicht. als 
venn er den nächsten fahrplanmäßigen Zug derjenigen Route be— 
nutzt, für die das Billet ursprünglich gelöst wurde.“ 
Der für Dienstag angesagte Extrazug, welcher ca. 500 
remdländische Turner aus Frankfurt zum Besuch des Haardt- 
jebirges und dessen Naturschönheiten bringen sollte, wurde wegen 
u geringer Betheiligung abgesagt. 
F Der 1. Bürgermeister Mümnschen's ist auf sein Ansuchen 
im authentische Aufklärung über die richtige Reihenfolge der 
zayerisschen Landesfarben vomnk. Staatsminister Frhrn. v. 
Frailsheim benachrichtigt worden, daß der König mit Entschießung 
»om 11. Sept. 1879 genehmigt hat, daß sowohl in den Landes— 
vappen als bei den Fahnen und Flaggen in den Landesfarben 
ie weiße Farbe den Vorrang vor der blauen, mithin die erste 
Stelle rechts und oben einzunehmen hat, sowie daß Dem entspre— 
hend die Landesfarben bei allen amtlichen und dienstlichen Vor— 
ommnissen als „weißblau“ zu bezeichnen sind. 
— Als Beitrag zur Frage der Emanzipation der Frauen auf 
dem Lande wird dem Rottthaͤlerbtten von Rothmannsdorf 
Niederbayern) berichtet, daß dortselbst am vorvergangenen Sonn⸗ 
ag in der Berndl'schen Wirihschaft ein Preiskegelsshieben 
ür Frauen abgehaiten wurde, aus welchem namentlich mehrere 
zZchöne von Aicha v. W. als Preisträgerinnen hervorgingen. Das 
zchieben verlief ohne Rauferei, und es wurden hiebei —A 
zier vertilgt. 
Die „Bayerische Handelszeitung“ bemerkt zu dem Jahres— 
zericht der Handels— und Gewerbekamgier von Mittel-— 
franken: “,Wie der Bericht, der ja im Uebrigen mit großer 
Zorgfalt abgefaßt ist, dazu kommt, den Eindruck zu konstatiren, 
aß die den Zolltarif leitenden Ideen die richtigen seien, ist uner— 
indlich, indem er ja selbst im zweiten Theile Thatsachen mittheilt, 
velche nichts weniger als einen erfreulichen Einfluß der Zollreform 
okumentiren; so berichten beispielsweise kompetente Beurthetler aus 
zer Bleistift-- der Gußstahlfabrikation, Bierindustrie, dem Hopfen— 
jandel ꝛc., daß ihre resp. Branchen durch den Zolltarif aufs Tiefste 
zeschädigt seien.“ 
Aus dem Spessart, dem Gau der Not und des Hungers. 
ommi die Nachricht, daß abermals dreihundertfünfzig Personen in 
irca siebenzig Familien auswandern, und zwar nach Arkansas, wo 
die „Kongtegation vom heiligen Geiste“ für hundert Familien 
Hrund und Boden geschaffen haben soll. 
4 Eine empfindliche Strafe erhielt dieser Tage vom Schöffen- 
gericht der Curpfuscher Dostik von Esssen. Derselbe hatte seine 
zuren an zwei Frauen in Langenberg verübt und war zu diesem 
Zzwecke wiederholt dorthin gekommen. Eine der beiden Frauen 
vollte er von ihrem Augenleiden mit Hundehaaren und die zweite 
von ihrer Gicht mit Buͤttermisch und rohen Kartoffeln curiren. 
Ddaß der saubere Patron seine Schwindeleien mit Bewußtsein und 
leberlegung ausgeführt hatte bewies seine Antwort auf eine des— 
allsige Frage des Richters, es eristire ein altes Sprichwort, das 
auie; „Die Dummen werden nicht alle.“ Das Urtheil lantete 
uuf 150 M. Geldbuße eventuell 30 Tage Haft. 
In Berlin sind bei dem Einstürz eincs Neubaues 12 
Arbeiter verunglückt. Sechs derselben sollen den Tod gefunden 
Jaben, vier andere sind leicht, zwei unerheblich verwundet. 
— Ein Artikel in der neuesten NRummer des „Militär⸗Wochen⸗ 
latts“ spricht sich entschieden für Einführung des Repetirge— 
vehrs in der preußischen Armee aus. Es heißt da: „Die 
leberlegenheit eines Repetirgewehrs über den gegenwärtig allgemein 
etehenden Einzellader ist geiviß so groß, wie seiner Zeit die Ueber⸗ 
egenheit des Zündnadelgewehres über den Vorderlader. Es erklärt 
ich daraus, daß der Häupteinwand, welcher anfangs der vierziger 
Jaͤhre und noch lange nachher gegen das schnellfeuernde Zündnadeß 
jewehr erhoben wurde, nömlich die Furcht vor Munitionsverschwend⸗ 
ing und vor unüberwindlichen Schwierigkeiten für den Munitions⸗ 
ersatz, auch heute wieder gegen das Repitirgewehr erhoben wird. 
daß es der preußischen Disziplin gelang, diesem Uebelstand wirksam 
zu begegnen, haben die leßten Feldzüge bewiesen. Kein Offizier 
ind kein Soldat wird aber das sichere Gefühl entbehren wollen, 
velches ihm die Gewißheit einflößt, im gegebenen Augenblick und 
nnechalb kürzester Frist dem anstürmenden Gegner ein verheerendes 
zchnellfener entgegenschleudern zu können. Diese Sicherheit hilft 
chon an und fuͤr sich die Disziplin nach der Richtung aufrecht 
rhalten, daß der Soidat nicht in thörichtem Leichtsinn seine Mu—⸗ 
nition nutzlos vergeudet. Es muß möglich sein, den Soldaten so 
zu erziehen, daß er aus dem Repetirgewehr im gegebenen Moment 
nicht mehr Patronen verschießt, als ihm befohlen ist.“ 
4 Fürst Bismarck hat, der „Reform“ zufolge, vor einiger 
Zeit das altadelige Gut Silk, im Anite Reinbek, Herzogthum Hol⸗ 
Jein, für 306,000 M. gekauft. Das Hamburger Blatt bemerkt 
zu dieser Mittheilung: „Die Besitzung selbst ist sehr gut bezahlt, 
ind da dieselbe nicht zur Arrondirung des fürstlichen Gutes im 
2auenburgischen erworben sein kann (denn fie liegt nicht in der 
Nähe desselben), so ist bei dem allbekannten tüchtigen Geschäftssinn 
des Reichskanzlers nur anzunehmen, daß sich seine Theorieen mit