Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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4Me 135. Dienstag, den 24. Auaust 1880. 
Deutsches Reich. 
Aus München wird mitgetheilt, die Regierung beabsichtige 
zdie Kammer nach Schluß ihrer letzten Tagung aufzulösen und 
alsbald die Landtags-Neuwahlen auszuschreiben, welche in diesem 
Falle schon Mitte Mai Statt finden würden. Andernfalls würde 
das Mandat der Landtags-Abgeordneten erst im Juli 1881 er— 
öschen und dann müßten Reichstags- und Landtagswahlen kurz 
hintereinander erledigt werden. 
* Die oberbayerische Handels- und Gewerbekammer sprach 
ich einstimmig gegen jede Veschränkung der Wechselfähigkeit aus, 
mit der Erklärung, in solcher Beschränkung kein Mittel zur Be— 
ämpfung des Wuchers erblicken zu können. 
* Zur Begrüßung des Reichskanzlers in Kissingen hat sich 
»er Vorsitzende im bayerischen Staatsministerium Dr. v. Lutz dort⸗ 
sin begeben. Demselben schloß sich der Minister des kgl. Hauses 
ind des Aeußern Frhr. v. Crailsheim an, welcher dem Reichs— 
anzler noch nicht persönlich bekannt ist. Bekanntlich hat früher 
illjaͤhrlich der ehemalige bayer. Minister v. Pfretzschner den Fürsten 
Reichskanzler in Kissingen auch besucht. 
Die Verhandlungen zwischen Berlin und dem Vatican 
ind trotz der im letzten Frühjahr gefallenen scharfen Worte nicht 
definitiv abgebrochen; sie werden zunächst in der Art weitergeführt, 
daß Fürst Bismarck, welcher am 30. August von Kissingen aus in 
Bastein zur Cur eintrifft, dort mit einem Abgesandten des Vaticans 
ich bespricht. 
In gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hält man es für ge⸗ 
viß, daß Fürst Bismarck die Absicht habe, Herrn von Bennigsen 
zie Nachfolge Hofmann's anzubieten, um auf diesem Wege die 
nationalliberale Partei mit den beiden konservativen Parteien zu 
einer festen Majorität zu verbinden. Der Plan soll sogar schon 
ilteren Datums sein. Der Einwand, daß im Reichstage nach 
der Abtrennung der Herren von Forckenbeck und Genossen die 
doalition der genannten Parteien nicht über die absolute Majorität 
erfüge, ist allerdings nicht zurückzuweisen, man tröstet sich in Re— 
sierungskreisen aber mit der Erwartung, daß bei den nächsten Neu— 
vahlen die Partei Bennigsen unter dem Schutz und Schirm des 
Keichskanzlers im Stande sein werde, sich in geeigneter Weise zu 
berstäkken. Das Bekanntwerden dieser Absichten scheint den unmit— 
elbaren Anlaß zu der bevorstehenden Spaltung der nationalliberalen 
Fraktion gegeben zu haben. 
*Der deutsche Kaiser hat am 18. d. aus Babelsberg 
in den König von Sachsen nachstehendes Telegramm gerichtet: 
Mit Mir begehen Ew. Majestät heute den zehnjährigen Erinner—⸗ 
ingstag des glorreichen, aber blutigen Schlachttags von St. Pri⸗ 
at⸗ Grabelotte, wo Sie an der Spitze Ihrer braven Truppen einen 
o ruhmreichen Theil an dem ewig merkwürdigen Siege nahmen. 
Ich kann es Mir daher nicht versagen, Ew. Majestät und den 
ächsischen Truppen von Neuem Meine Anerkennung und Dankbar⸗ 
eit auszusprechen für die hohen Leistungen am 18. August 1870. 
Wilhelm.“ 
Der österreichische Kronprinz Rudolph trifft zur Theilnahme 
in den Manövern Mitte September in Berlin ein. 
Ausland. 
Bisher war Oesterreich gewissermaßen von der sozialdemo⸗ 
tratischen Agitation, nach unseren Begriffen, verschont geblieben. 
Jetzt meldet ein Wiener Telegramm, daß mehrere Personen sozial⸗ 
»emokratischer Richtung, welche als Gegendemonstration gegen das 
jur Nachfeier des Geburtstages des Kaisers stattgefundene patrio⸗ 
ische Fest Flugschriften verbreiten wollten, verhaftet worden sind. 
Fine von dieser Partei zu gleichem Zwecke 'einberufene Volksver⸗ 
ammlung wurde polizeilich verboten. Man kann gespannt darauf 
ein, ob dieses Vorkommniß sich als ein vereinzeltes erweisen wird 
der ob sich fortan die sozialistische Vropaganda an der Donau 
äuslich niederzulassen gewillt ist. 
Die Antwort der Pforte auf die letzte Collectivnote der 
Mächte in Betreff Montenegro's besagt nach der „N. Fr. Pr.“: 
die Pforte willige in die Abtretung Dulcigno's, doch müsse die 
Hrenze von Vodgoritza bis zum See von Skutari nach den im 
Berliner Vertrag angegebenen Punkten gezogen werden; gleichzeitig 
vird eine Verlängerung des Termins zur Uebergabe um einige 
Wochen gefordert. 
