Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

zu betrauen. Die Ausstellung findet im Glaspalast Statt; es ist 
also Raum genug vorhanden. Ferner sei noch erwähnt, daß die 
bayerische Slaatseisenbahn Transportfreiheit für jene Thiere ge— 
währt, welche bis 15. September bei dem Generalkomite des land⸗ 
wirthschaftlichen Vereins in München angemeldet sein werden. 
Eben daselbst müssen gleichfalls bis 168. September die Preisan— 
träge über vorzuführendes Vieh eingereicht sein; die übrigen Preis— 
anträge sind bis 1. September bei'm landwirthschaftlichen Kreis 
komite der Pfalz einzureichen. 
Frankfurt, 10. August. Die Abrechnung der Ein— 
nahmen bei'm fünften allgemeinen deutschen Turnfest hat als Re— 
suliat die Summe von 249, 454 Mt. 90 Pf. ergeben. Der Rein⸗ 
gewinn am Wein beträgt rund 15,600 Mark, am Bier 18,700 
Hek. Auf dem deutschen Turnfest wurde verhältnißmäßig für die 
kurze Dauer im Vergleich zum ersten deutschen Schützenfest mehr 
confumirt, denn in den wenigen Tagen des ersteren wurden 37,000 
Flaschen Wein gegen 54,000 Flaschen anno 1862 gelrunken. 
F Eine Versammlung von Tischlergesellen in Mainz be— 
schloß am Sonntag, daß, wenn unter den Tischlergesellen in Ber—⸗ 
iin wegen der geforderten Lohnerhöhung ein Streik ausbrechen 
sollte, diese auf die ihatkräftige Unterstüßzung von Seite der Mainzer 
Collegen rechnen könnten. 
F In Rheinhessen geht man gegen die Feldmäuse und 
Hamster, welche in bedenklicher Weise überhand genommen haben, 
energisch vor. In Oberflörsheim zahlt der Gemeinderath für eine 
eingefangene Maus 1Pfg., fuͤr den Hamster 9 Pfg.; bei der ersten 
Ablieferung, am 7. August, wurden 19,000 Mäuse und 600 Hamfter 
gezählt. In Osthofen taxirt der Gemeinderath die Hamster nur zu 
6 Pfg. das Stück, die Mäuse aber zu 2 Pfg. 
Langernschwalbach. Vor einigen Tagen wurde hier 
ein polnischer Schnorrer wegen Bettelns verhaftet. Derselbe trug 
eine werthvolle goldene Uhr nebst goldener Kette, mehrere golden 
Ringe und, außer einer bedeutenden Summe in baarem Gelde, 
Werthpapiere im Betrage von 10,000 M. bei sich. 
FMünchen, 9. Aug. Der frühere Minister von der 
Pfordten, der sich schon seit längerer Zeit in leidendem Ge— 
sundheitszustande befindet, ist sehr bedenklich erkrankt. 
In Ochsenfurt (unterfranken) hat die Gemeindever—⸗ 
waltung wegen des starken Zuzugs von auswärts beschlossen, von 
jedem, welcher dort das Bürgerrecht nachsucht, 385 M. einschließ⸗ 
lich aller Gebühren zu erheben. 
F Hasselmann hat der „Köln. Ztg.“ einen Brief zugeschickt, 
worin er die Angabe, daß er nach Amerika durchgebrannt sei, als 
ein boshafter Weise ausgesprengtes Gerücht bezeichnet. Er mache, 
sagt er, gegenwärtig eine Rundreise zu politischen Zwecken — das 
sei Alles. Erfunden sei auch, sagt er, was von Schulden gesagt 
werde, die er habe. Privatschulden habe er gar keine, und die auf 
den von ihm gegründeten Zeitungen ruhenden Verpflichtungen 
würden jedenfalls so oder so gedeckt werden. Schließlich behält er 
sich vor, die Urheber der böswilligen Erfindung wegen Verleumdung 
zu belangen. 
