Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Aus Paris wird gemeldet: Alle Vorstände der Kongre⸗ 
gationen (geistlichen Orden) in Frankreich haben eine Er⸗ 
arung unterzeichnet, die offiziell durch den Kardinal Guibert 
dem Ministerpräsidenten Freycinet alsbald —XD 0 
Paris überreicht werden soll. 
Die innete Lage in Frankreich wird durch den sich stets stei⸗ 
gernden Gegensatz zwischen Gambetta und Freyeinet 
m deutlichsten gekennzeichnet. Der Letztere hat die nichtjesuitischen 
Kongregationen gegen den Willen seines Schöpfers begnadigt und 
dieser läßt ihn dafür heftig angreifen. Das Geheimniß der 
Siluation ist daß dem Dittator eine Ministerkrise jetzt noch nicht 
taugt; Frehcinet soll langsam ruinirt werden, wie früher Jules 
Simon. Unterdeß geht die innere Zersetzung weiter; auch ein über⸗ 
zeugter Republikaner wie der Pariser Korrespondent der „N. Z. 3.“ 
bezeichnet als Hauptmängel der französischen Republik die fehlende 
Fuͤrsorge für soziale Versöhnung, die im höchsten Grade maßlosen 
Rebancheideen und die Sittenverwilderung. Daneben wird der 
schlechte Zustand der französischen Armee hervorgehoben. Um so 
inberantworlicher hat Gambetta mit seinen Revanchereden gehandelt. 
In Zürich hat vom 20.—28. August ein deutscher Sozial⸗ 
demokratenkongreß getagt, der zur vollständigen Rechtfer— 
tigung der Liebknecht und Genossen gegen die Angriffe der Hassel⸗ 
mann und Most führte; der letztere wurde aus der Partei aus⸗ 
geschlossen. 
Bezůglich der Haltung der Türkei den Großmäch⸗ 
ten gegenüber meint die „N. A. 8.“: „Der gesunde Men⸗ 
ichenverstand sollte meinen, den Konstantinopeler leitenden Kreisen 
müßte sich die Erkenntniß von der positiven Unmoͤglichkeit einer 
Poutik des Widerstandes gleichviel ob altiven oder nur passiven 
jo unabweislich aufgedrängt haben, daß sie nichts unterlassen würden, 
was zur Herbeiführung eines vertragsmäßigen Akkords in ihren 
sträften stände.“ 
In Konstantinopel zirkuliren aufrührerische Plakate, die 
gegen den regierenden Sultan gerichtet sind. Es wird ihm darin 
der Vorwurf gemacht, daß er in sechs Monaten ein sechs Jahr⸗ 
hunderte altes Reich zu Grunde gerichtet habe. Gleichzeitig wird 
ihm mit Beseitigung seiner Dynastie gedroht, wenn er fich ferner 
dem Willen der europäischen Mächte fügen sollte. 
Die Albanesen haben ein Telegramm an den Sultan ge⸗ 
richtet, worin sie ihren Patriotismus betheuern und versichern, 
— —— kampfen, um die In⸗ 
regrität ihres Gebietes aufrecht zuerhalten, d. h. also die Abtretung 
don Dulcigno an Montenegro zu verhindern. 
In Afghanistan ist die Belagerung von Kandahar auf— 
gehoben, und hat Eyub Khan sich 8 Meilen nördlich von dieser 
Siadt zurückgezogen. Hierdurch ist für das englisch⸗indische Heer 
ne große Gefahr vorläufig abgewendet. Da die vollständige 
Räumung Afghanistans durch die Engländer eine ausgemachte 
Sache ist, so dürfte es Eyub Khan für überflüsfig gehalten haben, 
sich vorher noch mit ihnen in einen zweifelhaften Kampf einzulassen. 
Chili uͤnd Peru⸗Bolivia in Südamerika haben die 
Waffen niedergelegt und Frieden geschlossen. Ersteres hat folgende 
Friedensbedingungen gestellt: Annexion des an der Pacific-Küste 
gelegenen Territoriums; Zahlung einer Kriegsentschädigung von 
200 Millionen Dollars seitens Perus; Besetzung von Tarapaca, 
bis die verlangte Summe gezahlt ist. Diese Bedingungen wurden 
cepuirt. 
Schwurgericht der Pfalz. 
