Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Nnzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Vei⸗ 
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis beträgt vlerieljahrlich 
1AMß 40 Z einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A 60 4, einschließlich 420 A Zustellgebühr. Anzeigen werden mit 10 —, von Auswärts 
mit 15 B fur die viergespaltene Zeile Blattschrisft oder deren Raum, Reclamen mit 80 B pro Zeile berechnet. 
M 122. 
1880. 
Deutsches Reich. 
München, 80. Juli. Die Abgeordnetenkammer hat heute 
den Gesetzentwurf über den Vorschußcredit zur Erwerbung des 
Herzoggartens mit 135 gegen 8 Stimmen in der Ausschußfassung 
angenommen. — Außerhalb der Tagesordnung erklärte Abg. Sittig: 
Die Petition aus der Gemeinde Schwürbitz (Oberfranken) um Ab— 
schaffung des 7. Schuljahres ist nach der Erklärung der Gemeinde 
nicht mit rechtmäßigen Mitteln zu Stande gekommen. Nächste 
Sitzung am Montag. 
(Bayerischer Landtag.) In der Sitzung der Abge. 
se. vom Donnerstag wurde das Nachtragspostulat des Justizministers 
von 65,000 Mark zum Grunderwerb für das Nürnberger Zellen— 
gefängniß gegen 2 Stimmen Echäfler und Becher) angenommen. 
Es folgte hierauf die Berathung der Vorlage wegen Aufhebung 
der sogenannten Neujahrsgelder der Israeliten. Die einzelnen Ar— 
tikel wurden genehmigt und der Gesetzentwurf im Ganzen mit 76 
gegen 66 (ultramontane) Stimmen angenommen. — Tagesordnung 
für die nächste Sitzung die gestern (Freitag) stattfinden sollte: Vor— 
schußkredit (zum Erwerb des Herzoggartens für das Kadettenkorps); 
—R— 
Es mehren sich die Aussichten, daß der Regelung des Ver⸗ 
sicherungswesens durch ein Reichsgesetz näher getreten werden 
soll, nachdem der Kanzler Fürst Bismarck durch sein an die 
Regierungen der deutschen Staaten erlassenes Rundschreiben vom 
14. August v. J. dieselben um ihre Aeußerung über die bei einer 
ceichsgesetzlichen Regelung des Versicherungswesens in Betracht kom⸗ 
menden Fragen ersucht hat. 
Die Enthüllungen aus dem sozialdemokratischen Ge— 
neralstabe dauern fort. Sie haben ihr Gutes darin daß sie viel— 
leicht dem oder anderen Arbeiter die Augen über die Opferwillig— 
keit ihrer Führer öffnen. 
Der Staatsrath für Elsaß-Lothringen trat am 28. 
Juli zu seiner ersten Sitzung in Straßburg zusammen. 
Aus den Reichslanden kommen allmählich doch Klagen 
über die „französirende“ Manteufel'sche Politik. Der Siatthalter 
gehe in dem sehr löblichen und berechtigten Streben, die grollende 
Einwohnerschaft für sich zu gewinnen, zu weit meint man in Be— 
amtenkreisen, die von dem Rücktritt Herzog's wenig erbaut sind. 
Die Nachricht, der gewesene Staatssecretär im elsaß-lothringischen 
Ministerium, Herzog, habe die Aeußerung gethan: es würden noch 
mehrere Beamten, welche mit dem Statthalter nicht harmoniren, 
ntlassen werden, wird von einem Straßburger Korrespondenten des 
„Pf. Kur.“ bestätigt. 
Nach der „Allg. Ztg. soll sich die Konferenz der deutschen 
Finanzminister in Coburg hauptsächlich mit dem bekanntlich 
Seitens der Bundesregierungen ernstlich beanstandeten Wehrsteuer⸗ 
Projekt beschäftigen. 
Kopenhagen nachgesendet worden, damit er dort sofort seine 
Unterschrift vollzöge. 
— 
Vermischtes. 
F In Erfweiler wurde ein Prachtexemplar von einer 
Brieftaube eingefangen. Dieselbe trägt am linken Flügel die Nr. 
338 und am rechten Flügel die Nr. 380 und ist gezeichnet mit 
den Buchstaben A. B. O. D. E. T. und C. Belfort 1870. Sie 
8 sich gegenwärtig im Besitze des Herrn Pfarrer Rütter da— 
eelbst. 
F.Waldsee, 29. Juli. Heute Nachmititag um 4 Uhr 
zing über unsere Gemarkung ein entsetzliches Hagelwetter. Der 
Tabak ist fast ganz zerschlagen. Der mit dem Gewitlter verbundene 
Sturm tobte so furchtbar, daß man sich sogar in seiner Wohnung 
aicht mehr sicher fühlte. Leute, welche auf dem Felde waren, 
ꝛxrzählen, daß sie etwas Schrecklicheres noch nicht erlebt hätten. 
Das Hagelwetter kam von Westen herüber und erstreckte sich auf 
insere ganze Gemarkung. Außer dem Tabak haben auch Hafer, 
ZSpelz und Dickrüben bedeutend Schaden gelitten. Zum Glücke waren 
dorn, Gerste und Spelz fast sämmtlich eingeheimst. 
