Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Slt. Ingberler Anzeiger. 
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AMä 145. — Samstag, den 11. September 
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1880. 
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Deutsches Reich. 
Aus München, 8. Sept. berichtet der „Pf. K.“: Ein von 
Sr. Maj. dem König unterm 27. v. Mts. aus Elmau erlassenes 
Handschreiben wird vom Gesammtministerinm in dem heute 
erschienenen Gesetz⸗ und Verordnungsblatt veröffentlicht — eine 
Verzögerung die dadurch entstand, daß mit Ausnahme des Ministers 
o. Pfeufer alle Minister sich in Urlaub befinden und daher die 
Beschaffung ihrer Unterschrift einige Zeit erforderte. Das koͤnig- 
liche Handschreiben lautet: 
Zu lebhafter Freude gereichte es Mir, zu sehen, wie aus 
Anlaß Meines diesjaͤhrigen Doppelfestes und der damit verbun⸗ 
denen Jubelfeier Meines Hauses alle Kreise der Bevölkerung darin 
veiteiferten, Mir durch Zusenden von Glückwünschen und Gaben 
sowie durch Veranstaltung sinniger Festlichkeiten ihre Treue und 
anhängliche Gesinnung zu bezeugen. Ich fühle Mich durch diese 
‚ahlreichen, Meinem Herzen wohlthuenden Kundgebungen zu dem 
dacmsten und aufrichtigsten Dank bewegt und beauftrage Mein 
Gesammtministerium, demselben in, geeigneter Weise öffentlichen 
Ausdruck zu verleihen. Ludwi g.“ 
Wie 'man in militärischen Kreisen vernimmt, hat sich der Kron— 
prinz des Deutschen Reiches am Schlusse der diesmaligen Inspizir⸗ 
ing bayerischer Truppen über das Ergebniß derselben als in 
jeder Beziehung im höchsten Grade befriedigt, demnach in einer 
die bayerische Armee sehr ehrenden Weise ausgesprochen. 
DerNationalzeitung“ zufolge trug die am 8. September in 
Berlin statigehabte Besspre chechung einiger aus der natio— 
galliberalen Partei ausgetretener Abgeordneter mit einzelnen Ver— 
auensmännern aus verschiedenen Theilen Deutschlands einen 
drivaten Charakter. Man konstatirte den günstigen Eindruck der 
Auirittserilärung. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. 
Wie dem „Gerl. Tgol.“ mitgetheilt wird, hat der Reichskanzler 
feststelen lassen, inwieweit die um ihre Ansicht über eine reichs— 
gesetzliche Regelung des deutschen Versicherungs⸗ 
wesens angegangenen Bundesregierungen dem Wunsche des Für⸗ 
jen nachgekommen sind. Es soll sich ergeben haben, daß bis heute 
Aeußerungen von ca. 14 bundesstaatlichen Regierungen vorliegen, die 
sich zum größten Theil den Vorschlägen des Reichslanzlers anschließen 
und 'nur“ in wenigen Punkten eine abweichende Anschauung zur 
Geltung bringen. Jene Regierungen, deren Antworten noch aus—⸗ 
stehen, sind um eine beschleunigte Erledigung des Zirkularschreibens 
dom 4. August v. J. ersucht worden. 
Die Familie des deutschen Kronprinzeu wird 
Mitte Oktoher auf mehrere Wochen nach Wiesbaden kommen. 
Der Besuch des österreichischen Ministers von Haymerle 
hei Furst Bismarck in Friedrichsruh kann als Austausch freund— 
chafilicher Versicherungen charakterisirt werden. Besonders flagrante 
Fragen lagen nicht zu Grunde. Auch nehmen die orientalischen 
Fragen anscheinend zur Zeit eine ruhigere, von drängenden Nehen— 
hunkten freiere Entwickelung, als bisher. 
Ausland. 
Infolge Vertrags mit der Königin Pomare V. sind Tahiti 
und die Freundschafis-Inseln der Herrschaft Frankreichs ein⸗ 
derleibt worden. Dies Ereigniß wurde am 29. Juni den Ein— 
wohnern durch zwei Proklamationen Vomares und des französischen 
Kommissärs angezeigt. 