III. Quartal 1880. 
Bei der am 6. d. Mts. in Zweibrücken beginnenden 
Schwurgerichts⸗Session für das 3. Quartal 1880 kommen nachste⸗ 
hende Fälle zur Verhandlung: 
Montag, 6. September, Morgens 8 Uhr: Johann Rausch, 
86 J. a., Tagner von Pfortz, wegen vorsätzlicher Brand- 
stiftung. Staatsanwalt: Petri, Vertheidiger: Rechtskandidat 
Boldmann. 
Nachmittags 3 Uhr: Jacob Klein, 22 J. a., Ackerer von 
Duttweiler, wegen Meine ids. Staatsanwalt: Kieffer, Ver⸗ 
cheidiger: Rechtsanwalt Gebhart. 
Dienstag, 7. September, Morgens 8 Uhr: Michael Vossel⸗ 
mann, 28 J. a., Müller auf der Weidelmühle bei Nieder⸗ 
tterbach, wegen Brandstiftung. Staatsanwalt: Dr. Krell, Verthei⸗ 
diger: Rechtsanwalt Kieffer. 
Nachmittags 83 Uhr: Leonhard Manz, 18 J. a. Photo⸗ 
graphen⸗Lehrling aus Wachenheim, wegen Münzverbrechen 
uind Betrug. Staatsanwalt Gebhart. 
Mittwoch, 8. September, Morgens 8 Uhr, und Donnerstag, 
J. September: Adam Krämer, 48 J. a. Maurer und Grab— 
deinmacher aus Bundenthal, wegen Münzverbrechen. Staats- 
anwalt: Dr. Krell. Vertheidiger: Rechtsanwalt Gink. 
F⸗⸗ 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 3. Sept. In kaum bemerlbarer Weise 
uing hier der 10jährige Erinnerungstag an die ewig denkwürdige 
Schlacht don Sedan dorüber. Nur äußerst wenige Privatgebaude 
vaten beflaggt und von Vereinen hatte nur die „Harmonie“ ihre 
Mitglieder zu einer entsprechenden kleinen Feier im Vereinslokalk 
eingeladen. Bei dieser erinnerte der Vorstand, Herr Thierarzt 
Weigand, in kurzen Worten an die Zeit vor 10 Jahren und 
hrachie dann auf S. M. den deutschen Kaiser, S. M. König Lude 
vig von Bahern und die tapfere deutsche Armee ein dreifaches Hoch 
aus, das lebhafte Zustimmung fand. — Nicht so wenig beachtet 
vie hier blieb der Sedanstag in Schnappbach. Dort waren, wie 
vir hörten, Vorbereitungen zu einer allgemeinen festlichen Begehung 
desselben getroffen. 
—Vor dem igl. Landgerichte Zweiber ücke n stand am 31. Aug. 
Zamuel Kahn J. Handelsmann von Thaleischweiler. Derselbe hatte am 
27. Oktober v. Is. dem Ackerer Wilhelm Adolf von Pirmasens 
ein Pferd verkauft, wobei er wiederholt versicherte, dasselbe sei nur 
3 Jaͤhre alt. Der Kaufpreis betrug 220 M. und 2 M. Trink⸗ 
zeld. Später stellte sich heraus, daß das Pferd über 30 Jahre 
At war und von Kahn für 50 M. gekauft worden war. Einige 
Wochen nach dem Kaufe stürzte das Pferd aus Altersschwäche todt 
nieder. Adolf strengte nun gegen Kahn eine Klage an und das 
dandgericht verurtheilie Letzteren zu 4 Monaten Gefängniß, außer— 
dem zu 100 M. Geldstrafe und den Kosten des Verfahrens. 
F Ueber eine absonderliche Wette, welche auf dem Wochen⸗ 
narkte zu Landau abgeschlossen wurde, berichtet der „Eilbote“: 
—D — —— 
Beflügel acquiriren, wobei Ersterer hartnäckig behauptete, es sei ein 
Huhn, während Letzterer für dasselbe die Qualität eines Hahns in 
Anspruch nahm. Man wettete schließlich um 20 M. und deponirte 
ziesen Betrag bei einem Wirthe. Als entscheidende Instanz wurde 
dann Herr Thierarzt B. angerufen, der zum großen Gaudium der 
ahlreichen Zuschauer die Wette zu Gunsten des Geflügelhändlers 
entschied. 
