Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Hl. Ingberler Znzeiger. 
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13880. 
M 1344 Sountag, den 22. August 
Deutsches Reich. 
Se. Majestät der Kön ig von Bayern haben den Kaiser 
Franz Joseph von Oesterreich welcher am 18. August die Vollen⸗ 
dung seines 80. Lebensjahres feierte, in einem eigenhaͤndigen Schrei⸗ 
hen beglückwünscht. 
Wie im gestrigen Blatte mitgetheilt, steht schon in nächster 
Zeit eine Kundgebung der Führer des linken Flügels der 
Ratibnalliberalen zu erwarten. Selbstverständlich sind die 
Abgeordneten, welche aus der Fraktion auszuscheiden beabsichtigen, 
hren Wählern Rechenschaft über die Gründe für ihren Entschluß 
chuldig, und diese Darlegung der Verhältnisse, welche sie zum Austritt 
aus der Fraktion veranlassen, dürfte denn auch den wesentlichen In⸗ 
halt der Kundgebung bilden. Ein Ueberblick über die Gruppe, welche 
her Bewegung sich anschließen wird, ist vorerst kaum möglich, da 
biele Abgeordnete zum linken Flügel gerechnet werden, weil sie 
Begner der neuen Wirthschaftspolitik sind, während ihre politischen 
Anschauungen im Uebrigen sie eigentlich zu Mitgliedern des rechten 
Flügels stempeln. Andererseits freilich werden Manche, die jetzt als 
sehr gemäßigt liberal gelten, bei der Diskussion der Wirthschafts⸗ 
und Steuerreform in die Opposition übertreten und demzufolge 
dus der nationalliberalen Fraktion ausscheiden. Vorerst wird man 
kaum annehmen können, daß mehr als dreißig Abgeordnete der 
neuen Gruppe beitreten werden; der Fraktion würden alsdann noch 
55 Mitglieder verbleiben, die mit der Gruppe Schauß⸗Völk etwa 
70 Stimmen zählen würde. Rechnet man dazu die 58 Deutsch⸗ 
Konservativen, die 48 Mitglieder der Reichspartei und ungefähr 12 
Wilde, die theils zu den Konservativen, theils zu den National⸗ 
iberalen stehen, so ergiebt das 188 Stimmen, während zur abso⸗ 
uten Majorität im Reichstage 199 Stimmen erforderlich sind. 
Immerhin wird die bevorstehende Neugruppirung ein frischeres 
deben in die Verhandlungen bringen. 
Wie aus Darmstadt gemeldet wird, hat Kaiser Wilhelm 
im 18. August als am zehnjährigen Gedenktage der Schlacht von 
St. Privat⸗Gravelotte, an den Großherzog von Hessen ein Tele⸗ 
zramm gesendet, worin er den damaligen Commandeur der hessischen 
Division ob seiner Truppenführung beglückwünscht und den Ange⸗ 
hörigen der Division auf's neue seine Anerkennung ausspricht. 
Ausland. 
Der französische Ministerpräsident Freycinet hat nochmals in 
einer dei einem Baukett zu Montauban gehaltenen Rede Frank⸗ 
reichs besonnene und gemäßigte Politik im Inneren und friedliche 
Politik nach Außen hervorgehoben. Der Minister bezeichnete ferner 
ille beunruhigenden Gerüchle als unbegründet; Frankreich werde sich 
nemals in eine Politik der Abenteuer einlassen und niemals den 
vom Land entschieden gewollten Frieden auf's Spiel setzen. 
(Ein zeitgemäßes Wort der Toleranz.) In Belgien fällt 
etzt gelegentlich der Jubiläumsfestlichkeiten zuweilen manch kräftig 
Wörilein, welches verdiente, auch über die Tage des Festjubels hinaus 
estgehalten und beachtet zu werden. So war die Rede des Schöffen 
sür“ den öffentlichen Unterricht der Stadt Brüssel bei Gelegenheit 
der Preisvertheilung an die Zöglinge der Kommunalschulen gehalten, 
bon ganz besonderer Bedeutung und beinahe so stilisirt, als ob 
iie für gewisse deutsche Verhältnisse berechnet wäre. Man höre: 
„Seien Sie überzeugt, wir Alle, beseelt von gleichem Eifer 
für das öffentliche Wohl, von derselben Gluth des Patriotismus, 
werden uns anstrengen, in unsern Schulen Bürger zu erziehen, die 
eines freien Landes würdig und von denselben Gefühlen der Toleranz 
erfüllt sind, welche die Schutzwehr unserer Institutionen sind. Wir 
leben in der Weit mit Mitbürgern eng beisammen, die theils Ka⸗ 
tholiken. theils Protestanten, theils Israeliten, theils Freidenker sind. 
Wir schätzen sie nach ihren Handlungen und nicht nach der be— 
onderen Urt, wie sie zu Gott beten. Wenn sie gute Buͤrger und 
hrenwerthe Menschen sind, so haben sie ein Recht auf unsere Schätz⸗ 
ung und unsern Respekt, was auch immer ihre religiösen Ueber— 
eugungen seien. Wir säen in die Herzen Ihrer Kinder dieselben 
Gefinnungen, welche im Herzen jedes guten Bürgers herrschen sollten. 