Da die Unterhandlungen der Großmächte bezüglich der Flot⸗ 
tendemonstration zu dem erwünschten Einverständniß geführt 
haben (es handelte sich schließlich noch um die Instruktion für die 
Beschwader⸗Kommandanten), so hat auch die französische Regie— 
cung aus dem Hafen von Toulouse zwei Fregatten und einen Aviso 
auslaufen lassen, um sich mit den Schiffen der anderen Großmöchte 
in Ragusa zu vereinigen. 
Schwurgericht der Pfalz. 
III. Quartal 1880. 
7. Sept. Verhandlung gegen Leonhard Manz, 18 Jahre alt, Pho⸗ 
ographen⸗Lehrling aus Wach en heim, zuletzt in Neusta vt a H., wegen 
Muünzverbrechen und Betrug. Verireter der k. Staatsbehörde 
Staatsanwalt Kieffer: Vertbeidiger Rechtsanwalt Gebbhart 
Der Angelklagte stand bei dem Photographen' Reinhard in Neustadt a/ H. 
in der Lehre; er war fleißig und brav, jedoch vhne · Geldmittel, und da er 
och wie seine Alters⸗ und Standesgenossen leben wollte und ihm eine seltene 
Seschicklichkeit in Herstellung mechanischer Arbeiten zur Seite fieht, so scheint 
in ihm der Gedanke gereift zu sein, durch Fabruation und Verausgabung 
falschen Geldes sich aus der Verlegenheit zu helfen. Er verschaffte sich bei 
einem Meister Gyps und Zinn und fertigie sich aus ersterein eine Form, in 
die er ein 50 Pf.⸗Stück abdrückte und nun den Versuch des Gießens machte. 
Es gelang ihm Dies jedoch so schlecht, daß er die Fortsetzung dieser Fabri⸗ 
kation aufgab und sich auf die Herstellung größerer Geidstück verlegte. Er 
entlieh sich ein neues Fünfmarkstück, stellte sich mit Gyps eiue neue Form 
her, in die er das Fünfmarkstück einprägte, und diesmal war sein Streben 
von einem besseren Erfolg begleitet. Es gelang ihm, mehrere Fünfmarkstücke 
herzustellen, die, was ihr Aeußeres anlangt, ziemliche Aehnlichteit mit ächten 
hatten. Er versuchte nun die Verausgabung dieser falschen Geldstücke an8 
verschiedenen Orien, theils bei Wirthen, theils bei andern Gewerbireibenden, 
ind zwar stets in der Dämmerstunde, die ihn vor Entdeckung schützen sollte. 
Rachdem ihm die Verausgabung dreier solcher Münzen gelungen waär, sollie 
er bei einem Obstkaufe bei einer Höckerin zuerst entlarvt werden. Diefe Frau 
erkannte sofort die Unächtheit des ihr verabreichten Geldstückes, auf die fie den 
Angeklagten aufmerksam machte, der auch das Geld sofort wieder zurücknahm 
und erklärte, er werde das Geldstück wieder hinbringen, woher er es bekom⸗ 
men habe. Am anderen Tage begab er sich wieder zu dieser Höckerin und 
bat sie, sie möge doch von diesem Vorfall Nichts sagen, was ihm auch die 
döckerin zusicherte, ihn aber ersuchte, dann aber auch das bei einem Wirthe 
»erausgabte 5-Markstück zurückzuholen. Ganz erschrocken fragte er nun: „Soö, 
Das wissen Sie auch schon ?“ Er eilte in die fragliche Wirlhschaft und erbai 
ich das falsche Geldstück zurück; man hielt ihn aber dort fest, bis der Gen⸗ 
armeriewachtmeister eintraf, dem er angab, et habe bei einem fremden Bür⸗ 
tenmacher eine Bürste gekauft und von dieseni auf einen 20-Mark⸗Schein 
zieses falsche Silbergeld, von dem er nicht gewußt, daß es falsch sei, heraus- 
»ekounmen. In Haft genommen, gestand er aber später seine That zu. 
