Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
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M ISO. 
Samstag, den 14. August 
1880. 
Deutsches Reich. 
München, 10. Aug. Die von der Kammer der Reichs— 
räthe und der Kammer der Abgeordneten aus Anlaß des 700jäh— 
rigen Regierungsjubilaäums der Dynastie Wittelsbach an Se. Maj. 
den König beschlossenen Huldigungsadressen wurden heute dem 
Ministerpräsidenten Dr. v. Lustz überreicht und durch diesen an 
Seine Majestät nach Hohenschwangau befördert. 
Muürnchen, 11. August. An die Kammer der Abgeordneten 
gelangten außer 5 Gesuchen von pfälzischen Genossenschaften noch 
Petitionen von der Volksbank Edenkoben, dem Vorschuß⸗ und Cre⸗ 
ditverein Dürkheim, von der Volksbank Frankenthal, von den Vor— 
schußvereinen Kaiserslautern, Kusel, Kandel, Alsenz, Glan-Münch— 
weiler, Zweibrücken, Blieskastel, Pirmasens und Si. Ingbert be— 
treffs der in den Gesetzentwürfen über die Gewerbesteuer und Ein— 
tommensteuer enthaltenen Bestimmungen über die Besteuerung der 
Genossenschaften. 
Die (in vor. Nr. d. B.) erwähnte angeblich durch den Fürsten 
Bismark geltend gemachte bayerische Forderung an Griechen— 
land scheint doch einen Kern zu haben, da die an Grifchenland 
in den dreißiger Jahren aus baherischen Kassen vorgeschossene jetzt 
mit Zinsen auf sieben Millionen Franks berechnete Summe von 
drei Millionen Franks so ziemlich der 1848 auf den Antrag des 
damaligen Abgeordneten G. F. Kolb aus der k. Kabinetskasse dem 
Lande zurückgezahlten Summe gleichkommt. Bekanntlich ist die ver— 
hältnißmäßig bescheidene private Hinterlassenschaft des seligen Königs 
Ludwig's J. mit den für Griechenland gebrachten Opfern desselben 
in Verbindung gesetzt worden, wonach derselbe allerdings außer 
dieser Summe unter der Hand wohl noch andere Aufwendungen 
gJemacht hätte. Da die Kabinetskasse dem Lande die erstgenannte 
Summe zurückgezahlt hat, so würde dieselbe im Falle ihrer Aus— 
zahlung durch Griechenland nicht dem Lande Bayern, sondern den 
Privaterben König Ludwigs J. gehören. 
Berlin 10. August. Die „Nordd. Allgem. Ztg.“, einen 
Artikel des Blattes „Export“ über die Freihafenstellung der Hanse— 
städte besprechend, sagt: Deutschland habe nicht ein Interesse daran, 
daß Hamburg und Bremen Weltmärkte seien, sondern daran, daß 
ꝛs durch Haniburg und Bremen einen Weltmarkt besitze. Nur diesem 
Ziele, im Falle dasselbe unter der freiwilligen Mitarbeit der 
Hansestaädte zu erreichen sei, könne das Reich ebenfalls auch Opfer 
bringen, das heißt, das Reich könnte für den Fall des Verzichtes 
von Hamburg und Bremen auf die Freihafenstellung sich an den 
Kosten der Erbauung zollfreier Entrepoöts betheiligen. Die Beibehalt— 
ung der Freihafenstellung und dennoch Reichsbauten sei aber eine 
Forderung, die am Besten die Einseitigkeit der in dem fraglichen 
Artikel erhobenen Ansprüche kennzeichne. Der „Export“ selbst habe 
ubrigens den veröffentlichten Aufsatz in einem späteren Artikel 
widerlegt. 
Die lebhaften Klagen über die Höhe der Gerichtskosten haben 
im Reichsjustizamt wie im preußischen Justizministerium zu 
wiederholten Erwägungen Veranlassungen gegeben, ob eine Revision 
der Gebührenordnungen oder wenigstens eine Abänderung einzelner 
Bestimmungen derselben jetzt schon in Aussicht zu nehmen sei. Die 
Frage ist, wie das Deutsche Montagsblatt aus bester Quelle erfährt 
porläufig verneint worden, da die bisherigen Erfahrungen noch in 
leiner Weise ausreichen, erkennen zu lassen, in welchen Punkten 
eine Abänderung der Tarife möglich oder erforderlich ist. 
In Bezug auf die Reichs-Einnahmen aus Zollen und gemein— 
schaftlichen Verbrauchssteuern für die Zeit vom 1. April bis 30. 
Juni wurden 59,884,830 M. verreinnahmt. Im Vergleich zu 
derselben Zeit des Vorjahres ergibt sich leider eine Mindereinnahme 
hon 1294 Mill. Mark, von welcher Summe 103, Mill. auf den 
Ausfall bei Zolleinnahmen entfallen. 
Ausland. 