Frankenthal, 80. Juli. Die Prüfung für das Ge⸗ 
eichtsvollzieheramt bei dem hiesigen kgl. Landgericht nahm heute 
Morgen 8 Uhr ihren Anfang. Es betheiligen sich 9 Bewerber. 
In einer ihren letzten Sitzungen verurtheilte die Strafkam— 
mer des Landgerichts in Hil des heim eine Lumpensammlerin 
vegen wissenschaftlicher falscher Denunziation zu 8 Monaten Ge— 
ängniß. Die Delinquentin hatte den Oberverwalter einer benach— 
barten Domäne wegen Majestätsbeleidigung angezeigt, von welcher 
derselbe jedoch freigesprochen wurde. Öbwohl Seitens der Staals— 
anwaltschaft nur eine Strafe von 4 Monaten beantragt war, er— 
'annte der Gerichtshof dennoch mit Rücksicht auf die Gemeingefähr— 
ichkeit des Vergehens auf jene exemplarische Strafe. 
Ansschauungsunterricht. Zur Warnung für 
Branntweintrinker schnitt ein elsässischer Arzt ein Stück Rindfleisch 
n zwei Stücke und begoß die eine Hälfte mit Zwetschenbrannt- 
vein, die andere mit sogenanntem Petrolschnaps. Am anderen 
WRorgen war das erste noch frisch und appetitlich; das andere sah 
aus, als hätte man es mit Scheidewasser gebrüht. Zu demselben 
Zwecke veröffentlichte Dr. Lutze die Beschreibung der in den Spi— 
älern aufgenommenen photographischen Magenbilder. Im ersien 
Stadium des Branntweintrinkens ist der Magen fein roth durch— 
üdert, im zweiten bläulich angelaufen, im dritlen feurig entzündet, 
m vierten von Krebsartigem Ansehen. 
F In Oestrich im Rheingau wurde durch die Schelle be— 
lannt gemacht, daß junge Leute unter 18 Jahren Wirthshäuser bei 
Strafe von 228 Mark nicht besuchen dürfen. Wirihe, welche 
olchen jungen Leuten Getränke verabreichen, trifft die gleiche Strafe. 
Das deutsche Turnfest in Frankfurt sollle leider nicht 
ohne erschütternden Unglücksfall vorübergehen, welcher sich bei dein 
am Mittwoch Abend abgebrannten Feuerwerk zutrug. Kaum waren 
die ersten Raketen losgelassen, als eine furchtbare Detonation er⸗ 
'olgte, die den Boden weithin erschütterte. Darauf folgte noch 
eine kleine Rakete und dann trat Todtenstille ein. Die ungeheuere 
Menschenmenge wartete vergebens auf die Fortsetzung des Feuer— 
werks. Bald verbreitete sich durch die Reihen die Kunde des Un— 
zlücks: ein eiserner Mörser war zersprungen und die Splitter waren 
inter das Publikum geflogen und hatten eine Dame (Fräulein 
Söhnlein), sowie 20 Personen (darunter mehrere Kinder) schwer 
derletzt. Die Verwundungen sind alle sehr schwere, entsprechend 
der Gewalt einer platzenden Bombe. Mehrere der Verwundeten 
waren in ziemlicher Entfernung von dem weithin eingefriedigten 
Blatze woselbst das Feuerwerk abgebrannt werden sollte. Bei diesen 
ind nämlich Zerstörungen an den oberen Extremitäten vorgekommen. 
Von den Verwundeten ist bereits ein Knabe gestorben. 
F.Ein grausiges Ereigniß berichtet man der „Barm. Ztg.“ 
uus Linzerhausen bei Linz: Eine Frau (die schon drei 
Männer im Grabe hat) hatte von ihrem Schwiegervater, dem Vater 
hres ersten Mannes, ein nicht unbedeutendes Vermögen verschrieben 
Ausland. 
Gutem Vernehmen nach hat die englische Regierung be— 
schlossen, scheunigst Verstärkungen nach Indien zu senden. Uebrigens 
ist die Niederlage des Generals Burrow in Afghanistan einiger— 
maßen übertrieben worden, doch immerhin sehr empfindlich. das 
indische Amt empfing einen eingehenden Bericht über den Hergang, 
aus dem jedoch Näheres noch nicht bekannt ist. 
Die serbische Regierung hat 12 Bataillone mobilisirt. Als 
der türkische Minister des Aeußeren von dem serbischen Geschäfts⸗ 
träger Aufklärung über den Grund dieser Maßregel verlangte, ant— 
wortete dieser, es handele sich dabei nur um die gewöhnlichen jühr⸗ 
lichen Manöver; übrigens habe die serbische Regierung auch alle 
Ursache, dem Stand der' Dinge an der serbisch-türkischen Grenze 
hre Aufmerksamkeit zuzuwenden, indem dort die Albanesen eine 
orohende Haltung einnähmen und die albanesische Liga auch dort 
Mannschaften sammle. (Es sieht gerade so aus, als ob's in der 
Türkei bald wieder ernstlich zum Losschlagen komme.) 
Wie eilig Griechenland es mit seinen Kriegsborbereitungen 
hat, ist daraus zu ersehen, daß man in Athen behufs Unterzeich⸗ 
nung des Mobilisirungs-Dekrets nicht erst die Ankunft des Koͤnigs 
Georg abgewartet hat. Dies Dekret ist vielmehr dem König nach