Aus Wien berichtet das „Mont.«Bl.“: Die Mächte stimmen 
dem Wunsche der Pforte nach Gewährung einer längeren Frist im 
Zrinzip bei. Gegenwärtig wird über die Dauer der verlängerten 
Frist verhandelt. Deutschland und Oesterreich erheben keine Ein⸗ 
vendung gegen eine Erstreckung der Frist bis zum Beginn der 
chlechten Jahreszeit, die anderen Mächte dagegen wollen nur in 
eine dreiwöchige Verlängerung willigen. — Die Diskussion der 
Mächte in der griechischen Frage wurde vorläufig bis zur Erledig— 
ing der montenegrinischen Angelegenheit vertagt. 
* In dem am 20. August Statt gehablen Konsistorium er⸗ 
iannte der Papft mehrere Bischöfe für Italien, England, Amerika 
und in part inf. Die vom Papste gehaltene Ansprache verbreitet 
ich nur über Belgien. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 24. August. Wir erinnern daran, daß 
morgen in Verbindung mit der Feier des Allerhöchsten Geburts— 
ind Namensfestes auch das 700jährige Regierungsjubiläum unse— 
tes erhabenen Herrscherhauses festlich begangen werden wird. Das 
Programm der Festfeier wurde bereits im „Anzeiger“ veröffent— 
icht und ist hinlänglich bekannt. Die Bewohner unserer Stadt 
verden nun hoffentlich durch Beflaggen der Häuser auch dazu mit— 
jelfen, daß, der Bedeutung des Tages entsprechend, das Aeußere 
)er Stadt ein festliches Aussehen gewinnt. 
F Die Huldigungsadresse der Pfälzischen Kampf—- 
jenossenschaft, welche dieser Verband zum 700jährigen Regierungs- 
zubiläum unseres Königshauses Wittelsbach Sr. Majestät unserem 
dönig überreichen wird, war bei Eröffnung des pfälzischen Gewerbe— 
nuseums daselbst ausgestellt. Regierungspräsident v. Braun wird 
uf Ansuchen die Adresse an Se. Maj. übermitteln. 
F Die „Pf. Ztg.“ meldet: „Dem Vernehmen nach sollen 
virklich allmälich fünf Rentämter eingezogen werden. Als solche 
iennt man Edenkoben. Grünstadt, Dahn. Landstuhl und Winn— 
veiler.“ 
In Kirchheimbolanden starb am vorigen Samstag 
der Dekan und Pfarrer Ruckdeschel, welcher erst vor kurzem dahin 
zerufen worden war. 
Am verflossenen Sonntag fand in Kaiserslautern 
die Einweihung des pfälzischen Gewerbe-Museums statt. Die Feier 
nahm einen überaus glänzenden Verlauf. Die durch Herrn Ministe⸗ 
ialrath von Zenetti dabei verlesene Allerhöchste Botschaft lautet 
vie folgt: „Ich bin erfreut über die Vollendung des Pfälzischen 
svewerbe⸗Museums und gebe mich der berechtigten Hoffnung hin, 
haß diese aus dem edlen opferwilligen Gemeinsinn hervorgegangene 
Anstalt das allzeit rüstige und eifrige Streben des Gewerbestandes 
neiner Pfalz mächtig fördern werde. Linderhof, 19. August 1880. 
ez. Ludwig.“ Sr. Excellenz dem Regierungspräsidenten der Pfalz, 
herrn v. Braun, wurde am Schluß der Feier eine vrachtvolle 
dankadresse überreicht. 
F Für die am 16. und 17. Sept. If. Is. in Speyer 
Statt findende 8. Versammlung des pfälzischen Kreislehrervereins 
ind folgende Vorträge angemeldet: In wie fern kann die Volks— 
chule erziehlich wirlen: Referent: Lehrer K. A. Krauß in Spehyer. 
). Mängel und Mißstände in unserem Volksschulwesen und Vor⸗ 
chläge zu deren Hebung. Referent: Lehrer Salzgeber in Zwei—⸗ 
»zrücken. 3. Die Fortbildungsschule. Referent: Lehrer Esselborn 
n Ludwigshafen. - 
Das Lehrerseminar in Speyer hat nunmehr 99 Schüler, 
nachdem 51 von 56 Candidaten ihre Aufnahmsprüfung bestanden. 
Anläßlich des in der Zeit vom 28. bis 80. August in 
deidelberg abzuhaltenden 8. badischen Feuerwehrtages tritt 
iuf den pfälzischen Eisenbahnen für die in Uniform dahin reisenden 
Feuerwehrmänner eine Fahrvergünstigung in der Weise ein, daß 
ie Giltigkeitsdauer der vom 27. August an gelösten Retourbillete 
nach Ludwigshafen oder Speyer event. Heidelberg bis zum 31. 
lugust l. Irs. einschließlich verlängert wird.