Die schweizer Taawacht“ meldet, daßk im Jabhre 1881 
wahrscheinlich in der Schweiz ein sozalistischer Weltkongreß statt- 
inden wird. 
Was Rußland in Bulgarien für ein Spiel treibt, geht aus 
inem Telegramm der „N. Fr. Pr.“ aus Silistria hervor: 
Fin rusisches Panzerschiff, von der bessarabischen Küste kommend, 
hat am 12. d hier angelegt und eine Bergbatterie, sowie eine 
zroße Masse Gewehre ausgeschifft. Die vergangene Woche war 
hier bereits Munition von einem russischen Schiffe abgeladen worden. 
Genau, wie seiner Zeit in Serbien. 
Die Verhältnisse in Irland enwickeln sich immer interessanter. 
krst nehmen die Fenier mit bewaffneter Hand eine Ladung Gewehre, 
ndem sie sich eines im Hafen von Cork ankernden Schiffes bemäch⸗ 
agten. Jetzt wird dem „Daily Chronicle“ aus Cork gemeldet, man 
ei einem Versuche, die dortige Kaserne in die Luft zu sprengen, 
uf die Spur gekommen; unter der Kaserne seien zwei Fässer mit 
Bulver aufgefunden worden. Wahrhaftig, man thäte in London 
lesser, anstatt der Pforte unausführbare Reformen aufzuzwingen, 
lieber vor der eigenen irischen Thür zu kehren. 
In Rußland wurde wieder einmal eine größere Anzahl 
von Personen, welche der Bildung einer gesetzwidrigen Gesellschaft 
zum Zweck des gewaltsamen Umsturzes der bestehenden Staatsord⸗ 
nung angeklagt waren, zur Todesstrafe bezw. zu mehrjähriger Zwangs⸗ 
Ibeit verurtheilt. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert 18. August. In heutiger Schöffensitzung 
kamen folgende Fälle zur Aburtheilung: 1) Ein Gewohnheitsbettler 
on Ormesheim erhielt wegen Betteins 42 Tage Haft. 2) Ein 
Arbeiter von Hassel erhielt wegen Körperverletzung 1 Monat Ge⸗ 
ängniß. 3) Wegen Berufsbeleidigung erhielt ein Arbeiter von 
Schnappbach 14 Tage Gefängniß. 
»SteIngbert. Äuf der Pfalzgau-Ausstellung 
n Mannheim wurden prämiirt Chevandier & Vopelius in 
Schnappbach mit der goldenen, Akuenglashütte St. Ingbert 
nit der silberneen und broncenen Medaille. 
Su. Ingbert. Es wird uns mitgetheilt, daß Herr 
dehrer Schlaudeder beabsichtigt, Ende dieses Monats mit seinen 
Muͤsikschülern ein Kinderconzert zu geben. Schon für die Feier 
zes Willelsbacher Jubiläums der kgl. Lateinschule hatte er mit den⸗ 
elben mehrere Piecen eingeübt. Der Vortrag derselben mußte aber 
amals zum größeren Theile mit Rüchsicht auf den beschränkten Raum 
und die kurz zugemessene Zeit unterbleiben. Hr. Schlaudecker wird 
zun in dem beabsichtigten Conzerte seinen Schülern Gelegenheit 
zjeben, dem Publikum gegenüber Zeugniß von ihren Fortschritten 
ibzulegen. Zu der Muͤhe, die er sich gibt, sei ihm hiermit der 
bdeste Erfolg gewünscht. 
FDie latholische Kirche in Zweibrücken hat sich eine 
Orgel für 20,000 Mark angeschafft. 
p' Die Eisenbahnlinie Bitsch-Zweibrücken soll nach 
en Beschlüssen einer Versammlung, die in dieser Angelegenheit in 
gzitsch tagte, entgegen dem früheren Projekte Zweibrücken⸗ Hornbach⸗ 
Wollmünster⸗Bitsch, über Hornbach⸗Bußweiler⸗· Hannweiler⸗Vitsch ge⸗ 
jen und soll in diesem Sinne petionirt werden. 
FIn Kaiserslautern ist die Nachricht eingetroffen, 
Se. Maj. der König habe von dem Programm der Eröffnung des 
Gewerbemuseums der Pfalz“ mit Freuden Kenntniß zu nehmen 
jeruht und befohlen, daß Abgesandte des Ministeriums des Inneren 
sch an der Erdffnungsfeier beiheiligen, welche eine Votschaft Sr. 
Maj. überbringen werden. 
Wie man der „Kais. Zig.“ mittheilt, werden bei der Er⸗ 
ffnungsfeier des Gewerbemuseums in Kaisers lautern die 
erschiedenen Handwerker, als: Maurer, Zimmerleute, Schlosser, 
rischler etc. ꝛc. in altdeutscher Tracht, wie sie zur Zeit der Zunfte 
getragen wurde, kostümirt, einen Characterfestzug ausführen. Die 
lufstellung dieses Zuges geschieht an der Fruchthalle von wo aus sich 
)erjelbe durch den angrenzenden Stadttheil bewegen und dann am Se⸗ 
verbemuseum Aufstellung nehmen wird. Abends werden die Handwerker 
m Feherfest auf Gelberts Keller mit Musik geführt, woselbst sie einen 
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