Gambetta, der Exdiktator Frankreichs, hat in Cherbourg 
eine sonderbare Rede gehalten. Es liegt zwar im Augenblick erst 
eine kurze, lückenhafte telegraphische Angabe ihres Inhalts vor; 
aber es läßt sich auch daraus schon erkennen, was für ein Geist 
es ist, der sie durchwehte — der Geist der Revanche. Gambetta 
wohnte am 9. August Abends einem Bankett bei, welches der Han⸗ 
dels⸗ und Industrie-Verein von Cherbourg den zu den dortigen 
Festivitäten gekommenen Vertretern der Pariser republikanischen 
Zeitungen gab. Er hatte auf einen auf ihn ausgebrachten Toasi 
zu antworten, und da erinnerte er daran, daß er schon einmal im 
Jahr 1870, in Cherbourg gewesen sei. Diese Jahreszahl gab ihm 
nun Anlaß zu dem Satz, in unglücklichen Zeiten müßten die Völker 
in Ruhe und Ueberlegung sich abwartend verhalten; Niemandem sei 
es verboten, auf die Zukunft zu hoffen; wer das Recht auf seiner 
Seite habe, könne erwarten, daß einst das Unrecht wieder gut ge— 
macht wird. Noch deutlicher ging Gambetta mit der Farbe heraus, 
als er auf den ihm mehrfach gemachten Vorwurf zu sprechen kam, 
daß er gar zu sehr für die Armee eingenommen sei, daß er einen 
wahren Cultus mit derselben treibe. Diesen Vorwurf wies er 
folgendermaßen zurück: es sei nicht kriegerischer Geist, welcher diesen 
Cultus dictire, sondern die Nothwendigkeit, Frankreich wieder em⸗ 
porzuheben, nachdem man es so gesunken sah, damit es seinen Platz 
in der Welt wieder einnehme. Geifall.) „Wenn unsere Herzen 
schlagen für Erreichung dieses Zieles, so handelt es sich nicht um 
das Streben nach einem blutigen Ideal, sondern um die Erhaltung 
des Ganzen, was von Frankreich übrig bleibt, damit wir auf die 
Zukunft rechnen und wissen können, ob es hiernieden eine Gerechtigkeit 
gibt, welche zur geneigten Stunde herbeikommt.“ Mißzuverstehen 
sind diese Worte nicht; auch in Deutschland nicht. 
London, 11. August. In Glasgow hat eine Versammlung 
von Eisenwerkbesitzern beschlossen, sämmtliche den anwesenden Firmen 
— 
Fürst Karl von Rumänien wird Mitie dieses Monats nach 
Deutschland kommen; er wird seinen fürstlichen Eltern einen Besuch 
abstatten und sich auch einige Tage in Berlin aufhalten. Auf seiner 
Reise nach Deutschland wird er in Ischl dem Kaiser von Oester⸗ 
reich einen Besuch abstaätten. 
Vermischtes. 
Dem pfälzischen Schreibgehilfenverein, welcher vorigen 
Sonntag in Neustadt seine neunte ordentliche Generalversamm⸗ 
lung hielt, haben zwei Notare des Bezirks Frankenthal Gaben von 
50 und 15 M. zugewendet. 
Aus Landausschreibt man der „Kaisersl. Ztg.“: „Sämmt⸗ 
liche Offiziere der hiesigen Garnison sind sowohl aus dem „Musik— 
verein als auch aus dem „Casino“ ausgetreten; die hier wohnhaften 
pensionirten, sowie die Landwehroffiziere erhielten die Weisung, ein 
Gleiches zu thun.“ 
FGEechstes pfälz. Sängerfest). Wie schon früher mitge— 
theilt wurde, hat Herr Wilhelm Speidel, kgl. Professor der Musil 
aus Stuttgart, die Leitung des diesmaligen Sängerfestes übernom⸗ 
nen. Auf ergangene Einladung haben nun auch Hr. Georg Vier—⸗ 
ing kgl. Musikdirektor aus Berlin und Hr. Friedrich Gernsheim, 
capellmeister in Rotterdam, ihre persönliche Theilnahme am Sänger⸗ 
äeste zugesagt und werden beide auf Wunsch des Festdirigenten ihre 
Tompositionen „Schlachtruf“ und „Salamis“ selbst dirigiren. (Be⸗ 
kanntlich ist Vierling in Frankenthal, Gernsheim in Worms ge— 
boren). Die Festbesucher erhalten somit Gelegenheit, drei in der 
musikalischen Welt hochstehende Componisten persönlich und aus 
hren Werken kennen zu lernen. 
F Speier. Das Kreiskomite des landwirthschaftlichen Ver⸗ 
eins der Pfalz beabsichtigt, Denjenigen, welche das Zentralland⸗ 
wirthschaftsfest in München (3. Oltober) mit ihren Produkten 
beschicken wollen, Dies mit ganz geringen oder vielleicht gar keinen 
Tosten möglich zu machen. Es gedenkt nämlich, sämmtliche recht— 
zeitig angemeldeten Ausstellungsgegenstande in einen direkt von 
Speier nach München fahrenden Wagen zu verpacken und mit der 
Aufstellung dieser Gegenstände in München eines seiner Mitglieder 
Jichl, 11. Aug. Kaiser Wilhelm empfing heute Vor—⸗ 
mittag 10* Uhr einen Besuch des Kaisers Franz Joseph, 
der über eine halbe Stunde dauerte. Um 1 Uhr findet ein Ga— 
ladiner in der kaiserlichen Villa statt.