F Ein Bergwerk am Versinken. Die „Westf. Volks-Ztg.“ 
schreibt: „Die Zeche Baaker Mulde bei Linken ist am Versinken; 
der Schacht ist in einer Tiefe von 30 Lachtern von der Wettersohle 
ab völlig eingestürzt. Die Pumpe ist bereits in die Tiefe gegangen, 
der riesige Dampfkessel ist gefolgt, und das ganze Gebäude, dessen 
Umgebung man abgesperrt hat, scheint von der Erde verschlungen 
zu werden. Man vernimmt in der Nähe ein unheimliches unter⸗ 
irdisches Getöse. Zum Glück gelang es, die zahlreiche Belegschaft 
frühzeitig zu warnen und zu retten; auch zwei zurückgebliebene Ar— 
beiter, für die man schon Befürchtungen hegte, kamen noch vor der 
Katastrophe wohlbehalten zutage. 
7 In Berlin wurde am 5. August die 11. Generalver⸗ 
sammlung der deutschen Athropologen durch Professor Virchow er— 
dffnet. Im Namen der Regierung hieß Unterstaatssecretär v. Goßler 
die Versammlungen herzlich willkommen. Gegen 250 Mitglieder 
waren anwesend, meistens wissenschaftliche Notabilitäten, darunter 
Schliemann; aus Stochholm wird v. Rordenstjold erwartet. Im 
Lauf der Sitzung erschienen der Kronprinz und die Kronvrinzessin 
mit dem Erbprinzen von Meiningen. 
F Berlin, 11. Aug. Der 11. Anthropologen⸗Kongreß 
wurde heute Nachmittag mit einer längeren Rede Virchow's ge— 
schlossen, worin derselbe namentlich der Unterstützung und Förder⸗ 
ung des Unternehmens durch die Regierung dankend gedachte. Die 
nächste Generalversammlung findet in Regensburg statt. 
4 Eine interessante Gesellschaft, bestehend aus fünf jungen 
Damen und einem deutschechinesischen Kaufmann, Herrn Höflich, 
hat, wie die „Pos. Ztg.“ meldet, Sonntag fruh Berlin ver— 
lassen, um nach Shanghai abzusegeln. Herr Höflich, der aus 
Rawitsch in der Probvinz stammt und im Laufe von 20 Jahren 
jm chinesischen Reiche Millionär geworden, hat von 64 Damen, 
die sich auf eine Anzeige von ihm gemeldet haben, 5 ausgewählt 
und als Repräsentantinen, bezw. Verkäuferinen in seine Geschäfte 
in Shanghai angeworben. Die Damen erhalten laut dem von 
der chindsischen Gesandtschaft in Berlin mitunterzeichneten Vertrage 
reie Fahrt nach China, ebenso nach 3 Jahren auf Wunsch freie 
Fahrt zurück, vollständig freie Station und 120 Mtk. den Monat. 
Außerdem hat Herr H. für die Mutter der einen jungen Dame 
dei der Gesellschaft in Berlin eine Rente von monatlich 60 Mk. 
auf drei Jahre niedergelegt. Drei der jungen Mädchen sind aus 
Berlin, eine aus Posen und eine aus Breslau. Die Gesellschaft 
ist nach Paris gereist, um über Marseille in eiwa 7 Wochen 
—AU 
F Zu der Ueberschwemmung in Mähren und Oberschlesien 
ommt nun noch eine solche in Polen und Posen. In der 
Stadt Posen machte am 11. August der Polizeipräsident bekannt, 
»aß die Prosna, welche den südlichen Theil der Provinz Posen 
»on Russisch-Polen scheidet, Mebenfluß der Warthe) auf weite 
Strecken über ihre Ufer getreten ist; von den anstoßenden Feldern 
vurde alles (schon geschnittene) Getreide durch die Fluthen fort— 
zeführt. Man befürchtet auch eine bedeutende Ueberschwemmung 
zurch die Warthe. 
Die Nachweise über die Auswanderung aus Deustsch— 
dand nach überseeischen Ländern für das erste Halbjahr 1880, 
velche das Kaiserliche statistische Amt im Juniheft seiner Monats- 
jefte veröffentlicht, ergeben, daß vom 1. Januar bis 31. Juni 
ieses Jahres über deutsche Häfen, (Bremen, Hamburg, Stettin) 
15 042 deutsche Auswanderer befördert wurden. Außerdem sind 
3400 deutsche Auswanderer über Antwerpen nachgewiesen, von 
indern fremden Häfen, über welche deutsche Auswanderer beför— 
dert sein könnten, liegen Nachrichten nicht vor. Im Vergleich zu 
rüheren Jahren erscheint die hier nachgewiesene Gesammtsumme 
don 50 442 Auswanderern zwar hoch, erreicht jedoch keineswegs 
die Ziffern der Jahre der stärksten Auswanderung, die vielmehr in 
die Jahre 1872, wo 68 340 deutsche Auswanderer über dieselben 
Häfen im ersten Halbjahre befördert wurden, und 1873, wo 
63 866 befördert wurden, fällt. 