Der Stadtrath von Frankenthal hatte zur festlichen 
Begehung des Sedantages den Betrag von 150 M. aus der 
Stadtkasse bewilligt. 
FDudweiler. Am Abend des 209. Aug. cr. hatten mehrere 
unge Burschen auf hiesiger Dorfstraße einen kleinen Wortwechsel. 
xin Anstreichergeselle drohte während desselben wiederholt, daß er 
chießen werde, salls ihm einer auf drei Schritte nahe kommen 
ollte. Ein dem Streite völlig fernstehender Bergmann, auf dem 
Wege nach Hause begriffen, mußte an den streitenden Parteien 
orbeigehen und rannse aus Versehen in der Dunkelheit gegen den 
Anstreichergesellen an, in Folge dessen dieser ohne Weiteres nach 
dem Bergmann schoß und denselben so unglücklich in den Unter⸗ 
eib traf, daß an dessen Aufkommen gezweifelt wird. Der Thäter 
entzog fich durch sofortige Flucht der Verhaftung. (Saarbr. Zig.) 
'Aus Colmar (Elsaß) wird gemeldet: Wegen unerwar- 
eten Auftrittes der Rotzkrankheit, weßhalb ein Pferd heute 
rüh bereits getödtet werden mußte, wird die 3. Eskadron des 5. 
ayer. Chevaurlegersregiments nicht weiter zum Mandver vorrücken, 
ondern auf dem kürzesten Wege per Bahn in die Garnison zu— 
rückbefördert werden. Das Regiment wird also nur durch 3 Es⸗ 
adronen bei den Manövern vertreten sein. 
Großartige Unterschlagungen bei der Reichsbank zu Fran k⸗ 
urt' sind von dem ersien Kassier Schuster verübt worden; sfie 
ollen im Ganzen 64,000 Mark betragen. Schon vor laängerer 
Zeit soll man auf Schuster's flotten Lebenswandel aufmerksam ge⸗ 
vorden sein; aber wahrscheinlich hat man geglaubt, daß er die dazu 
erforderlichen Ausgaben recht gut aus eigenen Mitteln bestreiten 
onne, da er aus reicher Familie (in Leipzig) stammt. Schuster, 
erst vor Kurzem verheirathet, befand sich seit drei Wochen auf einer 
ẽrholungsreise in der Schweiz. In dieser Zeit erhielt das Bank⸗ 
jaus M. A. 'b. Rothschild von der Reichsbank eine größere Summe 
n Bankscheinen und zwar in Packetchen à 10,000 Mk. In einem 
ieser Packetchen wurde nun ein Manco von einigen tausend Mark 
ntdeckt. Auf die hierauf bei der Reichsbank erfolgte Anzeige wurde 
ogleich eine Revision der Kasse vorgenommen und man fand nun 
nuch mehrere Packetchen, in denen zwei⸗, drei⸗ und viertausend 
Mark fehlten, im Ganzen 64,000 Mark. Da bei Revision nur 
Hie richtige Zahl der Geldpackeichen, nicht aber deren Inhalt kon⸗ 
tatirt wuͤrde, so war es Schuster leicht, längere Zeit seine Unter⸗ 
chlagungen zu verdecken. Bei seiner Rückkehr wurde er sofort ver⸗ 
aftei. Da der erste Kassier der Reichsbank eine ziemlich große 
Faution (man nennt uns 580,000 Mt.) stellen muß, so ist der 
Zerlust der Reichsbank nicht groß. Uebrigens ist der Director der⸗ 
elben sofort zu den Verwandten Schuster's nach Leipzig gefahren, 
im — wie man wohl annehmen darf — Ersatz zu erhalten. 
Fürst von Hanau gepfändet. Beim Fürsten von 
»anau wurde am 240 d. M. in dessen Wohnung in Smichow 
Bohmen) unbeglichener Schulden wegen die Pfandung vorgenom⸗ 
nen. Die reiche fürstliche Einrichtung, die werthvollen Gemälde, 
dabinetsstücke, Antiquitaten, Alles, salbsi die Otrdensabzeichen wurden 
nit Beschlag belegt. 
FAm'“ lal. Landgerichte zu Bamberg fand dieser Tage