Die Geschworenen sprachen den Angetlagten von dem Münzverbrechen 
rei, erklärten aber denselben des Betruges zum Nachtheil von fünf 
Personen unter Annahme mildernder Umstände für uͤberführt, und wurde er 
emnach zu einer Gefängnißstrafe von 4 Möonaten verur⸗ 
heilt, wovon die erlittene Untersuchungshaft abzuziehen ist. und wurde seine 
sofortige Freilafssung verfügt. 
8 Sept. Verhandlung gegen Adam Krämer, 48 J. a., Maurer und 
Brabsteinmacher aus Bundenthal, wegen Munzverbrechen. Staatsan⸗ 
valt: Dr. Krell; Vertheidiger: Rechtsanwalt Gink. 
Der Angeklagte, der schon früher wegen Verfertigung von zur Münz⸗ 
äischung bestimmten Stempeln zu 2 Jahren Gefängniß verurtheilt worden 
var, ist ein üdel beleumundeter Mensch. Er ist Maucer und Steinhauer, 
velches Geschäft ihm aber nicht besonders zu behagen scheint. Er unternahm 
im Jahre 1879 auffallend viel Reisen in's Elsaß, so diß man in seinem 
Wohnorte der Ansicht war, er müsse wieder zu seinem alten Metier, der 
Heldmacherei, zurückgekehrt sein, und diese Ansicht scheint nicht der Begründung 
intbehrt zu haben, denn schon im Anfang des vorigen Jahres wurden durch 
»en Sohn des Angeklagten bei verschiedenen G.werbetreibenden theils in Bun⸗ 
»enthal, theils in Rumbach Einlkäufe gemacht. die alle mit falichen 10 Pf.⸗ 
ztucten bezahlt wurden. — 
Die Anklage behauptet aber auch, daß sich der Angeklagte mit Fabrikation 
yon falschen Gold stückhen befaßt habe. Dies gehe daraus hervor, daß er 
»erschiedenen Personen solche faljche Goldstücke gezeigt und sogar bei einem 
Wirthe in Bergzabern versucht habe, mit einem solchen seine Zeche zu bezahlen. 
Im Februͤar v. Is. sei er so ohne Mittel gewesen, daß ihm die Kartoffeln 
jepfändet worden seien, und doch habe er zur selden Zeit einem Manne 7-2-8 
Boldfstücke gezeigt. Damit hätte er ja, wenn die Goldstücke ächt waren, die 
Pfändung von sich abwenden können. J 
Im Januar 1. Is. zeigte er dem Restaurateur Graf in Weißenburg 2 
falsche Goldstücke vor mit dem Bemerken, er habe einen tüchtigen Gehilfen, 
der solche noch besser machen könne. 
Der Angeklagte behauptet, daß diese angeblichen Goldstücke nichts Anders 
gewesen seien als Muttergottesmedaillen, mit denen er nur gehandelt habe. 
Die Geschworenen nahmen nicht an, daß der Angeklagte inländische 
10 Pfg⸗Stücke nachgemacht habe, sondern nur, daß er nachgemachte 10 Pf.⸗ 
Stücke mit der Kenntniß ihrer Unechtheit sich verschafft und dieselben in Ver⸗ 
ehr gebracht Labe, und wurde er demnach in eine Zuchthau⸗strafe von 6 Jahren 
erurtheilt. 
Vermischtes 
Aus der Pfalz. Gegenwärtig ist unter den jungen 
fälzischen Juristen aus den letzten Conkursen wieder ein starker 
Zug zur Auswanderung ins benachbarte Reichsland rege geworden. 
Sicherem Vernehmen nach sind in jüngster Zeit allein an einem 
Landgerichtssitze vier derselben mit Erfolg oder doch mit bester Aus— 
icht auf solchen um Stellen dort eingekommen und andere werden 
hnen noch folgen. 
4 Jin Jahr 1879 haben die Staats- und Gemeinde— 
Waldungen der Pfalz 180,715,24 chm Baus, Nutze und 
Werkholz ergdeben (46 pt. davon Buchen. 33 ECichen⸗. 11 Kiefern.