F Erimerung an die Feldpost von vor zehn Jahren. Vor 
Belfort lag der tapfere Krieger, der mit dem Bajonett besser 
umzugehen verstand, als mit der Feder. Er war aber ein eben 
so guter Sohn seiner Eltern wie seines Vaterlandes, und darum 
meldete er seinen Lieben daheim, was er für letzteres im Felde that. 
Sein Schreiben lautete: „Geliebten Eltern! Euern Brief is gesunt 
angekommen und das hofe ich auch fon euch. Es duht euch leiht, 
das ich nichts von das Geschlachts mitkriege. Das duht mich auch 
leiht. Aber beward mich nur ein Pröllechen vor den Frihden zu 
brahten den wir habe bald Frihde. Den Bellfohr hat kaputilihrt, 
das geht so. Wir haben es kaput geschossen und wenn es genug 
kaput is, dann kriegen wir es und das heißt kaputilihren auf 
deutsch. Ich dank Euch auch vor die Zihgarn, die mit euer Briv 
angekommen sein. Aber das sein echte Zihgarn; man muß zihen, 
als wenn man von eine guste Kuh Milch haben will und kommi 
doch nichts aus. Die ich forgestern rauchte die hat guter Zucht 
und da kam doch unverwachs unse Haubmann hinter mich vorbei 
und sagt: Fui was der Kerl stink, und ich mag gleich Kehrt und 
sag zu befehlen herr Haubmann. So müssen wir immer sagen, 
wennn der Haubmann was sagt. Aber ich habe gedacht unse Haub— 
mann weis fiel, aber Zihgarn kennt er nich, sie hat doch gute Zuch. 
Ihr schreibt mich, daß unse Kuh Milch geworden sein und 12 
Kannen Milch giebt und das Peter und Lene geheirad sind. Das 
freut mir alle beide und ihr könnt sie von mich grüßen. Gestern 
haben wir einen Franzos gekriegt, der hat ein von unse Leut mit 
die Schassepopo von hinten ganz doht geschohsen und das nennt 
man hier Franztirähr. Ich schlihse jetzt mit die Fehder, aber nich 
mit das Herz den ich bin euer geliebten Sohn Hannes.“ 
F Der berühmte Pariser Arzt Pasteur hat die wichtige 
Entdeckung gemacht, daß die Regenwürmer die Weiterverbreiter 
des den Menschen wie den Thieren so verderblichen Milzbrandes 
sind. In Frankreich hat dieser der Wissenschaft geleistete Dienst 
ein solches Aufsehen erregt, daß die Deputirtenkammer Pasteur so—⸗ 
fort 50,000 Fr. bewilligt hat, um ihn zu weiteren Forschungen 
anzuspornen. 
F Aus Ungarn meldet man schreckliche Details über Hagel⸗ 
schäden. Einem Unwetter in Groß⸗Szombor fielen 10 Menschen⸗ 
leben zum Opfer, außerdem sind dort zahlreiche Verwundungen 
borgekommen. 25 Mühlen sind zerstoͤrt. In Appatin sind 50 
Personen durch Schlossen schwer verwundet. Besonders arg wurde 
in Nachtzug auf der Strecke Viazia-Temesvar mitgenommen. Als 
zerselbe sich näamlich um halb 10 Uhr Nachts zwischen Detta und 
Moravitza befand, brach ein förmliches Bombardement von faust⸗ 
zroßen Eisstücken los, die auf die Dächer der Waggons nieder⸗ 
drasselten, sammtliche Fenster zerschmetterten und mit furchtbarem 
Krachen und Prasseln in die Coupes schlugen, aus welchen bald 
)as Jammergeschrei getroffener und verwundeter Pafsagiere drang. 
Zo groß war die Gewalt dieser Eisbomben, daß sie in den Feuer⸗ 
raum der Maschine und in das Gestänge derselben drangen, in 
Folge dessen der Locomotive der Lebensathem ausging und der Zug 
nitten in dem grausigen Unwetter stehen bleiben mußte. Die Passa⸗